Comicfachtage in Düsseldorf: Graphisches Erzählen - Interview mit den Organisatoren

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Unter dem Titel »Graphisches Erzählen – Neue Perspektiven auf Literaturcomics« findet vom 5. bis zum 7. März 2014 eine internationale Tagung im Haus der Universität Düsseldorf statt. CRON sprach mit den Organisatoren.

Neunte Kunst an der Unigermany48
Engagierte Akademiker organisieren Comicfachtage in Düsseldorf

Literaturcomics sind seit einiger Zeit im Kommen. In der Adaption eines Werks der Weltliteratur oder eines »guten Stücks« Belletristik steckt ein besonderer Reiz. Ziel der mehrtägigen Veranstaltung in Düsseldorf ist es, »die medialen Transformationsprozesse zu analysieren, die für Comicadaptionen literarischer Texte charakteristisch sind«.

Auch an den Unis Deutschlands hat man bemerkt, dass in den letzten Jahren viele Umsetzungen von »kanonisierten Texten der deutschsprachigen Literatur« erschienen sind. Deshalb hat man für die Veranstaltung in Düsseldorf auch zwei hochkarätige und interessante Comicautoren eingeladen: Flix und Olivia Vieweg.

Organisiert wird die Veranstaltung von Mara Stuhlfauth (MS) , Dr. Florian Trabert (FT) und Johannes Waßmer (JW). Die Tagung ist öffentlich und der Besuch kostenfrei. CRON sprach mit den Verantwortlichen über die Idee zum Event und natürlich Comics und Graphic Novels …


Interview mit den Organisatorencr ICON-Fragen

Comics an der Uni, eine Vorstellung, die vor Jahrzehnten völlig undenkbar war. Ihr seid Germanisten, die sich von Haus aus mit der Interpretation von Texten jeglicher Art beschäftigen dürften. Wie seid Ihr zu den Comics gekommen?

MS: Mein erster Comic war Manfred Schmidts Nick Knatterton, den ich mit ca. neun Jahren zwar begeistert gelesen habe, der mich aber nicht zur Comicleserin gemacht hat. Es folgten Jahre eines comiclosen Lebens. Erst innerhalb der letzten zwei Jahre bin ich zu einer begeisterten Comicleserin geworden und entdecke eine neue Welt.

Der allererste Anstoß sich jetzt wieder mit Comics zu beschäftigen war ein Geburtstagsgeschenk: Flixʼ Faust. Nachdem ich bei der Lektüre Tränen gelacht hatte, war sofort der Gedanke da, dass man über diesen Comic die Germanistikstudierenden noch mal auf einem ganz neuen Weg für Goethes Faust begeistern könnte. Dann begann die Suche nach einer deutschen Comicforschung, der Austausch mit Kollegen und das entschlossene: »Dazu machen wir was!«

Dr. Florian Trabert, Johannes Waßmer, Mara Stuhlfauth

Bringen Comics an die Uni:
Dr. Florian Trabert, Johannes Waßmer, Mara Stuhlfauth, Foto © Privat

Wie entstand die Idee zu Eurer Fachtagung, die an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf stattfinden wird?

JW: Wir wollten einerseits zur Wahrnehmung von Comics an der Universität beitragen. Andererseits wollten wir Studierenden sowohl die Relevanz literaturwissenschaftlicher Perspektiven auch für vergleichsweise moderne und in der Wissenschaft wenig beachteten Medien wie Comics näherbringen als auch den Studierenden Einblicke in den Wissenschaftsbetrieb gewähren. Dabei war es von Anfang unsere Idee, Studierenden, Comicforschern und Comiczeichnern – in unserem Fall Olivia Vieweg und Flix – auf der Tagung ein Forum für den gemeinsamen Austausch über Comics von verschiedenen Seiten anzubieten.

Wie schwierig war es, Fördergelder von der Uni zu bekommen?

FT: Wir haben die Gelder zur Finanzierung des Projekts beim sogenannten Lehrförderungsfonds der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf eingeworben, mit dem innovative Lehrprojekte gefördert werden. Ich hatte nicht den Eindruck, dass es von Seiten der Universität Vorbehalte gegen das Projekt gab, weil es sich »nur« um Comics handelt. Im Gegenteil ist hier in den letzten Jahren ein langsames Umdenken zu beobachten: So wird z.B. bei Ausschreibungen zu Tagungen immer häufiger darauf hingewiesen, dass auch Beiträge zu Comics erwünscht sind. Und mit unserem Projekt wollen wir natürlich dazu beitragen, dass sich diese Öffnung der geisteswissenschaftlichen Fächer gegenüber dem Medium Comic weiter fortsetzt.

Was ist für Euch der Unterschied zwischen einer Graphic Novel und einem Comic? Oder gibt es gar keinen … ?

FT: Während der ersten Planungsphase des Projekts hatten wir tatsächlich überlegt, den Begriff »Comic« zugunsten von »Graphic Novel« zu vermeiden, um nicht mit möglichen Vorbehalten gegen Comics im akademischen Bereich konfrontiert zu werden. Mittlerweile bin ich sehr froh, dass wir uns dagegen entschieden haben. Denn es ist tatsächlich schwierig, einen genauen Unterschied zwischen »Comics« und »Graphic Novels« zu benennen. Mir erscheint es eher sinnvoll, den Begriff »Comic« aufzuwerten, als diesen durch die Verwendung eines Konkurrenzbegriffs abzuwerten.

MS: Seit mir – auch dank unserer Gastreferentinnen im Seminar Ines Korth und Sarah Burrini – klar geworden ist, dass es sich bei dem Begriff »Graphic Novel« eher um ein marketingstrategisches Label handelt, verwende ich auch lieber das Wort »Comic«.

Welche Comics gefallen Euch persönlich besonders gut?

FT: Aus meiner Kindheit habe ich eine große Vorliebe für die Donald Duck-Comics von Carl Barks behalten: die Enten, die in einem für sie viel zu großen Mobiliar wohnen, der cholerische Charakter von Donald, die wirklich gut geschriebenen Abenteuergeschichten, der Sprachwitz der Übersetzung von Erika Fuchs – dafür kann ich mich immer noch begeistern.

Was die Comics betrifft, die sich eher an ein erwachsenes Publikum richten, gefallen mir besonders solche, die innovative Panel-Strukturen und ein komplexes Verhältnis zwischen Bild und Text aufweisen. Habibi von Craig Thompson würde ich als Beispiel für einen sehr epischen Comic nennen, der diese beiden Merkmale aufweist. Es ist schon toll zu sehen, was für ungewöhnliche Panel-Strukturen sich in diesem Comic finden und wie Sprache manchmal zu einem Bild wird, und die Bilder umgekehrt zu Sprache.

Und als Literaturwissenschaftler interessieren mich natürlich insbesondere die Comics, die literarische Texte neu inszenieren. Mit diesen haben wir uns ja auch in dem Projekt sehr intensiv beschäftigt. Es gibt da eine große Reichweite von Comics, die der literarischen Vorlage sehr eng folgen, bis hin zu Comics, die nur das Grundgerüst der Vorlage beibehalten, indem sie diese etwa in die Gegenwart übertragen, wie z.B. die sehr unterschiedlich ausgerichteten Comics von Flix und Posy Simmonds.

MS: Im Augenblick bin ich vollkommen hingerissen von der Serie The Unwritten von Mike Carey und Peter Gross, weil die Originalität der Geschichte einen Sog auf mich ausübt und mich die mediale Vielseitigkeit der bildkünstlerischen Ebene begeistert. Außerdem bin ich großer Fan von Canales und Guarnidos Privatdetektiv aus der nach ihm benannten Reihe Blacksad. Im Hinblick auf Comics, die bei unserem Projekt im Focus stehen, finde ich auch Posy Simmondsʼ Gemma Bovery eine der interessanten Neuinszenierungen eines literarischen Klassikers.

JW: Alles begann ganz ‚klassisch‘ mit den Lustigen Taschenbüchern, bevor in den weiteren Kinderjahren Asterix und vor allem Tim und Struppi dazu kamen. Derzeit blättere ich immer wieder in Nicolas Mahlers Alte Meister.

Abschließend noch eine philosophisch angehauchte Frage: »Ein guter Comic steht und fällt mit seiner Geschichte.« Stimmen die Germanisten diesem Spruch zu?

FT: Auf jeden Fall! Wobei sich natürlich die Frage stellt, ob die Geschichte über die Bilder, über den Text oder über beides transportiert wird. Da gibt es viele Möglichkeiten: Besonders faszinierend finde ich z.B. den Comic The Arrival von Shaun Tan, der als ein »Comic ohne Worte« ganz ohne Text auskommt. Aber obwohl Shaun Tan vollkommen auf Text verzichtet, ist die erzählte Geschichte von einem Einwanderer, der sich in einem fremden Land zurecht finden muss, nicht nur sehr spannend erzählt, sondern auch sehr komplex, da sich verschiedene Erzählebenen finden. Auch Ikarus von Manuele Fior ist ein sehr interessanter Comic, der mit nur sehr wenig Worten auskommt. Bei solchen Werken hat man das Gefühl, dass die Geschichte nur auf diese Weise erzählt werden kann, eben in dem Medium Comic, und als Roman oder Film gar nicht so mitreißend wäre.

MS: Ich würde diesem Spruch nicht so bedingungslos zustimmen wollen, da es durchaus auch gelungene Comics gibt, die mich v.a. durch die bildkünstlerische Atmosphäre ansprechen, so dass die erzählte Geschichte sekundär wird, wie z.B. bei Luke Pearsons Hilda und der Troll. Meiner Meinung nach ist die Geschichte ‚nett‘, aber es sind die einzelnen Bilder, die mich den Comic immer wieder zur Hand nehmen lassen. Der Umkehrung dieses Spruches »Ein guter Comic steht und fällt mit seinen Bildern«, würde ich eher zustimmen, weil ich statt eines schlecht gezeichneten Comics lieber einen Roman zur Hand nehmen würde.

Die Fragen stellte Matthias Hofmann.

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