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Frisch Gelesen Folge 421: Normal und die Zero Heroes

»Man kann keine Volkswirtschaft darauf aufbauen, dass die Ersten die Zweiten vor den Dritten retten. Irgendjemand muss auch die eigentliche Arbeit machen!«


FRISCH GELESEN: Archiv


Normal und die Zero Heroes

Story: Marc-Uwe Kling, Jan Cronauer
Zeichnungen: Florian Biege

Rowohlt
Hardcover | 208 Seiten | Farbe | 25,00 €
ISBN: 978-3-49800-278-7

Genre: Anti-Superheld:innen-Comic, Parodie

Für alle, die das mögen: Superheld:innen-Persiflagen, Gag-Feuerwerke



Superheld:innen sind oft die erste Assoziation, die Menschen haben, wenn sie an Comics denken. Es gibt Zählungen, die von 20.000 bis 50.000 verschiedenen Charakteren sprechen. Alleine das Marvel-Universum zählt über 6000 Figuren. In den Comicläden, bei Streaming-Diensten und im Kino gibt es eine nicht abbrechende Flut an Reihen und Filmen, Sequels, Prequels, Crossovers, Origins, Paralleluniversen, es endet nie. Und bei all den überbordenden Superkräften wünscht man sich vielleicht auch mal wieder einfach ein wenig Normalität!Vielleicht dachte sich genau das auch Marc-Uwe Kling, Autor, Liedermacher, Kleinkünstler und Regisseur. Der breiten Masse wurde er durch seine Känguru-Chroniken und die Kinderbuch-Reihe um das NEINhorn bekannt. Mit seinem neuesten Comic Normal und die Zero Heroes zeigt er erneut, dass er sich keinem Genre fest zuordnen lässt und zu jedem Thema eine gute Geschichte schaffen kann, wenn er daran Spaß hat.

Der Grundgedanke liegt eigentlich auf der Hand – wie wäre eine Welt, in der jeder Mensch eine Superkraft hätte? Wie würden die unterschiedlichen Kräfte genutzt werden? Es gäbe Menschen, die ihre Fähigkeiten für Gutes einsetzen würden und welche, die damit kriminellen Machenschaften nachgehen würden. Aber es gäbe auch viele, die damit ganz alltägliche Dinge verrichten würden wie Pizza ausliefern oder falsch geparkte Autos abschleppen. Und wie ginge es einem Menschen, der in so einer Welt gar keine Superkraft hätte, nicht mal eine ziemlich nutzlose wie immer ein Taschentuch zur Hand haben?


Für jede Superkraft gibt es den passenden Job.


Das bringt uns zu unserem Protagonisten Normal, der in einer veralteten Notrufzentrale für Angriffe durch Superschurken arbeitet. Die Held:innen, die er zur Rettung aussendet, sind eher mit C-Klasse-Kräften ausgestattet. Hier wurde die Digitalisierung verpennt, der Konkurrent, die Backapp, sahnt alle tollen Superheld:innen ab. Bis plötzlich der ultimative Gegner auftaucht – der Normalizer! Er raubt den Menschen die Superkräfte, die dadurch mit der Frage konfrontiert werden, wie sie mit ihrer Normalität umgehen sollen? Und schlägt jetzt endlich die große Stunde von Normal und seinen Freund:innen, den Zero Heroes?



Die Kraft des Unkündbarseins! Damit kennen wir uns in Deutschland gut aus.


Für die Zeichnungen zuständig ist Florian Biege, der bereits die Umschläge der Hardcover-Bände von Walter Moers Die Stadt der träumenden Bücher gestaltet hat. Mit seinem ersten großen Comicwerk hat er die Messlatte direkt deutlich höher gelegt. Biege arbeitet komplett digital, wodurch er einen modernen und dynamischen Look erzeugt. In seinen Zeichnungen ist die Essenz aller gängigen Superheld:innen-Darstellungen zu sehen, gleichzeitig aber irrwitzig auf die Spitze getrieben und streckenweise urkomisch. Und das passt perfekt zum Erzählstil von Marc-Uwe Kling und seinem Co-Autor Jan Cronauer, denn Normal und die Zero Heroes ist vor allem eins: Ein Gag-Feuerwerk, in dem nicht nur so ziemlich jeder Witz gerissen wird, der zu Superkräften passt, alle Charaktere und viele Panels strotzen vor Anspielungen auf popkulturelle Themen. Das geht dann sogar so weit, dass Kling sich grafisch selbst zitiert und ein Neinhorn einbaut.


Stell dir vor, alle sind Held:innen, nur du nicht.


Das passt auch alles ganz wunderbar in den anarchistischen Erzählstil, besonders, da sich Sidegags und Easter Eggs in einem Comic sehr gut verpacken lassen. An einigen Stellen hat die Handlung zwar etwas Länge zugunsten der vielen Witze, die sind aber so gut, dass man das verzeihen kann. Da diese im Übrigen auch für ein erwachsenes Publikum gedacht sind, finde ich es sehr erfreulich, dass der Rowohlt Verlag es gewagt hat, den Band zu publizieren und damit einen Comic ins Programm zu nehmen. Der zweite und abschließende Band, der im November dieses Jahres erscheinen soll, wird uns hoffentlich wieder viele aberwitzige Gestalten und Ideen bescheren. Und wer dann immer noch nicht genug hat, bestellt sich einen der angekündigten Titel aus dem NCU (Normal Comic Universe) der letzten Seite des Buches. Haben denn die Easter Eggs nie ein Ende???

[Mechthild Wiesner]

Abbildungen © 2024 Rowohlt / Marc-Uwe Kling, Jan Cronauer, Florian Biege


Kauft den Comic im gut sortierten Comicfachhandel oder beim Verlag: Rowohlt