Chronik 1983-1986

1972 alfons jung241 Kopi840 

1983 An einem kalten Dezember-Nachmittag hatten wir – das sind die drei Comic-Fans Andreas Wiedemann, Heiko Hähnsen und Volker Hamann – die Schnauze voll! Carlsen wollte schon wieder die Preise für die Comic-Alben erhöhen, die Übersetzungen der Condor-Produktionen waren schlecht, und der Bastei Verlag hielt die angekündigten Erscheinungstermine einfach nicht ein. Wir wollten unsere Stimme dagegen erheben und planten die Herausgabe eines Comic-Fachmagazins. Es traf sich ganz gut, dass Heiko, seines Zeichens Hobby-Künstler und talentierter Zeichner, ohnehin eine Veröffentlichungsmöglichkeit für seine Comics suchte und nun den künstlerischen Teil des geplanten Magazins bestreiten sollte. Andreas und Volker dagegen sollten die redaktionellen Tätigkeiten übernehmen und unserem Ärger Luft machen!

presse pinneberger zeit10321984 Im Januar erschien die erste Ausgabe von „Comic Reddition“! Stolz lieferten wir die komplette Auflage – immerhin 32 Exemplare! – mit Bus und Bahn in den Comicladen unseres Vertrauens. Holger Dietrich von Dietschis Comicshop in Hamburg hatte uns angeboten, die noch kostenlose 0-Nummer auszulegen und Werbung für uns zu machen. Auch die folgenden Ausgaben wurden in Mini-Auflagen von uns fotokopiert und zu Dietschi gebracht; ab Ausgabe 1 kostete die „Comic Reddition“ DM 1,50.
Im Frühjahr wurden wir vor die ersten organisatorischen Probleme gestellt: Im Sommer wollten wir gemeinsam Urlaub machen, doch die „Comic Reddition“ sollte weiter erscheinen... Was tun? Kurzerhand wurde ein Freund verpflichtet, die kurz vor unserem Start fertiggestellten Druckvorlagen zu vervielfältigen und auszuliefern. Sein Vater war Architekt und hatte zu Hause einen Fotokopierer stehen! Damals der pure Luxus! Was wir nicht wussten: Die Ausgabe wurde komplett nur einseitig bedruckt und musste per Hand Seite für Seite zusammengeklebt werden. Das machte die Nummer zwar doppelt so dick, aber...

anzeigenpreisliste 1 198888

Der Urlaub sollte uns nach England führen, doch das Personal auf den Fähren zwischen Holland und England war in einen Streik getreten: Wir saßen in Rotterdam fest! Schnell beschlossen wir, unser Interrail-Ticket auszunutzen und Richtung französischer Atlantikküste aufzubrechen. Ein folgenschwerer Entschluss, denn auf unserem Trip begegneten wir zum ersten Mal dem reichhaltigen französischen Comic-Angebot! Auf unserer letzten Station Richtung Heimat wurden in einem zweifelhaften Amsterdamer Hotel Pläne für die folgenden Ausgaben der „Comic Reddition“ geschmiedet.

1985 abokarte252 Kopie1032

Im Herbst erschienen die Ausgaben 4 und 5, diesmal schon in Auflagen von 40 und 50 Exemplaren und mit einem Klebebandrücken versehen. Die Werbetrommel, die Holger Dietrich in seinem Laden gerührt hatte, zeigte erste Auswirkungen und brachte uns mit einem neuen Zeichner zusammen: Ulf Witt war in Ausgabe 5 zum ersten Mal vertreten. Heikos Zeichnungen waren ganz von den auf unserem Sommer-Trip gewonnenen Erfahrungen geprägt und präsentierten sich in reinster Nouvelle Ligne Claire!

alfonz prospekt515 Kopi1032

1985 In Reiner Hünerfauth und seiner Hinterhof-Druckerei in Pinneberg fanden wir unseren ersten professionellen Partner. Bei ihm durften wir alles selbst machen – von der Blocktext-Eingabe über die Film-montage bis zur Herstellung der Druckplatten – und reduzierten dadurch die Kosten für die 500 Exemplare der ersten komplett gedruckten Ausgabe 6 der „Comic Reddition“. Auch die im Sommer und Herbst folgenden Ausgaben 7 und 8, mit der wir die Auflage auf 700 Exemplare erhöhten, entstanden bei Reiner Hünerfauth.
Der erste Werbeauftrag – die Beilage des Carlsen Comic Magazins – brachte uns mit Andreas C. Knigge zusammen, der uns wertvolle Tips für die professionellere Erscheinung der „Comic Reddition“ gab. Seine Erfahrungen als Herausgeber der „Comixene“ einige Jahre zuvor waren für uns wie eine Offenbarung! Mit Mark O. Fischer und Stefan Linz konnten die ersten freien Mitarbeiter begrüßt werden, die sich um Rezensionen bzw. US-Comics kümmerten.

1986 Der wahnwitzige Plan, die Ausgabe 9 bereits mit einem komplett lithographierten vierfarbigen Cover zu versehen, gefährdete fast die Existenz unserer Publikation. Basierend auf den Vorschlägen von Andreas C. Knigge hatten wir uns entschlossen, dem Hauptthema des Heftes – Hergé und seiner Comic-Serie „Tim und Struppi“ – das Titelbild zu widmen. Nun lag uns ein interessantes Angebot des Berliner Comic-Händlers Siegmar Koeke vor, der uns vorgeschlagen hatte, für einen bezahlbaren Betrag sowohl die Erstellung der Druckunterlagen als auch die Produktion des Umschlags zu übernehmen. Die sich anschließend anbahnende endlose Korrespondenz über die sich im Nachhinein doch gar nicht so günstigen Konditionen hatten fast unseren finanziellen Ruin zur Folge... Vom Ärger mal ganz abgesehen!
Erfolgreich wurde das Jahr dann aber doch noch durch die Teilnahme am 2. Internationalen Comic-Salon in Erlangen. Die noch im Redoutensaal untergebrachte Messe war damals sehr überschaubar und hatte fast etwas Privates; für uns aber stand plötzlich die ganze Comic-Welt offen! Als dann noch das Gerücht die Runde machte, „Comic Forum“ würde sein Erscheinen einstellen und sucht einen Nachfolger für die Abonnenten-Kartei, witterten wir unsere Chance. Glücklicherweise wurde aus dem angedachten Joint Venture nichts und wir konnten weiterhin unseren eigenen Weg gehen.
Nachdem bereits Heiko Hähnsen seine Mitarbeit an der „Comic Reddition“ mit Ausgabe 8 eingestellt hatte und sich in der folgenden Zeit seinem neuen Magazin „Eisbrecher“ widmete, kündigte sich auch für Andreas Wiedemann im Herbst 1986 eine Veränderung an. Aus beruflichen Gründen würde er zukünftig keine Zeit mehr für das zeitraubende Hobby „Comic Reddition“ haben. Mit den neuen Mitarbeitern Roland Mietz, Georg F.W. Tempel und Dittmar Schnack war es Volker Hamann trotzdem möglich, das Magazin herauszugeben.