Frisch Gelesen Folge 372: Die linke Hand Gottes und die rechte Hand des Teufels

»Warum sollte ich verletzt sein? Du hattest bloß einen Alptraum!«


FRISCH GELESEN: Archiv


Die linke Hand Gottes und die rechte Hand des Teufels Band 1

Story: Kazuo Umezz
Zeichnungen: Kazuo Umezz

Egmont Manga
Hardcover | 656 Seiten | s/w | 30,00 €
ISBN: 978-3-7555-0044-5

Genre: Horror, Mystery

Für alle, die das mögen: Uzumaki, The Drifting Classroom



Endlich erscheint »dieser andere japanische Horror-Zeichner« in deutscher Übersetzung. Allerdings gibt es mit den Werken von Kazuo Umezz (oder auch Umezu) ein Problem. Und das liegt an Junji Itō. Während der Künstler hinter Uzumaki für den Horror-Manga aktuell das ist, was Nirvana für den Grunge zu Beginn der 90er waren, ist Kazuo Umezz – zumindest in Deutschland und um im Bild zu bleiben – quasi Mudhoney. Also jene Grunge-Band aus Seattle, die das Genre maßgeblich prägte und beeinflusste, aber trotzdem heute kaum noch jemand kennt. Zu Unrecht. Sowohl bei Umezz als auch bei Mudhoney.

Bei Egmont Manga erscheint nun nach langer Ankündigung endlich der erste Band von Die linke Hand Gottes und die rechte Hand des Teufels. Und die Reaktionen darauf? Eher verhalten. Was an dem mehrfach geschobenen Veröffentlichungstermin liegt. Aber auch daran, dass dieser Manga bereits Ende der 80er in Japan herauskam. Wer Itō gewöhnt ist, bekommt bei Umezz weit weniger kosmischen Horror und weit weniger dynamische Zeichnungen. Dafür mehr als den Grusel-Standard von damals.

 


Umezz setzt oft Gesichter in der Seitenansicht ein, die den Panels einen zusätzlichen Schockmoment verleihen. Dazu laufen Charaktere gerne mal undynamisch über eine ganze Seite durch eine dunkle Gasse. Was nicht heißt, dass sich damit heute kein beklemmendes Gefühl mehr erzeugen ließe. Nur muss man sich auf so was einlassen. Dieses Werk ist gut gealtert, aber es ist gealtert. Mit dem heutigen Blick wirkt dieser Stil sogar noch befremdlicher, weil es sich so heimelig nostalgisch liest, während Umezz eine morbide Atmosphäre aufbaut.

In den drei Geschichten des ersten Bands schickt der 1936 geborene Mangaka den Jungen Sou durch eine düstere und menschenfeindliche Welt. Ähnlich wie in Stranger Things oder eben diversen US-Horrorromanen aus den 80ern bevölkern die Ränder bösartige Kreaturen. Allerdings nimmt Umezz dies nicht wie die Kollegen im Westen als Grundlage, um am Ende wieder konservative Werte hochzuhalten. Vielmehr misstrauen sich seine Charaktere, durchaus zu Recht, die Familie ist kein Rückzugsort, sondern teilweise der Ursprung des Bösen. Tiefgehende Charakterisierungen sollte allerdings niemand erwarten.

Scheren mit Eigenleben, Schülerinnen, die Todesköpfe erbrechen, Spinnenköniginnen – das ist Umezz' Ensemble in diesem Band. Er nutzt den Ekel als Mittel zum Zweck. Jedoch so übersteigert, dass es sich manchmal an der Grenze zur Satire bewegt. Die spritzenden Blutfontänen tun ihr Übriges. Subtil ist hier nichts.


Wer eine feinere Gangart sucht, sollte eher zu der neuen Ausgabe von The Drifting Classroom greifen, die in englischer Übersetzung vor Kurzem bei VIZ Media erschienen sind. Oder hoffen, dass Egmont Manga damit nachzieht. Denn zumindest bei den Kollegen des großen US-Verlags für Manga scheint ihnen der Stoff mit Junji Itō auszugehen. Und die Lücke füllen offenbar Umezz' Werke.

Das Gute an diesem Band: Wer wissen will, ob ihn Umezz anspricht, der muss nur die ersten 15 Seiten lesen. Klassischer Horror. Dieser Band ist ein wilder Ritt durch eine Geisterbahn, die so kaum noch zu finden ist. Am Tag magst du manche Szene verlachen, in der Nacht lässt du das Licht vorsichtshalber an. Wer weiß, was die Schere im Küchenschrank sonst anstellt.

[Björn Bischoff]

Abbildungen © 2023 Egmont Manga / Kazuo Umezz


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