Frisch Gelesen Folge 177: Kommissar Eisele, Band 4

»Damals schickte ein offenbar Geistesgestörter rätselhafte Briefe ans Polizeipräsidium.«


FRISCH GELESEN: Archiv


Kommissar Eisele, Bd. 4: »Kommissar Eisele und sein Henker«

Story: Martin Frei
Zeichnungen: Martin Frei

Gringo Comics
Softcover │ 96 Seiten │ Farbe │ 16,80 €
ISBN: 978-3-946649-22-9

Genre: Krimi

Für alle, die das mögen: die Tatort-Reihe und andere regional gefärbte Krimis


 

»Irgendwie war er schon immer da«, hat mein Kollege Matthias Hofmann über den Comiczeichner Martin Frei in ALFONZ 4/2019 geschrieben. Diese Beschreibung deckt sich auch mit meiner Wahrnehmung des 1964 geborenen Schwaben. Ohne ihn jemals so richtig auf dem Schirm gehabt zu haben, war Frei auch in meinem Leben irgendwie immer da, was bei mir in erster Linie mit meiner verzweifelten Liebe zum VfB Stuttgart zusammenhängt. Diese habe ich quasi mit der Vatermilch aufgesogen und in der Saison 1991/1992 verfestigt. Im selben Jahr, als die Jungs mit dem Brustring ihre vierte Meisterschaft errangen, bekam mein Lieblingsklub auch ein Maskottchen. Den Alligator Fritzle, der seither die Strips der Stadionzeitschrift ziert, hat Martin Frei erfunden. Vor drei Jahren schafften es die neueren Abenteuer des zu den Krokodilen gehörenden Reptils bei Cross Cult sogar in einen Sammelband:


Während mir Fritzle wohlbekannt, Frei hingegen weniger ein Begriff war, nahm ich auch eine weitere seiner Schöpfungen bislang nur am Rand wahr: Kommissar Gustav Eisele. Den Ermittler der Stuttgarter Kriminalpolizei gibt es bereits seit 2008. Bei Gringo Comics sind seither drei Bände erschienen. Der erste wurde 2017 in einer überarbeiteten Version in einem größeren Format und komplett in Farbe neu aufgelegt. Auch für die vergriffenen Bände zwei und drei sind überarbeitete Neuauflagen in Vorbereitung. Meine erste bewusste Begegnung mit dem kernigen, stets adrett gekleideten Ermittler, der wie eine ergraute Version von James Bond und so überhaupt nicht wie der biedere Tatort-Kollege Ernst Bienzle daherkommt, hatte ich mit dem bereits im neuen Format veröffentlichten vierten Band. Doch keine Sorge, selbst wer wie ich völlig jungfräulich an die Reihe herangeht, findet sich problemlos in ihr zurecht. Eine kurze, an die Asterix-Bände angelehnte Vorstellung des Handlungsorts und der wichtigsten Figuren, gewährt zudem einen ausreichenden Überblick:


Typisch für die Eisele-Comics ist eine Verschränkung der aktuellen Kriminalfälle mit der Stuttgarter Stadtgeschichte. Laut Homepage des Verlags spielen in Freis Krimis »die lokalen Hintergründe sehr stark in die Handlung hinein, beeinflussen sogar das Geschehen«. Das ist auch dieses Mal der Fall. Eisele und seine Kollegin Klara Fietjen bekommen es mit dem »Tüftler« zu tun. Der Verbrecher hielt Eisele bereits vor zehn Jahren in Atem, lange bevor die Hamburgerin Fietjen von der Alster an den Neckar wechselte. Nun ist der »Tüftler« wieder auf freiem Fuß und tut das, was er am besten kann: Straftaten begehen, die auf historische Ereignisse anspielen. Jede neue Tat wird durch einen Hinweis angekündigt. Ein Ratespiel mit bösen Folgen. Und wie es sich für einen ordentlichen Krimi gehört, ist natürlich nichts so, wie es auf den ersten Blick scheint.

Das trifft auch auf den Titel des vierten Bands zu. Dieser lässt zwar eine Variation von Der Richter und sein Henker vermuten. Mit Friedrich Dürrenmatts zwischen Dezember 1950 und März 1951 in Fortsetzung erschienenem Kriminalroman hat die Story aber allenfalls in Ansätzen zu tun. Die Irrungen und Wirrungen bis zur Auflösung des Falls bringt Frei in einer ansprechenden Mischung aus realistisch gehaltenen Stadtansichten und reduzierten, ins Karikatürliche gehenden Figuren zu Papier. Trotz ihrer vereinfachten Gesichtszüge bewahren sie sich ausreichend Ernst:


Kommissar Eisele
ist ein präzise beobachteter Comic, in dem sowohl kleinkarierte Schwaben als auch Neigschmeckte (also Zugezogene) ihr Fett abkriegen. Für meinen Geschmack nimmt die Handlung dabei aber ein paar Abzweigungen und Wendungen zu viel. Auch ist Freis Anliegen, in einer gegenwärtigen Geschichte Vergangenes zu erzählen, ein wenig zu bemüht. Viele der Dialoge wirken unnatürlich und ungelenk, weil ihr Sinn und Zweck der Wissensvermittlung historischer Fakten jederzeit erkennbar bleibt.

Fans regionaler Krimis sollte das aber nicht abschrecken. Wer den Tatort oder Kriminalgeschichten mit Lokalkolorit wie beispielsweise Wolfgang Schorlaus Romane um den Stuttgarter Privatdetektiv Georg Dengler liebt, dem dürfte auch Kommissar Eisele gefallen. Zum Schluss des vierten Bands verabschiedet sich der Ermittler zwar in den Vorruhestand. Bis dahin befand er sich aber in einem solchen Unruhezustand, dass meine erste Begegnung mit Gustav Eisele sicher nicht die letzte gewesen sein wird.

[Falk Straub]

Abbildungen © 2017 Cross Cult, 2020 Gringo Comics


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Oder beim Verlag: Gringo Comics