Interview: Comicladen in Kassel schließt

Cobiag in seinem Zombievideo (Ausschnitt)

Wieder einer weniger. Der Comicladen Cobiag in Kassel macht dicht. Auch wenn das allgemeine Einzelhandelsklima gerade im Verhältnis zum immer stärkeren Onlinehandel stetig rauer wird, geht es dem Comichandel in Deutschland relativ gut (siehe auch: »Grundsätzlich zufriedenstellend: Die Lage des deutschen Comicfachhandels 2011« im neuen COMIC REPORT 2012, jetzt im Handel). CRON befragte Stephan Lötzer, den Inhaber von Cobiag, nach den Gründen.

»Ende Gelände« im zehnten Jahrgermany48
Cobiag in Kassel schließt Ende Juni

Interview mit Stephan Lötzer

[MH] Wieder einer weniger. Stephan Lötzer eröffnete seinen eigenen Comicladen am 1. Oktober 2002 in Kassel. Das Zehnjährige steht kurz bevor. Kassel, die nordhessische Stadt, hat fast 200.000 Einwohner und zwei Comicfachgeschäfte. In Zukunft gibt es nur noch eines.

Lötzer, der seinen Laden liebevoll »Bilderheftchumverteilungszentrum« nennt, ist 43 Jahre alt. Vor seiner Zeit als Einzelhändler in Sachen Neunte Kunst vertrieb er seine Tage und Wochen mit »Studium, Jobben und Musik«.

Es hat nicht sollen sein. Im Interview gibt Stephan Lötzer Auskunft über die Gründe und was in den nächsten Tagen bis zur Schließung noch geplant ist.


Stephan Lötzer vom Cobiag in KasselCobiag in Kassel, dein Comicladen, schließt die Pforten. Wann hast du diese Entscheidung getroffen?

Gefallen ist die Entscheidung Ende März.

Was sind die Gründe für das Aus?

Grant Morisson [grinst] Nein, es kommt ein bisschen was zusammen, aber die betriebswirtschaftlichen Gründe sind wohl ausschlagegebend gewesen.

Welche Comics hattest Du im Angebot und was darüber hinaus?

Gestartet als reines Antiquariat, habe ich über die Jahre immer mehr »Neuwarekundenkumpel« gewinnen können, so dass ich die letzten Jahre alle deutschen Verlage im Programm hatte und bis Ende Juni noch habe, jede Woche eine Kiste Ami-Hefte bekomme und das was ich »comicrelevanten Merch« nennen, also Actionfiguren, T-shirts, Statuen.

Was hast du gemacht, um die Schließung zu vermeiden?

Das Bilderheftchumverteilungszentrum funktioniert bzw. funktionierte zweigleisig: zum einen die liebe Stammkundschaft die überwiegend Neuware kauft, zum anderen das Antiquariat, das mehr übers Netz geht. Letzteres wird aber, sowohl beim Ver- aber auch beim Einkauf, zunehmend schwieriger, leider außerhalb meiner Gestaltungsmöglichkeiten.

Daher hab ich seit Mitte letzten Jahres noch einmal verstärkt versucht, mehr lokale Kundschaft zu generieren, nicht nur, aber eben auch, in diese Richtung ging der Zombiag Streifen, den Ralf Kemper mit mir gemacht hat, eine Gratis Comic Flyer Aktion vor Weihnachten, eine Customized-Minimate-Ausstellung, verstärkte Webzweinullpräsenz (facebook, twitter). Leider alles ohne das erwünschte Resultat, was übrigens leider auch für die beiden ersten Gratis Comic Tage gilt.

Welche Comics liefen bei dir besonders gut und welche gar nicht?

Cobiag LogoAm besten gehen bei mir die Amis - im Original und in der Übersetzung - alles von Vertigo und Sachen wie Walking Dead, The Boys, Marvel und DC, Habibi lief gut, die Frankobelgier hab ich immer versucht etwas zu pushen, sind aber im eher abgeschlagenen Mittelfeld geblieben, Manga tauchen ab und an im Antiquariat auf, aber außer ein bisschen Akira oder den von mir geschätzten Taniguchi spielen die hier so gut wie keine Rolle. Betriebswirtschaftlich blöde, war aber so gewollt. [grinst]

Du nimmst noch am Gratis-Comic-Tag teil. Was erwartet die Leute, die vorbeischauen?

Wenn ichs anders rum formulieren darf, ich erhoffe mir möglichst viele Leute, die am GCT, bzw. im ganzen Mai möglichst viel hier raustragen, damit ich Ende Juni nicht mehr so viel selbst rauszutragen habe, daher werde ich versuchen, preisgestaltungstechnisch alles mir mögliche möglich zu machen.

Wer eine weitere Anfahrt auf sich nehmen möchte, sollte eventuell vorher Kontakt aufnehmen. Eventuell macht es Sinn, ein paar Tage vorher oder später zu kommen. Ich bunker' auch gern ein paar der Gratisheftchen und dann kann man in Ruhe schauen was sonst noch so da ist. Abgesehen davon, denke ich, werden wir wie die letzten Jahre wieder ein bisserl Livemusik haben, Spaß haben und abends ins Feiern kommen.

Ist Kassel kein gutes Pflaster für Comicläden?

Ich denke nicht besser oder schlechter als die restliche Republik, Comics sind bei uns nun mal ein Nischenprodukt. Es gibt Leute, denen ist der Weg von einem Stadtteil zum nächsten zu weit, andere nehmen regelmäßig 100 Kilometer Anfahrt auf sich. Ich hab von Anfang an gesagt, eine Stadt wie Kassel ist eigentlich zu klein für zwei Comicläden, aber wie so oft im Leben, wenn man was wirklich will, geht so ziemlich alles.

Wie weit entfernt ist der nächste Buchladen, der eine Comicabteilung hat? Wie weit der nächste Comicladen?

Google Maps anyone?

Heißt das, Du hast keine Ahnung und hast nie geschaut, wo die Konkurrenz sitzt und was sie macht?

Bin nur schlecht im Entfernungen schätzen. Das nächte ist wahrscheinlich der Hugendubel mit einem Regalmeter Mainstream-Comics. Die lieben Mitbewerber von der Comic Galerie sind ein bisschen weiter. Das eine vielleicht 1000, das andere 2000 Meter.

Gibt es einen Plan B? Was machst du, wenn du nicht mehr mit Comics handelst?

Erst mal den nicht genommen Urlaub der letzten zehn Jahre, dann die Überstunden abfeiern und dann überleg ich mir vielleicht, mal einen Comicladen aufzumachen. Bis dahin werden sämtliche Jobangebote wohlwollend geprüft.

Was rätst du Leuten, die mit dem Gedanken spielen, einen Comicladen zu eröffnen?

Unbegrenzte Finanzmittel, gute Nerven und einen ganz langem Atem. Ansonsten würde ich nicht auf Ratschläge von Leuten hören, die grad einen Laden zumachen. [grinst]

Aber im Ernst, wie ich auch aus Äußerungen der Kollegen im Comicforum rauszuhören meinte, ist beim Onlinehandel der Zug lang abgefahren. Wer also wirklich einen Laden aufmachen möchte, sollte bezüglich Lage und Sortiment schauen, dass er gut vor Ort klar kommt. Umso spezieller der Laden, umso grösser sollte wohl das Einzugsgebiet sein. Im Umkehrschluss: umso breiter das Sortiment, umso besser die Chancen.

Abbildungen © Stephan Lötzer


Weiterführender Link:

Homepage: Cobiag Kassel