Kolumne
House of Heroes: Staro talks about US Comics
Folge 5: Von ComicCon zu MediaCon
→ von Stefan Immel
Einer der größten Kritikpunkte an großen Conventions, wie z.B. denen in San Diego oder New York ist die Tatsache, dass es sich hier heutzutage eher um Medien-Veranstaltungen handelt denn um Treffen von Comic-Fans. Es finden »Panels« zu Kinect und True Blood statt. Es werden Filmtrailer zu Avengers und Spiele wie Star Wars: The Old Republic vorgestellt. Und die längste Schlange in San Diego gab es nicht für eine Comic-Vorstellung sondern für das Panel zum neusten Twilight Film, samt Präsentation eines neuen Trailers. Stimmt es also tatsächlich? Verschwindet der Comic aus den Comic-Conventions? Um diese Frage auch nur ansatzweise zu beantworten, müssen wir die Fakten von zwei Seiten betrachten:
Zum Einen gibt es natürlich auf all diesen Conventions genügend Informationen, Panels und Ankündigungen, die sich nur um Comics drehen. Nicht nur bei den »beiden Großen«, wo sich in diesem Jahr alles um DCs Relaunch oder Marvels Fear Itself und die Auswirkungen gedreht hat, sondern auch solche Veranstaltungen wie die das »Spotlight on Roy Thomas« mit Mark Evanier in San Diego oder »Will Eisner's The Spirit and Bob Kane's The Batman«, die sich nicht nur mit aktuellen Events und dem entsprechenden »Hype« befassen, sondern auch mit den lebenden Legenden und legendären Künstlern der Comic-Geschichte. Das sind beileibe keine Einzelbeispiele, von den großen Panels mit »Superstars« wie Bendis, Romita, Morrison und Lee bis hin zu solchen mit den Schöpfern von Webcomics wie z.B. FoxTrot ist so ziemlich alles vertreten. Man muss nur wissen WAS man sehen will, sich im Vorfeld informieren und einen konkreten Plan haben.
Zum Anderen sollte man nicht vergessen, dass der ganze Rest, all die Filme und Fernsehserien, die Computerspiele und das Spielzeug ohne Comics in der aktuellen Art und Weise nicht möglich wäre. Comics sind in Form und Inhalt so eng mit der amerikanischen (und damit indirekt auch mit unserer) Unterhaltungsindustrie verwoben, dass das eine ohne das andere nicht mehr vorstellbar wäre. Eine der erfolgreichsten Graphic Novels des letzten Jahres war die Adaption von Twilight. Filme wie Thor oder Avengers sind die großen Blockbuster und mit Arkham City hat Batman auch wieder einen festen Platz auf den Spielkonsolen.
Vor einigen Jahren wäre ein solcher starker Einfluss noch undenkbar gewesen. Damals konzentrierten sich die Conventions mehr auf das Medium Comic, aber sie waren auch wesentlich kleiner. Mark Evanier hat in San Diego recht gut geschildert, dass der Visionär Jack Kirby bereits vor 30 Jahren den starken Einfluss, den Comics auf die Kultur haben werden, vorausgesehen. Bereits damals sah er keine bunten Bildergeschichten für Kinder, sondern Filmskripte und Konzepte für ganze Filmserien. Damals mag man Kirby für solche Aussagen belächelt haben, besonders in Anbetracht von Pop Art Camp-Comedy Fernsehserien wie Batman mit Adam West. Heute ist es fast selbstverständlich, dass The Walking Dead erfolgreich wird oder dass Brian Michael Bendis seine Serie Powers für das Fernsehen adaptiert.
Das wohl extremste Beispiel für diese Verquickung von Film und Comic ist die Entstehungsgeschichte von Cowboys & Aliens. Ursprünglich hatte ein amerikanischer Verleger namens Scott Rosenberg die Idee, aus den Rechten an einem italienischen Western-Comic einen Film zu machen. Da eine gute Westerngeschichte aber kein Grund darstellte, die Rechte an einem Comic zu nutzen, wurde ein neuer Titel gesucht und mit Cowboys & Aliens gefunden, ohne zu diesem Zeitpunkt mehr als nur die Idee zu haben. Man versuchte dann das Ganze als Comic-Verfilmung zu verkaufen, obwohl es zu diesem Zeitpunkt noch keinen Comic gab. Das ließ sich schließlich sogar verkaufen, dummerweise wurde aber nicht wirklich mit einer Produktion gestartet, was an diversen internen Streitigkeiten lag.
Um die Sache wieder in Schwung zu bringen, brauchte Rosenberg eine Graphic Novel, die zu den Bestsellern gehörte. Mit einigen Tricks (unter anderem einen fast schon lächerlich niedrigen Preis und dazu noch Kostenerstattung für Comic-Shops, wenn sie fünfstellige Zahlen bestellten) wurde dann Cowboys & Aliens auf den ersten Platz der Verkaufslisten geführt.
Letztlich flog das alles auf. Aber es reichte, um die Filmproduktion endlich zu starten und so kam dieses Jahr dann auch der Film mit Daniel Craig, Harrison Ford und Olivia Wilde ins Kino und die Graphic Novel, die zum Teil verschenkt oder weg geworfen wurde, geht nun für 30 $ - 40 $ über den Ladentisch. Mehr dazu hier.
Wundert es aufgrund solcher Machenschaften tatsächlich noch, dass die enge Verknüpfung zwischen den Medien sich auch auf den Messen und Conventions widerspiegelt? Auf der SPIEL in Essen, die sich eigentlich nur um Brett, Karten und Kinderspiele dreht, gab es einen Kinect Stand, auf der Buchmesse in Frankfurt einen von Lego. Die Vermischung zwischen Medien, Kunst und Unterhaltung wird immer stärker und das meistens zum Vorteil von allen. Der stark angegriffene amerikanische Comicmarkt kann sich gerade durch das große Interesse von Hollywood noch behaupten und von daher sollte jeder Fan dankbar sein für die Twilight Fans oder Figurensammler und dafür, dass bei den großen Conventions das Hobby Comic immer stärker für die Allgemeinheit aufbereitet wird und somit aus seiner versteckten Ecke heraus kommt.
Wer die versteckten Ecken aber dennoch mag und sich gerne an die »guten, alten Zeiten« erinnert, dem seien die aufkommenden Alternativveranstaltungen wie z.B. das von Mike Mignola (Hellboy) mitorganisierte Tr!ckster ans Herz gelegt. Diese fand in diesem Jahr parallel zur San Diego Comic Con statt und konnte neben Mignola mit Industriegrößen wie u.a. Fabio Moon (Casanova), Mike Allred (Madman) oder Matt Wagner (Grendel) aufwarten.
Man sieht also, dass es sicher nicht »schlechter« geworden ist. Im Gegenteil, die »kleinen« Conventions gibt es wieder, auf den »großen« kann man sehr wohl gezielt nur Comic-Programmpunkte besuchen. Und bei all dem wird das gesamte Thema ein wenig aus der Schmuddelecke der ungewaschenen, übergewichtigen Nerds geholt, in der es gemäß vieler Vorurteile so lange steckte.
Abbildungen © Platinum Studios
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Über den Autor
Stefan »Starocotes« Immel, geboren 1968, liest seit über 20 Jahren US-Superhelden-Comics der großen Verlage und beschäftigt sich mit den Autoren und Künstlern, Redakteuren und Verlegern. Seit vier Jahren betreibt er ein Blog, das sich primär um Comics dreht.
Glücklicherweise wird von seiner Frau dieses Hobby nicht nur geduldet, sondern auch unterstützt und seine beiden Kinder kennen ebenfalls schon mehr Superhelden als der durchschnittliche Deutsche.