Frisch Gelesen Folge 337: Liv Strömquists Astrologie

»Ich kann nicht glauben, dass dieser zähe Kerl einfach so zu einer Katze wurde! Und dann auch noch so eine süße …«


FRISCH GELESEN: Archiv


Liv Strömquists Astrologie

Story: Liv Strömquist
Zeichnungen: Liv Strömquist

avant-verlag
Softcover | 176 Seiten | Farbe | 22,00 €
ISBN: 978-3-96445-094-4

Genre: Sachcomic, Essay

Für alle, die das mögen: AstroTV, Dialektik der Aufklärung, Der Ursprung der Welt



Die Sterne stehen günstig für Horoskope: Apps über Astrologie, Sachbücher wie Folge deinen Sternen und Beiträge auf TikTok wie Instagram verhelfen der kleinen Form des großen Blödsinns zu neuem Glanz. Was es früher maximal zu einer Sonderbeilage in der HÖRZU brachte, bietet heute Halt für gestresste Millennials und alle noch Jüngeren in turbulenten Zeiten. Nur warum?

Liv Strömquist beantwortet diese Frage in ihrem neuen Comic Astrologie, wenn auch mehr gezwungenermaßen als Nebenprojekt. Die 45-jährige Schwedin zeichnet sich durch alle Tierkreiszeichen, sucht prominente Beispiele und nutzt all dies für viel grundlegendere Gedanken. Zum Beispiel Gwyneth Paltrows Verkaufstalent für überflüssigen Nippes. (Waage eben.) Oder die Straftaten von Varg Vikernes. (Wassermann, Burzum-Musiker und altkluger Satanist.) Denn Strömquist sind die Sternzeichen hier nur Startpunkt, schneller Aufhänger für ihre Essays in Comicform. Weshalb sich Astrologie so hektisch liest.

Denn mal nimmt sich Strömquist viele Seiten für ein Sternzeichen, lotet mehrere Geschichten oder Biografien aus, während andere Sternzeichen nur fünf Seiten erhalten. (Liebe Krebse, ihr müsst stark sein! Aber was seid ihr auch so weinerlich?) Jetzt ließe sich einwenden: Aber es gibt bestimmt einen übergeordneten Rahmen und eigentlich geht es gar nicht wirklich um Sternzeichen. Doch, genau das. Am Ende gekrönt von einem Kapitel, wer nun mit wem zusammenpasst. Was die große Schwäche dieses Comics ist: Was Strömquist sagen will, lässt sich gar nicht ausmachen.

Glaubt sie an die Sterne? Oder nicht? Mit Ironie und Humor versteckt sich Strömquist auch dieses Mal allzu oft hinter ihrem Comic und zieht sich damit zu einfach aus der Affäre. Sogar zeichnerisch überrascht das inzwischen nicht mehr. Dass die ganze Sache mit den Horoskopen, der Astrologie und letztlich der Esoterik nicht nur als Witz dient, müsste ihr klar sein. Denker Adorno und Soziologe Aris Komporozos-Athanasiou halten im letzten Kapitel her, um den aktuellen Boom der Astrologie zu erklären. Strömquist beendet es mit: »Entscheidet selbst, meine lieben Kleinen, entscheidet selbst! Und vor allem: Selber denken. Viel Erfolg.« Ja, wer weiß: Vielleicht ist ja doch was dran?

Astrologie macht vor allem deutlich, wie trist und öde es um das Irrationale steht. Überinterpretiert, Teil der modernen Selfcare und nur aus ironischer Distanz zu glauben. Horoskope lassen sich als harmlos verbuchen oder als schädlicher Unfug, mit dem windige Gestalten viele Einnahmen generieren. (Aber täten sie es nicht mit Horoskopen, fände sich was anderes.) Wenn Strömquist am Ende Komporozos-Athanasious Antwort aufführt, dass die Menschen ihr Horoskop lesen, weil sie Unsicherheit in einer rationalen Welt suchen, ist das die drögste aller möglichen Antworten. Spiritualität für das aufgeklärte 21. Jahrhundert.

Ein Buch wie Astrologie passt da nur zu gut. Dort, wo wir selbst keine Antworten wollen, weil sie unbequem für uns wären, flüchten wir in die Ironie. Entsprechend trifft Strömquists neuer Comic sehr genau den Zeitgeist. Am Ende hat Astrologie aber weniger zu bieten als ihre anderen Comics. Es bleibt das Gefühl, dass die Künstlerin und Radiomoderatorin sonst kritischer ist, tiefer bohrt, mehr aus Themen holt. So bleibt all dies eben wenig mehr als ein hektisches Pendeln zwischen Themen und Sternzeichen – ohne sich jemals zu entscheiden, was das alles soll. Aber vielleicht steht auch das in den Sternen.

[Björn Bischoff]

Abbildungen © 2023 avant-verlag / Liv Strömquist


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