Frisch Gelesen Folge 18: Plume 1

Plume

»Mein Vater sagte mir mal, dass Rache wie eine Rauchwolke sei. Sie scheint greifbar … doch wenn du sie nehmen willst … fassen deine Finger ins Leere.«


FRISCH GELESEN: Archiv


Plume Band 1

Plume Band 1: »... wie eine Rauchwolke«

Story: K. Lynn Smith
Zeichnungen: K. Lynn Smith

dani books
Softcover | 152 Seiten | Farbe | 14,00 €
ISBN: 978-3-944077-31-4

Genre: Western

Für alle, die das mögen: übernatürliche Western, Manga, Webcomics


Das ging flott. Der knapp ein Jahr alte Verlag dani books veröffentlichte im Dezember 2013 den Comic Plume als Sammelband noch vor dem US-amerikanischen Original. Die Geschichte um das Mädchen Vesper Grey, die als »abenteuerlicher Streifzug durch den Wilden Westen« angepriesen wird, erschien zuerst als Gratislesefutter im Internet. Plume ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich nicht jeder Webcomic für eine Reinkarnation in Print eignet.

Knapp 1000 weltweite Follower bei Twitter und rund 3500 zum Teil identische Fans bei Facebook reichen scheinbar heutzutage aus, um einen Webcomic als erfolgreich zu deklarieren. Dennoch fand sich kein Verlag, der den ersten Handlungsbogen drucken wollte. In den USA wollte der einst sehr umstrittene Verlag Devil's Due (der vor einigen Jahren zeitweise von der Bildfläche verschwunden war, weil der seine Zeichner nicht mehr bezahlte) zwar, bemühte jedoch trotzdem Kickstarter. Zur Sicherheit. Man kann ja nie wissen. Nicht ganz 500 Leute unterstützten das Crowdfunding-Projekt und sorgten für einen durchaus veritablen Erfolg und damit für die Vorfinanzierung.

Der Sammelband, der jetzt bei dani books erschienen ist, wurde ebenfalls nicht von einem richtigen Verlag in Angriff genommen. Dieses Mal startete K. Lynn Smith, die Zeichnerin höchstselbst, eine zweite Kickstarter-Kampagne, die zwar nur 329 Menschen rund um den Globus begeisterte, die aber immerhin mit knapp 10.000 Dollar fast das Doppelte der ausgerufenen Mindestsumme von 5000 Dollar zusammenlegten.

Plume Leseprobe

Die Helden von Plume: Vesper und Corrick

Nun machen ein, zwei erfolgreiche Crowdfunding-Aktionen noch keinen tollen Comic, aber, was soll's: Jano Rohleder, Gründer, Verleger, Lizenzeinkäufer und Übersetzer in Personalunion, ignorierte die vergleichsweise kleinen Zahlen der Unterstützer, denn er veröffentlicht sowieso vor allem das, was ihm gefällt. Dass dabei bislang ein Verlagsprogramm entstanden ist, welches ohne Konzept, aber mit viel Liebe, zusammengestellt scheint, soll uns nicht weiter stören. Plume hat ihm offenbar so gut gefallen, dass er den Comic auf den deutschen Markt brachte, bevor das US-Original im Frühjahr 2014 erscheint.

Leider funktioniert Plume als gedrucktes Buch nicht so richtig. Die Grundidee einer Vesper Grey, die gelangweilt bei ihrer Tante sitzt, während ihr Vater als Archäologe die entlegensten Ecken der Welt erkundet, ist nicht nur klischeehaft und alles andere als neu, sondern auch extrem dünn. Vespers Leben wird aufgepeppt, als ein mysteriöser, gutaussehender Typ namens Corrick mit übernatürlichen Kräften ihr das Leben rettet und zusätzlich ein magisches Amulett ihres Vaters weitere Rätsel aufgibt. Ihr Leben mündet in einer Art Wild-West-Story, in welcher es beim Kampf mit bösen Cowboys um alte Artefakte geht. Man wird beim Lesen das Gefühl nicht los, dass der Band mit seiner Handlungsarmut eher wie ein aus den Fugen geratener Pitch für eine TV-Serie wirkt.

Es ist leider so: Ein guter Autor hätte diese halbgare Story auf weniger als 20 Seiten abgehandelt. Und leider sind die darin vorgestellten Charaktere genauso platt, wie die Geschichte dürr. Was im Webcomic als sequenzielle Veröffentlichung möglicherweise funktioniert, wirkt hintereinander weg gelesen als generisches, eher langweiliges Konstrukt. Durchaus vorhandene Szenen mit witzigen Dialogen können letztlich nichts mehr retten. Der Titel der Geschichte scheint Programm: »… wie eine Rauchwolke«.

Plume Leseprobe

Computerkoloriertes Western-Ambiente: eine seltene Szene mit Pferden aus Plume

Und leider verstärkt sich der mittelmäßige Gesamteindruck auch, sowohl bei den Zeichnungen als auch der Kolorierung. Erstere kranken an fehlenden Hintergründen. Die Personen, die mit ihren großen Kulleraugen Manga-Leser ansprechen dürften, agieren meist in einem ziemlich kargen, uninspirierten Setting. Das ist wirklich bedauerlich, weil dem Leser auf dem Klappentext ein Western versprochen wird. Besonderes Western-Ambiente, wie schöne Landschaften, alte Saloons, Zeitkolorit oder ähnliches sucht man vergebens, selbst Pferde gibt es kaum zu sehen. Stattdessen verschwindet das meiste in einem diffus-schwummrigen Dunst, wozu die platte und stellenweise höchst eigenwillige Computerkolorierung ihr Scherflein beiträgt. (Okay, es gibt eine Splashpage, auf der die Protagonisten einem Sonnenaufgang entgegen reiten, aber die ist so gruselig einfärbt, dass sie nicht zählt.)

Nicht jeder Schuss kann ein Treffer sein. Der ansonsten sehr solide produzierte und mit 14 Euro äußerst günstige erste Band von Plume dürfte in ein paar Jahren, wenn man auf das erste Jahr von dani books zurückblicken kann, in der Kategorie »Fehltritt« (oder »Lehrgeld«) verbucht worden sein.

Plume könnte aber auch als Warnung dafür stehen, dass man als Kleinverlag jeden Titel genau nach allen Verkaufsaspekten prüfen sollte, nicht nur nach Geschmacksfragen, bevor man ihn ins Programm nimmt.

[MH]  

Abbildungen © 2013 K. Lynn Smith / dani books


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