Frisch Gelesen Folge 118: Batman – Der weiße Ritter

 

»Sorry, alter Freund, aber einer muss dich zur Raison bringen.«


FRISCH GELESEN: Archiv


Batman – Der weiße Ritter

Story: Sean Murphy
Zeichnungen: Sean Murphy

Panini
Softcover | 208 Seiten | Farbe | 22,00 €
ISBN: 978-3-7416-0984-8

Genre: Superhelden

Für alle, die das mögen: dunkle Geschichten, Batman, melancholische Atmosphäre


 

Wer Tim und Struppi, Spirou und Fantasio und Blake und Mortimer auch im Teenager-Alter noch liest, der ist kaum für Superhelden zu begeistern. So war zumindest meine Meinung – bis 1989. Dann flatterte mir Frank Millers Die Rückkehr des Dunklen Ritters um die Ohren, und ich war baff. Wie konnte eine Superhelden-Geschichte – und wir reden hier von Männern in lustigen Kostümen – so dermaßen viel Tiefe und Charakter besitzen? Seit jenen Tagen ist Batman der einzige »Supi« (außer Captain Berlin), den ich auf meinen Nachttisch lasse.

Bei Batman – Der weiße Ritter wusste ich schon beim Betrachten des Covers, dass ich es haben musste. Der Joker kniet in einem Raum voller Batman-Devotionalien: die Maske, Spielpuppen und an den Wänden hängt überall das Emblem des dunklen Ritters. Das ganze Bild in dunklen Farben gehalten weckte meine Neugier. Die ersten Panels der Geschichten in satten, dunklen Farben, dominiert von Karminrot und Schwarz, ließen mich auf eine düstere Geschichte hoffen. Und ich wurde nicht enttäuscht.


Ein Grund zuzugreifen: das ansprechende Cover.

Batman – Der weiße Ritter ist der erste Comic, der in Deutschland unter dem Imprint »DC Black Label« erscheint. Hier sollen traditionelle DC-Charaktere für ein älteres Publikum mit eigenständigen Serien veröffentlicht werden. Die Storys sind herausgelöst aus den regulären Heftserien. Batman – White Knight erschien ursprünglich im Original als achtteilige Heftserie innerhalb der regulären Serie. Erst der Sammelband wurde im Imprint veröffentlicht. Der Plot des Bandes stellt Fragen nach der Schuldfähigkeit Batmans. Was darf er tun, um Gotham City vom Bösen zu befreien? Oder anders gefragt: Was kann Jim Gordon, Captain des Gotham City Police Department, tun, wenn Batman außer Kontrolle gerät?

Atmosphärisch dicht: Die Abgründigkeit springt einen aus jedem Panel an.

Comicautor Sean Murphy, der in Deutschland unter anderem für seine Arbeit an American Vampires und The Wake bekannt ist, entwickelt dazu eine atmosphärisch äußerst komplexe Geschichte, aus der vor allem die tiefen Charaktere herausstechen. So darf sich der Leser über einen Batman freuen, dessen Abgründigkeit einem aus jedem Panel entgegenspringt. Besonders deutlich zu sehen auf dem Titelbild des vierten Heftes der Serie. Batman mit hasserfüllten Augen, die Zähne zusammengebissen; mit blutigem Gesicht und Umhang schwebt sein Porträt über Gotham City. »Das ist meine Stadt«, scheint er uns entgegenzuzischen.

Das will ausgerechnet der Joker verhindern, der sich mittels geschluckter Medikamente zu seinem alten Ego Jack Napier verwandelt. Damit durchlebt der Oberbösewicht aus dem Batman-Universum eine Metamorphose zum Menschen. Ein genialer Schachzug von Murphy, um uns auf der anderen Seite Batman noch unheimlicher erscheinen zu lassen.


Vertauschte Rollen: Batman sitzt ein, der Joker trägt nicht länger sein Clownsgesicht.

Genau darauf ist der Band angelegt, im Spiel mit den bekannten Charakteren zu faszinieren. Gordon, Batgirl, Robin, Harley Quinn: Sie alle durchlaufen durch den Comiczeichner und -autor aus New Hampshire eine spannende Entwicklung. Murphy lässt uns daran teilhaben. So etwa bei Harley Quinn. Jeder Batman-Leser weiß, dass sie ursprünglich eine Psychiaterin war, aber bei Murphy wird sie tatsächlich wieder zu einer, die ihrem Patienten helfen möchte.


Viel Info, ohne dass die Seitenarchitektur leidet.

Für diese Charakterstudien braucht Murphy Text, denn vieles von dem, was er zu berichten hat, lässt sich nicht in Bildern darstellen. Er nimmt sich den Platz, und es hat mich immer wieder überrascht, wie viel Information er auf den einzelnen Seiten unterbringen kann. Dass darunter dennoch nicht die Seitenarchitektur gelitten hat, der Band flüssig zu lesen ist und auch Murphys Zeichenkunst ausreichend gewürdigt werden kann, ist ein großer Verdienst seiner Arbeit. So wechseln sich eher textlastige und actionreiche, reine Bildpanels in gutem Maße ab. Sein Artwork entspricht dem Charakter der Geschichte, düster und resignierend. Ich fühlte mich beim Betrachten der Panels an die Batman-Filmtrilogie von Christopher Nolan erinnert, dessen große Vorbilder in Filmen wie Blade Runner oder Alien zu sehen sind – und das passt.

Batman – Der weiße Ritter ist ein Comic, der mich von der ersten bis zur letzten Seite mitgerissen hat, und ich habe ihn jetzt schon auf meine persönliche Liste der besten Comics 2019 gesetzt – wenn nicht sogar der besten Batman-Geschichten überhaupt.

[Bernd Hinrichs]

 

Abbildungen © 2019 Panini


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