»Bitte nehmen Sie die Waffe runter! Ein guter Mensch zu sein, ist doch viel besser als einfach nur reich.«
(Heidi zum Kapitalisten Schnaittinger)
Heidi – Die Legende vom Luchs
Drehbuch: Rob Sprackling
Regie: Tobias Schwarz
LEONINE Studios
Kinostart: 26.06.2025 | 78 Minuten | Farbe
Genre: Animationsfilm, Kinder, Familie
Für alle, die das mögen: Berge, Natur, Umweltschutz
Heidi ist nicht totzukriegen; egal in welchem Medium. Ein neuer Animationsfilm erzählt jetzt eine neue Geschichte. CRON klärt auf, worum es geht und ob sich ein Kinobesuch lohnt.
Wer ist Heidi?
Na, Sie wissen schon, das kleine Mädchen aus den Bergen, das bei seinem Großvater auf der Alm lebt. Ausgedacht hat sich die Figur die Schweizer Autorin Johanna Spyri (1827–1901), die in den zwei Romanen Heidis Lehr- und Wanderjahre (1880) und Heidi kann brauchen, was es gelernt hat (1881) von ihr erzählte. Seither kam es in den unterschiedlichsten Medien zu unzähligen Adaptionen. Im Animationsbereich war die letzte namhafte Produktion eine 3D-Animationsserie fürs Fernsehen, die es ab 2015 in zwei Staffeln auf 63 Episoden brachte. Auftraggeber war unter anderem das ZDF, das bekanntlich ja bereits in den 1970er-Jahren eine Zeichentrickserie in Japan bestellt hatte, die heute Kultstatus genießt.
Auch im neuesten Animationsfilm lebt Heidi beim Alm-Öhi in den Schweizer Alpen
Welche Vorkenntnisse benötige ich?
Da es sich um einen Kinderfilm handelt, sind keinerlei Vorkenntnisse nötig. Es kann sogar von Vorteil sein, Spyris Romane und deren Adaptionen nicht zu kennen. Denn wer zum Beispiel Fan der alten Zeichentrickserie aus den 1970ern ist, wird von diesem Film womöglich zu viel erwarten.
Worum geht's bei Heidi – Die Legende vom Luchs?
Nach einer Idee von Peter Dollinger und einer Story von Marcus Sauermann und Tess Meyer hat der Drehbuchautor Rob Sprackling eine Geschichte zu Papier gebracht, die sich zwar an Spyris Universum anlehnt, aber eine vollkommen neue Episode aus Heidis Leben erzählt. Eigentlich freut sich Heidi schon auf ihren Urlaub, den sie gemeinsam mit ihrer Freundin Clara an der Ostsee verbringen will. Doch dann kreuzt der geldgierige Geschäftsmann Schnaittinger auf und wirbelt das beschauliche Dorfleben durcheinander. Schnaittinger will dort ein Sägewerk errichten und baut die bei einem Brand zerstörte Dorfkirche aus eigener Tasche wieder auf, um die Bewohner von seinem Anliegen zu überzeugen. Als Heidi und der Ziegenpeter beim Ziegenhüten einen kleinen verletzten Luchs finden, päppeln sie ihn heimlich auf. Um das Tier vor Schnaittinger in Sicherheit zu bringen, begeben sich Heidi und Peter tiefer in die Berge – und machen dabei eine Entdeckung, von der die Zukunft des Dorfs abhängt.
Mit Schnaittinger (rechts) und seinem Atomobil halten die Moderne, aber auch die Zerstörung der Natur ins Bergdorf Einzug
Lohnt sich der neue Heidi-Film?
Das Positive vorweg: Der Regisseur Tobias »Toby« Schwarz setzt auf viel Wiedererkennungswert. Bereits ein Blick auf das Filmplakat zeigt, dass das Animationsteam auf den wohlvertrauten Look der mehr als 50 Jahre alten Kultserie setzt. Wie in dem Anime unter Regie des großen Isao Takahata (1935–2018; Die letzten Glühwürmchen u.v.a.), mit dem hierzulande so viele Kinder aufgewachsen sind, trägt Heidi auch in Schwarz' Animationsfilm ein rotes Kleid über einem gelben Hemd und eine Kurzhaarfrisur. Auch die übrigen Figuren, etwa der Alm-Öhi und der Ziegenpeter, sind denen aus der Serie nachempfunden. Ja, sogar das Titellied (»Heidi, Heidi, deine Welt sind die Berge …«) wird am Anfang des Films in einer neuen Version kurz eingespielt.
Lobenswert ist zudem, dass nicht ein weiteres Mal Spyris Originalgeschichte nacherzählt wird. Stattdessen geht es um die Rettung eines Wildtiers und den Widerstand gegen den Bau eines Sägewerks, zusammengefasst also um Naturschutz. Im geldgierigen Machtmenschen schwingen Bezüge zu unserer Gegenwart mit. Schließlich erinnert der von Max Giermann synchronisierte Antagonist Schnaittinger an zeitgenössische Wirtschafts- und Tech-Bosse, die ihre egozentrische Agenda hinter vermeintlichem Altruismus verbergen. Auch die umweltfreundliche Botschaft ist zeitgemäß (und kindgerecht aufbereitet). Die hier präsentierte Welt ist allerdings arg schwarz-weiß gezeichnet. Etwas komplexer (und kritischer gegenüber dem Landleben) hätte es dann schon sein dürfen.
Die Naturkulisse überzeugt, die Figuren weniger
Für die ganz Kleinen im Publikum wird dieser Film prima funktionieren, etwas ältere Kinder könnten sich an der groben Vereinfachung von Handlung und Figuren sowie am ruhigen, niemanden überfordernden Erzähltempo stören, Eltern werden sich schnell langweilen. Am meisten Charaktertiefe besitzen mit dem Alm-Öhi und dem Bösewicht Schnaittinger ausgerechnet zwei Erwachsene. Heidi und ihr bester Freund, der Ziegenpeter, sind auf wenige simple Charakterzüge beschränkt. Sich mit der Titelheldin zu identifizieren, fällt daher nicht leicht. Und erschwerend hinzu kommt, dass die Animationen nicht durchweg überzeugen. Während sich die animierte Naturkulisse sehen lassen kann, lässt die Qualität des Charakterdesigns im Verlauf des Films immer wieder zu wünschen übrig. Mit den Großprojekten, an denen Toby Schwarz im Verlauf seiner mehr als 30-jährigen Karriere mitgearbeitet hat, also Filmen wie Anastasia (1997), Titan A. E. (2000), Der Illusionist (2010) oder Klaus (2019), kann Heidi – Die Legende vom Luchs nicht mithalten. Und Fans von früher holt der Film ebenfalls nicht ab.
[Falk Straub]
Abbildungen © 2025 LEONINE Distribution GmbH