Reprodukt Programmvorschau 2014 - Interview mit Dirk Rehm

Kinderland

Der Berliner Verlag Reprodukt gibt sein Neuheitenprogramm für das erste Halbjahr 2014 bekannt. Der Titelausstoss wurde im Vergleich zum Vorjahr um rund 25% verringert. Im exklusiven CRON-Interview erklärt Verlagsleiter Dirk Rehm die Hintergründe und beantwortet Fragen zu den Neuheiten der kommenden Monate.

Reprodukt Programmvorschau Frühjahr 2014germany48
Novitäten bis Juni 2014

Reprodukt LogoDer Berliner Reprodukt Verlag bietet auch 2014 ein abwechslungsreiches Programm. Neben neuen Comics und Graphic Novels für Erwachsene gibt es auch wieder frisches Lesefutter für die Kleinen. Eine Titelübersicht findet sich am Ende des Interviews.


CRON fragt. Dirk Rehm antwortet.cr ICON-Fragen
Der Verlagsleiter im Interview

Dirk, bevor wir zum neuen Reprodukt-Programm kommen. Aus gewöhnlich gut informierten Quellen habe ich gehört, dass Du gerade wieder voll mit Lettern beschäftigt bist. Du zählst zwar zu den besten Letterern Deutschlands, aber könnte man das nicht auch delegieren? Oder ist dies so etwas wie entspannende Meditation zwischen Deinen nervenaufreibenden Aufgaben als Verlagsleiter?

Lettering ist für mich bereits seit mehreren Jahren eine Neben- und keine Hauptbeschäftigung mehr. Ich mache in der Regel das Lettering für etwa fünf Titel pro Reprodukt-Halbjahresprogramm, zumeist für Comics von Autoren, für die ich schon immer das deutsche Lettering gefertigt habe, etwa Lewis Trondheim, Frederik Peeters, Manu Larcenet oder Bastien Vivès. Die Arbeit, die ich in dieser Hinsicht zu leisten habe, ist eher überschaubar. Das Gros der Titel wird von den »hauptberuflichen« Letterern Michael Hau, Olav Korth und Céline Merrien erstellt, allesamt Meister ihres Fachs. Insofern wird Lettering durchaus delegiert, genauso wie ich in den letzten Jahren verschiedene Bereiche der verlegerischen Arbeit abgegeben habe.

 

Am REPRODUKT-Stand: Mawil, Christian Maiwald, Dirk Rehm, gezeichnet von Mawil

Am REPRODUKT-Stand: Mawil, Christian Maiwald, Dirk Rehm, Abbildung © Mawil

Das Programm fürs erste Halbjahr 2014 sieht auf den ersten Blick etwas »dünn besiedelt« aus. Im Hauptprogramm sind bis Juni 2014 nur sieben Titel gelistet, dazu kommen drei, die auch bei den Kindercomics auftauchen. Das sieht nach angezogener Handbremse aus?

Wir haben das Frühjahrsprogramm 2014 gegenüber den vergangenen Jahren etwas zurückgefahren, insgesamt haben wir von etwa 20 auf 15 Titel reduziert. Das hängt zum einen mit einer generellen Überarbeitung der kompletten Verlagsbelegschaft zusammen – wir haben in den letzten Jahren einfach zu viele Comics veröffentlichen wollen. Nicht dass nicht jeder einzelne der Veröffentlichung wert gewesen ist, aber wir scheinen uns gern mehr vorzunehmen, als wir tatsächlich umzusetzen in der Lage sind. So haben wir auch aktuell einen großen Überhang von Titeln, die verspätet erscheinen, weil wir aus verschiedenen Gründen nicht so mit der Arbeit hinterherkommen, wie wir es uns wünschen würden. Und ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen, ist jede Verzögerung gegenüber den angekündigten Erscheinungsterminen sowohl für die Presse- als auch für die Vertriebsarbeit eine undankbare Angelegenheit. Insofern ist die Reduzierung des Programms nicht zuletzt eine Konsequenz aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre.

Zum anderen haben wir bei 20 Neuheiten im Halbjahr das Problem, dass wir uns presse- und vertriebstechnisch nicht auf alle Titel gleichermaßen intensiv konzentrieren können. Wo es uns gelingt, einen Comic erfolgreich zu promoten, wie im aktuellen Programm etwa In der Küche mit Alain Passard von Christophe Blain oder Jim Curious – Reise in die Tiefen des Ozeans von Matthias Picard, erzielen wir sehr gute Verkaufszahlen. Die Comics hingegen, die weniger beworben und besprochen und somit weniger wahrgenommen werden, leiden darunter und bleiben teilweise unter ihrem Potenzial. Die Reduzierung des Programms erfolgt also auch aus dem Gedanken heraus, eine geringere Anzahl von Einzeltiteln jeweils besser verkaufen zu können. Und zumindest redaktionell und herstellerisch ist mit weniger Produktion natürlich auch weniger Arbeitsaufwand verbunden. Die Zeit, die wir so zu gewinnen hoffen, möchten wir zum Beispiel gern in die Betreuung einer größeren Zahl von Projekten deutschsprachiger Zeichner investieren.

Kinderland Normalausgabe

Der große Aufmacher für nächstes Jahr ist Mawils neustes Werk Kinderland, das sehr interessant aussieht, wenngleich das Thema »Wendegeschichte: Kindheit in Ostberlin 1989« mit dem Timing zum 25. Jahrestag des Mauerfalls einen latent gezwungenen Eindruck vermittelt. Was gibt es zu Kinderland zu sagen, und wieso hat es sieben Jahre gedauert bis Mawil ein neues Buch vorlegt?

Dass Mawils neues Buch nun tatsächlich zum 25. Jahrestags des Falls der Berliner Mauer erscheint, war bei uns die letzten Jahre über eher ein Running Gag – Kinderland war ursprünglich bereits für 2011 geplant. Es hat so lange gedauert, weil Mawil einen geradezu perfektionistischen Anspruch an Storytelling und Dramaturgie seiner Geschichte entwickelt hat. Kinderland mag eine fiktive Geschichte über Freundschaft und Vertrauen erzählen – es ist aber zugleich eine Rückschau auf Mawils eigene Kindheit in Ostberlin. Seine Erzählung dramaturgisch stimmig um eine Fülle an Momentaufnahmen aus dem Alltag anzureichern, die so persönlich wie exemplarisch sind, war die große Herausforderung. Zumal bei einem Buch von 270 Seiten. Vor allem die Feinarbeit am Storyboard hat also viel Zeit beansprucht. Seit Mawil aber an den Reinzeichnungen sitzt, entstehen jede Woche fünf bis sieben fertig gezeichnete und kolorierte Seiten.

Und das Warten hat sich gelohnt: Kinderland hat alles, was man an Mawil schätzt: Tiefgang, einen hohen Unterhaltungswert und mitreißend-dynamische Zeichnungen.

Kinderland Vorzugsausgabe

Während der letzten Jahre hat Mawil übrigens Strips für den Tagesspiegel gemacht, viele kleinere Arbeiten und seine Comics nicht zuletzt auf Auslandsreisen mit dem Goethe-Institut in aller Herren Länder vorgestellt. Außerdem gab es viele fremdsprachige Veröffentlichungen seiner Comics, die er mit Signiertouren und Vorträgen begleitet hat – man kann also nicht behaupten, dass er sieben Jahre lang nur an diesem einen Buch gearbeitet hat.

Aya

Eine sehr schöne Überraschung ist, dass ihr Aya von Marguerite Abouet veröffentlicht. Carlsen hatte die Serie 2008 leider abgebrochen nach drei Bänden. Ihr fasst offenbar mehrere Teile zusammen. Werden die weiteren Geschichten als deutsche Erstveröffentlichung nachgereicht?

Die ersten drei Teile von Aya von Marguerite Abouet und Clément Oubrerie, die Carlsen bereits vorgelegt hatte, werden leicht überarbeitet und zu einem Buch zusammengefasst. Der zweite Zyklus, der die französischen Bände 3 bis 6 enthält, soll dann im Herbst 2014 folgen.

Bei den Kindercomics kommt erfreulicherweise eine weitere deutsche Eigenproduktion, ein neuer Band von Patrick Wirbeleits und Uwe Heidschötters Kiste. Als Hardcover. Und Band 1 wird ebenfalls als Hardcover nachgedruckt. Warum das?

Vor allem von unserem Vertreterteam kam ganz massiv der Einwand, dass ein Comic in der Ausstattung einer Klappenbroschur im Kinderbuchsortiment schlecht zu platzieren sei. Um größeren Erfolg zu haben – den wir Kiste durchaus zutrauen, und die Verkaufszahlen sind schon im jetzigen Format nicht schlecht – sollte sich Format, Ausstattung und auch die Preisgestaltung der Bände den üblichen Gegebenheiten im Bilderbuch- und Erstlese-Segment anpassen. Diesen Argumenten wollten wir gerne entsprechen, und nun sind wir gespannt, wie die ersten beiden Bände von Kiste im neuen Format angenommen werden.

Kiste Band 2

Du hast sicher die kürzlich sehr erfolgreich zu Ende gegangene Crowdfunding-Aktion von Fantagraphics bei Kickstarter verfolgt. Hier hat der US-Verlag mal eben sein Halbjahresprogramm 2014 von Unterstützern vorfinanzieren lassen. Wäre eine abgespeckte Version oder etwas ähnliches auch für Reprodukt denkbar?

Tatsächlich bereiten wir ein ganz ähnliches Projekt vor, mit dessen Planung wir längst begonnen hatten, bevor die Kickstarter-Kampagne von Fantagraphics online gegangen ist. In veränderter Form wollen wir den Reprodukt-Klub wieder ins Leben rufen, den wir vor ein paar Jahren eingestellt haben. Wir merken leider immer wieder, dass wir – gerade mit der Vorfinanzierung von Projekten deutscher Zeichner – schnell an unsere finanziellen Grenzen geraten. Auch wenn das Interesse an Comics für erwachsene Leser mit der erfolgreichen Einführung des Begriffs »Graphic Novel« in den letzten Jahren gewachsen ist, bleibt es schwer, mit den relativ geringen Verkaufsauflagen wirklich gewinnbringend zu arbeiten. Und Gewinne müssen erwirtschaftet werden, um in neue Projekte investieren zu können. Ein nicht nur vom Feuilleton gefeiertes, sondern auch im Verkauf erfolgreiches Debüt von einem deutschen Zeichner, wie es dieses Jahr für uns Vakuum von Lukas Jüliger war, ist eher die Ausnahme.

Für den neuen Repro-Klub hat nun Nicolas Mahler Gutscheine für Verkaufswerte von 300 EUR, 500 EUR und 1.000 EUR gestaltet, die gerade im Siebdruckverfahren hergestellt werden. Diese können unsere Fans und Leser schon bald über unsere Website erwerben. Im Gegenwert der Gutscheine können sie dann nach ihren eigenen Vorlieben Bücher bei uns anfordern. Aufgrund der Buchpreisbindung ist es in Deutschland für einen Verlag nicht ohne weiteres möglich, ein Kickstarter-Projekt wie das von Fantagraphics ins Leben zu rufen. Deshalb haben wir unser Projekt unter anderem dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels zur Prüfung vorgelegt. Wenn alles klappt, werden wir die neue Klub-Idee noch im Dezember öffentlich vorstellen.

Die Fragen stellte Matthias Hofmann.

Hilda Band 3

Abbildungen © Reprodukt


Reprodukt Neuheiten-Programm 1. Halbjahr 2014

März 2014

Nicolas Mahler, Franz Kafkas Nonstop Lachmaschine
ISBN 978-3-943143-93-5, 128 Seiten, s/w, Klappenbroschur, 14 x 21 cm, € 16,–

Marguerite Abouet und Clément Oubrerie, Aya
ISBN 978-3-95640-001-8, 384 Seiten, farbig, Hardcover, 17 x 24 cm, € 39,-

Franz Kafkas Nonstop Lachmaschine

Fanny Britt & Isabelle Arsenault, Jane, der Fuchs & ich
ISBN 978-3-943143-91-1, 104 Seiten, farbig, Hardcover, 22 x 29 cm, € 29,–

Judith Vanistendael, Als David seine Stimme verlor
ISBN 978-3-943143-95-9, 280 Seiten, farbig, 17 x 24 cm, Klappenbroschur, € 34,–

Als David seine Stimme verlor

Luke Pearson, Hilda und die Vogelparade
ISBN 978-3-943143-96-6, 44 Seiten, farbig, Hardcover mit Leinenrücken, 22 x 31 cm, € 18,–

Karoline Bofinger (Hrsg.), Le Monde Diplomatique: Comics zur Lage der Welt
ISBN 978-3-943143-89-8, 64 Seiten, farbig, Hardcover, 23 x 34 cm, € 29,–

Jane, der Fuchs & ich

Tove Jansson, Ein Urwald im Mumintal
ISBN 978-3-95640-000-1, 40 Seiten, farbig, Hardcover, 21 x 15 cm, € 10,–

Tove Jansson, Mumin und der Komet
ISBN 978-3-943143-99-7, 44 Seiten, farbig, Hardcover, 21 x 15 cm, € 10,–

Ein Urwald im Mumintal

Mumin und der Komet

Mai 2014

Pierre Bailly & Céline Fraipont, Kleiner Strubel: Auf der Burg zu Hohenhaufen
ISBN 978-3-943143-98-0, 32 Seiten, farbig, Hardcover, 19,5 x 25,5 cm, € 10,-

Patrick Wirbeleit & Uwe Heidschötter, Kiste [Neuauflage im Hardcover]
ISBN 978-3-95640-004-9, 72 Seiten, farbig, Hardcover, 16 x 20 cm, € 14.-

Patrick Wirbeleit & Uwe Heidschötter, Kiste: Fluchtmücken und Wetterzauber
ISBN 978-3-943143-97-3, 80 Seiten, farbig, Hardcover, 16 x 20 cm, € 14.-

Ariol: Saugute Freunde
ISBN 978-3-95640-002-5, 128 Seiten, farbig, Klappenbroschur, 16 x 20 cm, € 14,-

Ariol: Saugute Freunde

Juni 2014

Mawil, Kinderland
ISBN 978-3-943143-90-4, 280 Seiten, farbig, Klappenbroschur, 16 x 21 cm, € 29,–

Mawil, Kinderland [Vorzugsausgabe im Hardcover mit signiertem Druck]
limitiert auf 777 Exemplare, ISBN 978-3-95640-003-2, 280 Seiten, farbig, Klappenbroschur, 16 x 21 cm , € 45,–

Juli 2014

Guy Delisle, Neuer Ratgeber für schlechte Väter
ISBN 978-3-943143-92-8, 192 Seiten, s/w, Klappenbroschur, 13 x 18 cm, € 12,–

Neuer Ratgeber für schlechte Väter


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