Soundtrack zu den Blauen Boys

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Wie kommt ein Liedermacher aus Deutschland dazu, ein Lied über eine belgische Comicserie zu komponieren? Und was sagen die Autoren dazu? CRON sprach mit Michael Gemkow aus Celle.

Respektvolle Vertonung eines belgischen Klassikers

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Der aus Erlangen gebürtige Liedermacher Michael Gemkow ist schon seit vielen Jahren ein Fan frankobelgischer Comics und Leser einer der Erfolgsserien des Dupuis-Verlages: Les Tuniques Bleues, die in deutscher blauen boys_gesamt_1Übersetzung als Die Blauen Boys bei Salleck Publications erscheinen und von denen in Kürze der erste Band einer Gesamtausgabe erscheint. Nachdem in der neuen Ausgabe vom COMIC REPORT ein ausführliches Porträt der Serie erschienen war, erreichte uns die Nachricht von dem Musikstück mit dem Titel »On est tous des Tuniques Bleues«, das Michael Gemkow schrieb und vertonte.

Wie kommt ein deutscher Comic-Leser und -Fan auf die Idee, eine belgische Western-Serie zu »vertonen«?

Seit meinem ersten Fix und Foxi mit einigen wenigen Seiten von »Spirou und Fantasio« von André Franquin war ich belgisch-französischer Comics-Fan - allerdings, ohne es zu wissen. Erst viel später mit dem Zack-Magazin und den darin veröffentlichten Informationen über die Comics-Autoren wurde mir klar, woher die »guten« Comics kamen. Zu dem Zeitpunkt fing' ich gerade mit Französisch an und habe die Verlage Dupuis (Spirou) und Lombard (Tintin) in Belgien sowie Dargaud (Pilote) mit recht holprigen Sätzen angeschrieben, und sie waren so freundlich, mir armem Schüler zahlreiche französische Comics zu schicken. Das hat mir mit meinem Französisch-Verständnis enorm geholfen. Mein anderes Interesse an Französisch war seit »Les Champs-Élysées« und »Kilimandjaro«, daß ich auf Französisch singen wollte, was ich nun auch seit vielen Jahren mit Erwachsenen und Kindern tue. Na, und irgendwann haben sich die beiden Interessen für französischsprachige Comics und Lieder zu dem Lied »On est tous des Tuniques Bleues« verdichtet.

Warum gerade Les Tuniques Bleues?

Im ersten französischen Spirou-Magazin, das ich besaß, waren auch 2 Seiten der Geschichte »La prison de Robertsonville« von Raoul Cauvin und Willy Lambil. Leider hatte ich weder Vorgeschichte noch Folgeseiten; so habe ich mir intensiv vorgestellt, wie es wohl weitergeht. Im Nachhinein wurde mir klar, daß zu diesem Zeitpunkt die Serie von harmlosen Gags zu einer Satire auf die Absurdität des Militärs  umgestaltet wurde und sehr an dramatischer und emotionaler Intensität (und schwarzem Humor) gewann. Ich bin immer noch ein Fan der Serie, vor allem auch der Zeichenkunst von Willy Lambil. Seine Bilder sind sehr klar und verständlich. Er ist vor allem ein Meister der 3(-oder mehr)-Bilder-Sequenzen, bei der eine Person aus derselben Perspektive gezeigt wird, und die Veränderungen ausschließlich in Mimik und Gesten dargestellt werden. Im Lauf der Jahre sind die Figuren der Serie repräsentativ dafür geworden, auf welch verschiedene Weise man mit der Absurdität des Lebens umgehen kann - das wurde dann das Thema meines Liedes.

Wann haben Sie zum ersten Mal Les Tuniques Bleues gelesen?

Zum ersten Mal sind mir die »Blauen Boys« in den Kauka-Comic-Taschenbüchern begegnet. Diese ersten Gags der Serie wurden damals noch von Louis Salvérius gezeichnet und, wie damals üblich, vom Kauka-Verlag eher neu betextet als ordentlich übersetzt. Bis zu »Das Gefängnis von Robertsonville« hatte sich die Serie deutlich verändert.

Ich habe gehört, Sie sind sogar schon mal im belgischen Spirou-Magazin veröffentlicht worden. Wie kam es dazu?

Mitte der 70er Jahre lief bei Spirou der Wettbewerb »Blabladoigt«, bei dem die Leser Cartoons mit sprechenden Fingern einsenden konnten, die dann von Roba und später von Carlos Roque neu gezeichnet in Spirou erschienen. Ich war enorm stolz, als meine Einsendung veröffentlicht wurde. So bin ich wenigstens mit einem Bild auch Spirou-Autor!

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Haben Sie eigentlich die beiden Autoren, Willy Lambil und Raoul Cauvin, um Erlaubnis gefragt?

Mein fertiges Lied habe ich an die beiden geschickt und um Erlaubnis gebeten, das Lied bei meinen Konzerten zu singen und auf meiner Website zu veröffentlichen. Beide haben mir sehr freundlich zurückgeschrieben und waren einverstanden.

Und der Dupuis Verlag?

Einige Tage später erhielt ich eine Mail des Verlags Dupuis. Man war auch dort von meinem Lied sehr angetan und hat mich um Erlaubnis gebeten, es auf der offiziellen Website www.lestuniquesbleues.com zu veröffentlichen und in Facebook daraufhinzuweisen, was dann auch passiert ist.

Gab es schon Reaktionen von Lesern bzw. Hörern aus Frankreich und Belgien?

Ich habe schon etliche Mails aus Belgien und Frankreich bekommen, die durchwegs sehr positiv waren.

cron spirou_bandes_originalKennen Sie die Platte mit den Liedern zum Spirou-Magazin Bandes originales du Journal de Spirou aus den 1990ern? Damals gab es seltsamerweise kein Lied zu einem Les Tuniques Bleues-Album, obwohl die Serie zu den populärsten des Magazins gehört.

Die Platte kenne ich leider nicht, aber ich werde mich gleich auf die Suche machen. Über eine andere Kreation von Cauvin und Lambil, die Selbst-Satire Pauvre Lampil wurde im Spirou-Heft 2091 ein Lied abgedruckt.

Haben Sie weitere Pläne und Ambitionen, einen Soundtrack für Comics zu schreiben?

Ursprünglich nicht, aber nach der sehr positiven Reaktion auf mein Les Tuniques Bleues-Lied arbeitet mein Unterbewußtsein wahrscheinlich schon in diese Richtung. Papyrus und Yoko Tsuno haben ja wohl noch kein Lied, Chevalier Ardent (Ritter Roland) und L'épervier (Der Schrei des Falken) auch nicht, und was ist mit Jean Valhardi, Luc Orient und Câline et Calebasse (Kaline und Kalebasse)? Und Foufi und Johan et Pirlouit (Johann und Pfiffikus)...? Entschuldigen Sie mich bitte, ich bin beschäftigt...

Das Interview führte Volker Hamann


Weiterführende Links:

Weitere Informationen zu Michel Gemkow: Singen mit Michael

Die Blauen Boys bei Salleck: Die Blauen Boys Gesamtausgabe

Abbildungen © Dupuis 2012