Frisch Gelesen Folge 199: The Beatles

Ein Panel aus dem Comic, illustriert von Vox.

»Schau Paul, die Blonde dort. Nicht schlecht, oder?«
»Die Band ist nicht schlecht!«

(Dialog zwischen Ivan Vaughan und Paul McCartney, als Paul zum ersten Mal auf John Lennons Band The Quarrymen trifft.)


FRISCH GELESEN: Archiv


The Beatles. Das Comic!Das Titelbild des Beatles-Comics.

Story: Gaet's
Texte: Michels Mabel
Zeichnungen: diverse

bahoe books
Hardcover | 244 Seiten | Farbe | 25,00 €
ISBN: 978-3-903290-30-3

Genre: Musik, Biografie

Für alle, die das mögen: Das kleine Beatles-Buch (Carlsen), Baby's in Black (Reprodukt)


Allein die nackten Fakten sprechen Bände. Bis heute hat sich die Musik der Beatles weltweit mehr als 600 Millionen Mal verkauft. (Die Schätzungen liegen übrigens weit höher.) Was John, Paul, George und Ringo zur erfolgreichsten Band der Musikgeschichte macht. Weitaus faszinierender war für mich aber immer schon, dass die vier Jungs aus Liverpool all ihre brillante Musik in nur zehn Jahren geschaffen haben. Wo sich andere Gruppen für die Aufnahme eines einzigen Albums jahrelang im Tonstudio verkriechen, hauten die Fab Four zwischen 1963 und 1970 sage und schreibe 13 Studioalben raus. Und nicht irgendwelche Fließbandware. Viele Bestenliste führen gleich mehrere davon auf, wenn es um die größten Platten aller Zeiten geht. Zu guter Letzt ist da noch das Alter, das beeindruckt. Als sich die einstigen Pilzköpfe 1970 auflösten, waren John Lennon und Ringo Starr gerade einmal 30, Paul McCartney 28 und George Harrison 27 Jahre jung. In einem Lebensabschnitt, in dem andere beruflich gerade erst durchstarten, hatten die vier ihre erste Karriere bereits hinter sich – zumal eine, die nicht mehr zu toppen ist, so bescheiden sie in Hamburger Kellerkneipen auch begonnen hatte:

Anfänge in der Hansestadt: die Beatles im Kaiserkeller. 

Wie kommt man solch einem Phänomen nahe? Wie übersetzt man eine derartige Erfolgsgeschichte in Bilder? Wie bildet man ganz allgemein auditiv wahrgenommene Musik in einem visuellen Medium ab? Diese Fragen stellen sich derzeit nicht nur die Macher dieses Comics. Denn Bildergeschichten über berühmte Musiker boomen. Und beileibe nicht jede davon ist gelungen. Mitunter kann eine Popstarbiografie zum einfallslosen Aneinanderreihen von Fakten verkommen, wie sich hier nachlesen lässt. Der Szenarist Gaëtan Petit alias Gaet's hat sich für einen anderen Weg entschieden und tut gut daran. Bei ihm gibt es eine Mischform aus Text und Bild:

Den episodischen Kurzcomics sind einleitende Texte vorangestellt.

Und noch etwas ist in diesem Band anders. Vier so kreative Köpfe, die sich zudem mehrfach gewandelt, weiterentwickelt und neu erfunden haben, in nur einer künstlerischen Vision zu Papier zu bringen, greift häufig zu kurz. Statt das alles aus einer Hand illustrieren zu lassen, hat Gaet's für sein Szenario einen bunten Strauß an Zeichnerinnen und Zeichnern gebunden, der die Fab Four alle paar Seiten in einem anderen Stil daherkommen lässt. John, Paul, George und Ringo sehen mal so aus:

Die Beatles in der Version von Efix ...

… mal so:

... in der Version von Anthony Audibert ...

… oder mal so:

... und in der Version von Anne-Sophie Servantie.

Insgesamt durften sich 25 Illustratorinnen und Illustratoren austoben. Den jeweiligen Episoden sind einleitende Texte von Michels Mabel samt Fotos und weiteren Zeitdokumenten vorangestellt. Was The Beatles mehr zu einem illustrierten Nachschlagewerk denn zu einem Comic macht. Die Kurzcomics lassen sich aber auch problemlos ohne die Begleittexte und die Begleittexte ohne die Comics lesen. Liest man sie wie vorgesehen am Stück, ist das mitunter arg redundant. Ein Gesamtbild ergibt sich dennoch erst aus beider Kombination. Beatles-Experten mögen dabei müde gähnen. Und auch mir – obwohl weder Fan noch Experte – waren (sehr) viele der Anekdoten und Fakten bereits bekannt. Etwa die, dass die im vergangenen Jahr verstorbene Astrid Kirchherr den Pilzköpfen erst ihre Pilzköpfe verpasst hat:

Auch der 2020 verstorbenen Astrid Kirchherr ist ein Kapitel gewidmet.

Anderes war mir neu, etwa, welche Ausmaße die Beatlemania in den USA en détail angenommen hatte. Diese Mischung aus Altbekanntem und bislang Unbekanntem, aus Sachtexten und Zeichnungen, aus gleichbleibender Erzählstimme und wechselnden Zeichenstilen macht The Beatles zu einem durchwachsenen Leseerlebnis mit Stärken und Schwächen. Im Gegensatz zu vergleichbaren Comics wie beispielsweise Reinhard Kleists Cash – I See a Darkness, der zugunsten einer durchgehenden Handlung einen engen Fokus wählt und nur einen Ausschnitt eines Musikerlebens zeigt, deckt Gaet's Szenario die gesamte Bandgeschichte ab und wirft darüber hinaus einen Blick auf Johns, Pauls, Georges und Ringos Leben und Karriere nach den Beatles. Darunter leidet freilich die Dramaturgie. Nicht jeder einleitende Text bietet neue Einsichten in die Bandgeschichte und nicht jede Illustration überzeugt. Wer auf eine durchgehende Handlung nicht verzichten kann, braucht sich diesen Band nicht ins Regal stellen. Wer hingegen gut mit einer bunten Fakten- und Anekdotensammlung wie Hervé Bourhis' Das kleine Beatles-Buch leben kann, macht auch mit diesem Comic nicht viel falsch.

[Falk Straub]

Neben Comics finden sich in dem Band auch Illustrationen wie diese von Richard Di Martino.

Abbildungen © 2020 bahoe books


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