»Er hat mich von hinten genommen …«
»Mmmh … Geil!«
FRISCH GELESEN: Archiv
Die Minimädchen Gesamtausgabe Band 1
Story: Pierre Seron
Zeichnungen: Pierre Seron
SR Verlag
HC | 156 Seiten | Farbe | 40,00 €
ISBN: 978-3-947800-23-0
Genre: Semi-Funny, Erotik, Humor
Für alle, die das mögen: Nachahmungen von Roger Brunel, Oh la la!, Seron, Minimenschen
Im Bereich der Gesamtausgaben wird die Luft allmählich dünn. Nahezu alles, was irgendwie klassisch, von historischem Interesse oder beliebt ist, wurde in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren als Gesamtausgabe neu aufgelegt. Manche Serie sogar mehr als einmal.
So wird aktuell im September eine neue Gesamtausgabe der Fliegerabenteuer von Tanguy und Laverdure unter dem Label »Collector‘s Edition« bei Egmont anlaufen, bei dem Verlag, der erst von 2009 bis 2012 eine neunteilige Gesamtausgabe mit Bonusmaterial von ebendieser Serie vorgelegt hat. Bei jener hat jedoch, das muss man der Vollständigkeit halber anmerken, ein Album der Originalserie gefehlt, das damals im Lizenzdschungel verschollen war.
Aber nun zu Die Minimädchen von Pierre Seron, den man vor allem von seiner Serie Die Minimenschen kennt, von welcher in der Zeit von 1972 bis 2010 immerhin die stolze Anzahl von 44 Alben in Frankreich erschienen ist.
Auch diese Serie wurde bereits mehrfach auf Deutsch veröffentlicht: Zunächst erschien sie in den 1970er Jahren unter dem Namen Die Minis in Fix und Foxi und dessen Ablegerserien, dann in den 1980er Jahren unter dem Namen Herbie Huppser und die Mikronauten bei Bastei. Später veröffentlichte der Feest Verlag die Serie unter dem heutigen Namen Die Minimenschen neu und übergab das Zepter an Salleck und Ehapa, wo dann zeitweise parallel sowohl Einzelausgaben als auch eine Gesamtausgabe auf den Markt kamen.
Nun hat der SR Verlag von Stefan Riedl eine neue Gesamtausgabe von Die Minimenschen angekündigt, die aktuell im August 2022 starten soll.
Ganz schön doof: Wo keine Männer leben, sind die Frauen naturgeil (und einfältig).
Fast schon heimlich, still und leise hat der SR Verlag darüber hinaus den ersten Band einer Die Minimädchen Gesamtausgabe aufgelegt, die für alle Fans von Pierre Seron von Interesse sein könnte. Sie wurde nirgends angekündigt (auch nicht beim Vertrieb PPM) und da der Verlag auch keine offizielle Homepage hat, ist der Band fast schon eine Art Geheimtipp für diese Art von Comics.
Seron, dessen Zeichenstil von der Brüsseler Schule und besonders sein Frühwerk stark von André Franquin beeinflusst ist, hat von 1999 bis 2009 quasi nebenher sechs Alben einer Serie gezeichnet, die wie Die Minimenschen von kleinen Menschenwesen erzählt. Nur sind diese ausschließlich weiblich. Und sie sind vor allem nymphoman.
Missionarstellung war gestern: Bei Seron gibt's haufenweise spezielle Sexpraktiken.
Im Vorwort des ersten Bandes der Gesamtausgabe, die die ersten drei Originalalben präsentiert, erzählt der namenlose Herausgeber vom »unanständigen Geist von Pierre Seron«. Als er die erotische Variante seiner Erfolgsserie schuf, war Seron schon 56 Jahre alt, als er das letzte Album zeichnete, war er 67.
Die Serie Die Minimädchen ist, anders als ihr älterer Bruder, kein Comic für Kinder, sondern für Erwachsene. Die einzelnen Geschichten sind in sich abgeschlossen und erzählen in der Regel schlüpfrige Eskapaden von Männern, die auf einer unbekannten Insel landen, wo sie auf kleinwüchsige exotische Frauen treffen, die barbusig durch die Gegend laufen und irgendwie immer notgeil sind.
Auf dem Backcover preist der Verlag einen »Cocktail aus Abenteuern, Charme und sexy Humor« an. Das galt vielleicht für damals, als die Geschichten zum ersten Mal veröffentlicht wurden. Heutzutage ist es eher eine Mischung aus Peinlichkeit, Fremdschämen und Pennäler-Witzchen.
Wer sich für erotische Comics interessiert, dem dürften die Abenteuer der Minimädchen zu harmlos sein. Wobei man durchaus nicht nur Frauen nackt sieht, sondern auch Männer und deren erigierte Penisse. Sex ist für die Figuren in dieser Comicserie ein großer Spaß, und besonders die Helden der Geschichte müssen mit gnadenloser Regelmäßigkeit die holde Weiblichkeit besamen, ob sie wollen oder nicht.
Degradiert zur Sexmaschine: Männer müssen immer können.
Die Serie, die damals nahezu zeitgleich zum Original vom BSE Verlag komplett auf Deutsch verlegt wurde, wirkt heutzutage komplett aus der Zeit gefallen. Sie ist so lustig wie Serons Serie Die Müllers, getreu nach dem Motto: Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
Und die Erotik weist eine dralle Naivität auf, die sicherlich ihre Anhänger hat, aber die dürften sich vor allem aus alten, weißen Männern zusammensetzen, die bereits schweißnasse Hände bekommen, wenn sie sich nur vorstellen, sie könnten einem jungen Mädchen unter den Rock schielen.
Mitunter explizit: Neben dicken Titten, prallen Lippen und drallen Ärschen gibt es auch erigierte männliche Glieder zu sehen.
Ich will gar nicht damit anfangen, dass man diese Geschichten anno 2022 gar nicht mehr so schreiben und zeichnen könnte und dürfte. Der Humor ist stellenweise so extrem rassistisch und frauenfeindlich, dass sich die Balken biegen. Das hat fast schon etwas von einem Horrorcomic. Für emanzipierte Frauen dürfte hier jede Menge Stoff zum Nägelkräuseln und Kopfschütteln zu finden sein.
Über die eigentlichen Comics hinaus gibt es noch etwas Zusatzmaterial in Form von kurzen Artikeln, die allerdings etwas lieblos übersetzt wirken und für Kenner der Materie nicht viel Neues bieten.
Fans der Comics von Pierre Seron und von klassischen Semi-Funny-Comics mit einem erotischen Twist dürften trotzdem ihre Freude an diesem ersten Band der Gesamtausgabe haben.
[Matthias Hofmann]
Abbildungen © 2022 SR Verlag / P&T Production / Pierre Seron
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