House of Heroes: Folge 6 - Digitale Comics Update

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Staro is back! Nach einer längeren kreativen Auszeit geht es mit einem Update zum Thema »Digitale Comics« mit Stefan Immels Kolumne weiter. In den USA ist die Branche stark in Bewegung. Staro fasst die wichtigsten Entwicklungen zusammen.

House of Heroes: Staro talks about US Comicsusa48
Folge 6: Der Comic wird digitaler - Ein Update

→ von Stefan Immel

Das Jahr 2011 stand bei den großen amerikanischen Comicverlagen unter dem Motto der digitalen Revolution. In meiner Kolumne anlässlich des DC-Relaunches hatte ich bereits über die unterschiedlichen Möglichkeiten berichtet. Die zweite Jahreshälfte 2011 und auch dieses Jahr haben in diesem Bereich aber noch einige Neuerungen gebracht, die es wert sind näher zu beleuchtet zu werden.

Amazon / Kindle Fire

Amazon Kindle FireAuch Amazon hat erkannt, dass Comics (oder sollte ich sagen Graphic Novels?) auf dem Vormarsch sind. Mit der Einführung des Kindle Fire, einem iPad ähnlichen Tablett, das aber eng an die Amazon-Infrastruktur angebunden ist, hat man hier einen exklusiven Vertrag mit DC Comics geschlossen, der es Amazon ermöglicht, eine ganze Anzahl an Graphic Novels mittels einer eigenen App zur Verfügung zu stellen. Darunter sind nicht nur solche Serien wie All Star Superman oder Batman and Robin, die es bereits über die App von Comixology gab, sondern auch exklusive Titel, wie z.B. Alan Moores Watchmen, das bis heute auf keinem anderen (legalen) Weg digital zu bekommen ist. 

Da der Kindle Fire auf einer Android Version basiert, kann man damit auch die Comixology App nutzen, was die Auswahl ungemein vergrößert. Einziger Wermutstropfen ist das verhältnismäßig kleine Display. Ich vermute, dass ein Nutzer eines iPads hier Probleme bekommen wird, kann das aber selbst nicht verifizieren, da der Kindle Fire in Deutschland noch nicht erhältlich ist.

Apple / iBooks

iBooks LogoAuch Apple hat seine iBooks App angepasst, um Graphiken besser darstellen zu können. Das soll zum Einen Lehr- und Wissenschaftsbücher unterstützen, zum Anderen auch Comics einfacher möglich machen. Hier hat insbesondere Marvel eine Auswahl an Sammelbänden platziert, was wohl an der Verbindung Marvel - Disney - Steve Jobs liegen dürfte. Hier ist vor allem der Preis interessant, da z.B. ein Sammelband wie der Avengers Kree-Skrull Krieg mit angegebenen 120 Seiten für 4,99 Euro nahezu unschlagbar ist. Zum Vergleich: Bei Comixology bezahlt man für denselben Inhalt zurzeit ca. 12,90 Euro.

Allerdings muss man zum Teil erhebliche Abstriche bei der Lesbarkeit machen, hier fehlt eindeutig die spezielle Erfahrung, die Comixology hat.

Graphic.lyGraphic.ly Logo

Vollkommen überraschend für mich kam die komplette Umstellung der Ausrichtung von Graphic.ly. Einer der Pioniere der digitalen Comics mit einer App für iOS und vor allem auch Anbieter von deutschen Comics, hat sich aus dem App Geschäft zurück gezogen. Man will sich mehr auf Soziale Medien konzentrieren (die Facebook Integration von Graphic.ly ist wirklich gut) und vor allem kleinere Verlage dabei unterstützen, ihre Werke in die angestammten digitalen Buchläden zu bekommen. 

Dark HorseDark Horse Comics Logo

Der Verlag, der mit vielen Film- und TV-Lizenzen aufwartet (z.B. Star Wars, Buffy, Terminator) hat Ende des letzten Jahres für Furore gesorgt, als man ankündigte, dass man ebenfalls sein komplettes Programm am selben Tag sowohl digital als auch gedruckt erscheinen lassen will. Dummerweise gab es entweder einen kleinen Kommunikationspatzer oder aber Dark Horse hat sich verkalkuliert. Jedenfalls wurde zunächst der Anschein erweckt, dass die Hefte digital 1 - 1,50 Dollar günstiger erscheinen sollten. Daraufhin ging ein Aufschrei durch die Gemeinde, insbesondere bei den Comichändlern und es war sogar von Boykott die Rede. Daraufhin beeilte sich Dark Horse zu versichern, dass dies alles ein Missverständnis sei und die Hefte zum selben Preis angeboten würden. Ein bitterer Nachgeschmack blieb aber trotzdem. War das wirklich ein Missverständnis oder der Versuch von Dark Horse zu testen was durchsetzbar ist? Man darf nicht vergessen, dass Dark Horse einer der wenigen Verlage ist, dessen Hefte nicht über Comixology angeboten werden und so hat man vielleicht versucht, etwas an Marktanteilen zu gewinnen.

DC ComicsDC Comics Logo

DC hat nun auch eine eigene »All Ages« App im Angebot, die sich an jüngere Leser richtet. Man will vermeiden, dass Kinder eine App benutzen (müssen?), in der auch Comics verfügbar sind, die sich eindeutig an Erwachsene richten. Daneben gibt es von DC jetzt immer mehr exklusive digitale Titel wie z.B. Batman Arkham Unhinged, das auf der Story des Computerspiels Arkham City beruht, oder die Fortsetzung der »Beyond«-Reihe. 

Interessant für Fans der TV-Serie Smallville dürfte sein, dass diese, nach der Einstellung im Fernsehen, jetzt als wöchentlicher digitaler Comic fortgesetzt wird. 

Ansonsten werden nicht nur alle neuen Serien sofort digital veröffentlicht, sondern auch die Lücken der alten Serien nach und nach gefüllt. Dies ist sowohl bei den »normalen« DC-Serien der Fall, als auch bei Vertigo. Letzteres hat mittlerweile ebenfalls eine eigene App erhalten.

Interessant ist außerdem, dass nach acht Ausgaben der »New 52« nun die #1 für 99 Cent zu haben sind, was den Einstieg erleichtern dürfte.

Marvel Comics

Auch Marvel ist mittlerweile dazu übergegangen, fast das komplette Programm am selben Tag digital anzubieten, wie die Hefte, die auch gedruckt beim Händler liegen. Ausnahmen sind hier einige MAX Titel, sowie die »All-Ages«-Titel, wobei auch hier eine zweite App in der Entwicklung ist, mit der diese Titel präsentiert werden. Im Unterschied zu DC erscheinen die Hefte aber bereits morgens, also zu der Zeit, in der die Comicshops in den USA öffnen und nicht um die Mittagszeit wie bei DC. 

Marvel LogoBei einigen Neuerscheinungen hat man begonnen, die Printausgabe mit einem Code auszuliefern, so dass der Käufer kostenfrei das digitale »Heft« als Dreingabe bekommt. Auch Marvel füllt so nach und nach die Lücken, gerade bei den gut laufenden Serien, und bietet mittlerweile eine große Zahl an Sammelbänden zu vergünstigen Konditionen an. 

Dazu gibt es zwei weitere Anstrengungen von Marvel, DCs Vorsprung auf dem digitalen Comicmarkt zu reduzieren. Zum Einen mit der neuen AR App die bei den Avengers vs. X-Men Titeln zum Einsatz kommt. Hier wird mit dem iPhone / iPod / iPad eine Seite aus einem Comic mit dem AR-Symbol gescannt und man bekommt ein »Goodie«. Diese Zugaben reichen von einem Intro-Video, über kurze Statements der Autoren oder Zeichner bis hin zu der Entwicklung einer Zeichnung vom Bleistiftstrich über die Tusche bis zur fertigen Seite. Das Ganze ist eine nette Idee, aber ob sich sowas wirklich etablieren kann bleibt fraglich. All die Infos kann man auf dem Display eines Smartphones nur schlecht erkennen und gerade Statements der Autoren und Zeichner sind im Internet besser aufgehoben.

Die andere Neuerung ist dagegen subtiler, dafür in meinen Augen aber gleichzeitig bahnbrechender. »Infinite Comics« nennt sich das Ganze und nutzt die etablierte Guided View Technologie von Comixology, um Effekte zu erzielen, die das Comiclesen zu einem neuen Erlebnis werden lassen. Es wird mit Um- und Überblendungen gearbeitet, Sprechblasen und Untertitel dynamisch ein- bzw. ausgeblendet und unterschiedlicher Bildfokus genutzt. Ohne Guided View oder gar in gedruckter Form würde ein solcher Comic keinen Sinn ergeben. So aber entsteht fast ein neues Medium, das halb Comic, halb Film und gleichzeitig etwas Neues ist. 

Bisher ist nur ein Comic dieser Art erschienen: Avengers vs. X-Men #1: Infinite. Aber ich gehe stark davon aus, dass noch weitere folgen werden.

ComixologyComiXology

Der Marktführer konnte sich mit IDW und jetzt auch Valiant zwei weitere Verlage sichern, die ihr komplettes monatliches Programm zeitgleich als digitale Ausgabe veröffentlichen und so seinen Vorsprung weiter ausbauen. Ansonsten geht man eher konservativ vor. Die Geschenkfunktion wurde ein wenig verbessert und man kann jetzt aus der App heraus seine Leseerfahrung auf Facebook oder Twitter teilen.

Die größte Veränderung hat der Webshop selbst durchgemacht. Hier hat man alles bis auf den eigentlichen Comicreader auf HTML 5 umgestellt, so dass die Notwendigkeit eines Flash-Plugins zum Browsen und Einkaufen entfällt. Dies ist sicher primär der Politik von Apple geschuldet, von allen Verkäufen, die über die Apps laufen, 30 % einzubehalten. Nun kann man über Comixology seine Comics über Safari auf dem iPad kaufen, zum Teil den günstigeren Umrechnungskurs nutzen und muss nichts an Apple zahlen. Zudem dürfte das auch den Händlern entgegen kommen, die eine eigene Version des Comixology-Webshops betreiben.

Panini Digits

Nun endlich springt auch Panini auf den eComic Zug so richtig auf. Unter dem Namen Panini Digits wird zurzeit nur eine kleine Auswahl an Comics angeboten (aktuell 20 Titel), aber es sind bereits weitere Serien in Planung. Hervorzuheben ist eindeutig der Preis. So kostet z.B. die Nummer 1 der deutschen Conan Ausgabe als Heft (22 Seiten) 79 Cent, was für viele Leute den Einstig erleichtern dürfte.

Panini DigitsHinzu kommt die Tatsache, dass die Comics in verschiedenen Sprachen verfügbar sind, ein Umschalten der Sprache bei einem Comic ist allerdings nicht möglich, man muss die Versionen getrennt erwerben und dafür auch separat bezahlen.

Der Webshop ist einfach und übersichtlich gehalten, zeigt aber noch einige Mängel in der Registrierung, die man unter Kinderkrankheiten verbuchen sollte. Das Webinterface zum Lesen der erworbenen Hefte basiert, wie bei der Konkurrenz auch, auf Flash, hat einiges an Anpassungsmöglichkeiten und einen durchdachten Panel für Panel Modus.

Zudem gibt es noch eine App für iOS Geräte (eine App für Android Geräte ist laut Panini in Arbeit), deren Lesefunktion ebenfalls einen hervorragenden Panel für Panel Modus aufweist. Was hier stört, ist das Design des Shops, das durch seine gestalterischen Elemente (Regale mit Brettern und Halterungen) viel Platz verschenkt und etwas unübersichtlich wirkt. Bei der geringen Auswahl an Titeln ist das aktuell noch nicht so wichtig, aber hier sehe ich großen Verbesserungsbedarf.

Es bleibt abzuwarten, ob Panini auch die digitalen Rechte für deutsche Marvel und DC Hefte bekommt, dann könnte diese App sehr schnell ihren Weg auf viele Tablets finden.

Fazit

Ich merke wie meine Einstellung zu digitalen Comics sich immer mehr gewandelt hat. Ich war bekanntlich nie ein wirklicher Feind der neuen Technologie, aber bisher hat mich das Gefühl, ein Heft in der Hand zu halten, darin zu blättern, das Sammeln und das Wissen, dass es sich um mein Eigentum handelt, davon abgehalten mehr digitale Hefte zu kaufen.

Diese Bedenken sind nach und nach verschwunden und in den letzen Wochen ist nur noch die Loyalität, die ich gegenüber meinem Comicshop empfinde geblieben. Sie hat mich davon abgehalten, komplett auf digital umzustellen. Doch nach der letzten Aufräumaktion wurde mir bewusst, dass ich sehr viel Platz für Hefte verschwende, die ich primär nur lesen, aber nicht besitzen möchte. Und so habe ich mich schweren Herzens dafür entschieden, meine Abos der gedruckten Hefte zu kündigen.

Abbildungen © Logos bei den jeweiligen Verlagen


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Über den Autor

Stefan »Starocotes« Immel, geboren 1968, liest seit über 20 Jahren US-Superhelden-Comics der großen Verlage und beschäftigt sich mit den Autoren und Künstlern, Redakteuren und Verlegern. Seit vier Jahren betreibt er ein Blog, das sich primär um Comics dreht.

Glücklicherweise wird von seiner Frau dieses Hobby nicht nur geduldet, sondern auch unterstützt und seine beiden Kinder kennen ebenfalls schon mehr Superhelden als der durchschnittliche Deutsche.