Frisch Gelesen Folge 239: Gejagt

 

»Ich dachte, du würdest bei den Black Panthers mitmachen.«
»Ich hab's versucht, aber das war nichts für mich. Die sind mir zu chauvinistisch.«


FRISCH GELESEN: Archiv


Gejagt – Die Flucht der Angela Davis

Story: Fabien Grolleau
Zeichnungen: Nicolas Pitz

Cross Cult
Hardcover │ 136 Seiten│ Farbe │ 25,00 €
ISBN: 978-3-96658-342-8

Genre: Biografie

Für alle, die das mögen: Biografien von politisch aktiven und interessierten Personen wie Gegen mein Gewissen (avant-verlag), Jein (Jaja) oder Im selben Boot (Schreiber & Leser)


Ende der 40er Jahre sind in Nordamerika goldene Zeiten angebrochen: Der Zweite Weltkrieg ist vorbei, die Wirtschaft brummt und alles ist in Butter. Scheinbar. Denn die Verheißungen des amerikanischen Traums gelten nicht für alle. Schwarze Bürger werden weiterhin durch die herrschende und gesetzlich verankerte Rassentrennung unterdrückt. In diese Welt wird Angela Davis 1944 geboren, wächst in Birmingham, Alabama auf und lernt schon früh, mit den täglichen Schikanen zu leben. Zum Beispiel, ja schön mit gesenktem Kopf an Gesetzeshütern vorbeizuschleichen, um Aufmerksamkeit oder unangenehme Fragen zu vermeiden. »So ist das nun mal, gewöhn dich lieber daran«, wird sie von ihren Freundinnen auf dem Weg zur Schule instruiert. Aber Angela ist durchaus ein aufmüpfiges Kind oder besser: ein Kind, das Ungerechtigkeiten nicht klaglos hinnimmt. Diese nachvollziehbare Unfolgsamkeit hat aber beinahe fatale Folgen. Eines Tages stellt sie sich einer Truppe von Ku-Klux-Klan-Anhängern in den Weg, die mit einem Auto auf sie zurasen. Nur der beherzte Sprung der Mutter rettet ihr das Leben. Nein, Birmingham ist nicht für jeden ein schöner Ort. Ein Viertel wird sogar »Dynamite Hill« genannt, weil Rassisten Wohnhäuser Schwarzer Familien in die Luft sprengen.


Angela Davis ist bereits mit fünf Jahren mutig. Aber einfach nur Kind. Denn ein heranbrausender Wagen kann so nicht gestoppt werden. Egal, ob der Ku-Klux-Klan an Bord ist oder nicht.


Nicolas Pitz untermalt dies mit schönen realistischen Zeichnungen, gestaltet diese aber angenehm zurückhaltend, sodass Bild und Text niemals miteinander konkurrieren. Seine Kolorierung ist in angenehmen Brauntönen gehalten und es dauert eine Weile, bis es auffällt, dass diese herbstlichen Farben außerordentlich gut zu der immer bedrückender werdenden Geschichte passen. Fabien Grolleaus Geschichte liest sich zunächst wie ein beschwingtes Katz-und-Maus-Spiel zwischen Außenseitern und Sicherheitsorganen, bis einem – zum Glück – schnell in den Sinn kommt, dass alles auf Davis' Leben bis in die frühen 70er basiert. Grolleau beschwört aber nie eine Black-Power-Romantik, sondern schildert anhand dokumentierter bekannter und vielleicht weniger geläufiger Fakten dieses bewegte Leben.


Treffende, aber verstörende Illustration: Amerika steht in Flammen.


Das Amerika von damals stand in Flammen, zumindest aus der Sicht der Schwarzen Bevölkerung. Der Weiße Teil wollte das überwiegend so nicht sehen, manche bemerkten die Entwicklungen eventuell wirklich nicht, viele andere übten sich in selbstgefälliger Ignoranz und Verdrängung. Wie »lästig« das Thema damals war, zeigt Grolleau anhand von FBI-Chef J. Edgar Hoover, dem Davis zunächst relativ schnuppe ist, der dann aber, vorsichtig ausgedrückt, aufhorcht, weil sie Kommunistin ist. Die Reaktion kommt prompt: Er erklärt sie zum Staatsfeind. In den USA kann jeder alles Mögliche sein, ein »Roter« bestimmt nicht.


»Schlimm« genug, dass Angela Davis Schwarz ist, aber als J. Edgar Hoover hört, dass sie Kommunistin ist, hört bei ihm der Spaß so richtig auf.


Grolleau und Pitz machen Lust darauf, Angela Davis' Leben zu erkunden. Sie beschreiben eine Frau, die im Hier und Jetzt verankert ist und idealistischen Träumen eher nicht nachhängt. Bei den Black Panthers war sie nur für kurze Zeit, weil ihr diese zu chauvinistisch waren und sie keinen Bock darauf hatte, diese »aus dem Hintergrund« zu unterstützen. Das Heimchen am Herd, das ist nichts für sie. Ab 1969 war sie, wie in dieser Graphic Novel geschildert, Dozentin an der University of California in Los Angeles, bis ihr 1970 der Vertrag gekündigt wurde, weil sie Mitglied der Kommunistischen Partei der USA war. Doch damit war ihre akademische Karriere nicht zu Ende. Von 1975 bis 1977 lehrt sie African American Studies am Claremont College und ist heute emeritierte Professorin an der University of California in Santa Cruz.


Angela Davis ist geschockt. Sie erfährt, dass Martin Luther King bei einem Attentat ums Leben kam.


Am Schluss keimt die Erkenntnis, dass es gut ist, dass es Menschen wie Angela Davis gibt, die sich für die Rechte der Schwarzen Bevölkerung einsetzen, um die Welt, platt ausgedrückt, ein wenig besser zu machen. Außerdem rückt dieser Band in den Fokus, dass dieser Freiheitskampf nach so vielen Jahrhunderten immer noch anhält und ein positives Ende immer noch in Sicht ist. Tolles, nachdenklich stimmendes Album!

[Walter Truck]


Der »American Dream« ist, leider, nur ein »White Only Club«.

 

Abbildungen © 2021 Cross Cult / Fabien Grolleau, Nicolas Pitz


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