Reprodukt Programmvorschau Herbst 2017 - Interview mit Dirk Rehm

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Das Herbstprogramm von Reprodukt ist da und bietet viele starke Frauen — in den Geschichten und dahinter. Auch bei seinen Kindercomics hat der Berliner Verlag clevere und spannende Stoffe im Angebot. CRON stellt alle Neuheiten vor und hat mit Verlagsleiters Dirk Rehm über Bildergeschichten für Groß und Klein gesprochen.

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Der Verlagsleiter im Interview

IMG 6917Euer Aufmacher, Pénélope Bagieus Unerschrocken, verspricht im Untertitel »Fünfzehn Porträts außergewöhnlicher Frauen«. Bislang war Bagieu (Eine erlesene Leiche, California Dreamin', u. a.) bei den Hamburger Kollegen von Carlsen. Wie ist ihr jüngstes Werk bei euch gelandet, und wie viel Emanzipation steckt hinter ihrem lockeren Strich und ihrer flotten Schreibe?

Ich habe bei Gallimard Jeunesse Interesse angemeldet, nachdem ich auf den Titel aufmerksam geworden war. In der Regel hat der bisherige Lizenznehmer des Werks einer Zeichnerin oder eines Zeichners die erste Wahl. Das war auch hier der Fall und im ersten Schritt wurde Carlsen angefragt, ob sie Pénélopes neuen Titel verlegen möchten. Carlsen hat abgesagt — die genauen Gründe kenne ich nicht. Bis auf Josephine Baker und Tove Jansson sind es keine berühmten Namen, die es in Unerschrocken zu entdecken gibt. Ich finde die Idee großartig, fünfzehn Lebensgeschichten beachtenswerter aber gar nicht so bekannter Frauen zu erzählen. Und Pénélope Bagieu tut das offensichtlich mit viel Spaß an der Sache und einer guten Portion Ironie. In Frankreich ist diese Veröffentlichung für Gallimard Jeunesse ein riesiger Erfolg und auch wir trauen Unerschrocken eine Menge zu. Wir freuen uns sehr, dass Pénélope noch dazu im Herbst nach Deutschland und zur Frankfurter Buchmesse kommt, um ihr neues Buch vorzustellen.

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»Starke Frauenfiguren von starken Comickünstlerinnen« so ließe sich der Großteil des neuen Programms auch insgesamt umschreiben. Was viele der Geschichten umtreibt — von Aude Picaults Ideal Standard über Kathrin Klingners Katze hasst Welt bis Jillian Tamakis Grenzenlos —, ist der Druck der Leistungsgesellschaft im Allgemeinen und auf Frauen im Besonderen. Aber auch in Thomas von Steinaeckers und Barbara Yelins Der Sommer ihres Lebens und Sacha Goergs Das Mädchen aus dem Wasser stehen selbstbewusste Frauenfiguren beziehungsweise deren Identitätssuche im Zentrum. Gärt da etwas in der Comiccommunity, gar in der Gesellschaft?

Wir beobachten seit Jahren, dass aus dem Umfeld der hiesigen Kunsthochschulen immer mehr junge Zeichnerinnen ins Rampenlicht treten. Man schaue sich in der jüngsten Vergangenheit etwa die Reihe der FinalistInnen des Preises der Berthold-Leibinger-Stiftung an. Auch das Publikum, das unsere Comics kauft und liest, ist mittlerweile zur Hälfte — wenn nicht mehrheitlich — weiblich. Zumindest ist das die Erfahrung, die wir auf Messen und Festivals machen.

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Die Vorgehensweise der AutorInnen ist sehr unterschiedlich: Wo Pénélope Bagieu, Kathrin Klingner und Aude Picault mit sehr viel Humor an die Umsetzung von Lebensgeschichten herangehen, folgen Thomas von Steinaecker als Szenarist und Barbara Yelin als Zeichnerin von Der Sommer ihres Lebens einem eher poetischen Ansatz. Auch die Kurzgeschichten von Jillian Tamaki zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie der Leserschaft zwischen Zeichnungen und Text sehr viel Spielraum für eine eigene Interpretation überlassen.
Sicherlich ist der Druck der Leistungsgesellschaft ein unterschwelliges Thema in einigen dieser Bücher. Noch wichtiger scheint mir jedoch das Motiv der Identitätssuche, das man natürlich auch in vielen Comics männlicher Autoren findet.

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Wo du es gerade ansprichst: Bei all der Frauenpower dürfen wir die Männer nicht vergessen. Mit Marc-Antoine Mathieus Otto und Manu Larcenets Brodecks Bericht erscheinen zwei Querformate, die mit sehr unterschiedlichen Mitteln Geschichten über zwei sehr unterschiedliche Männer erzählen.

Zwei großartige neue Titel von zwei eingeführten Autoren. Marc-Antoine Mathieu hat von Juni bis Oktober unter dem Titel »Kartografie der Träume« eine Werkschau im Frankfurter Museum Angewandte Kunst. Er steht damit auch als erster Comiczeichner im Fokus von »Frankfurt auf Französisch«, so der Leitspruch zum Auftritt des Gastlands Frankreich auf der Frankfurter Buchmesse. Im Rahmen der Buchmesse werden darüber hinaus Pénélope Bagieu, Marc Boutavant, Guy Delisle, Emmanuel Guibert und Riad Sattouf für Buchpräsentationen erwartet. Philippe Claudel, der Autor des Romans »Brodecks Bericht«, den Manu Larcenet zu seiner Vorlage gemacht hat, ist ebenfalls eingeladen.

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Neben Pénélope Bagieu habt ihr eine weitere Künstlerin von der Konkurrenz losgeeist. Nachdem bereits Sarah Gliddens Im Schatten des Krieges bei Reprodukt erschienen ist, legt ihr ihren zuvor bei Panini veröffentlichten Comic Israel verstehen in 60 Tagen oder weniger im November neu auf. Hat die Comicreporterin bei euch damit dauerhaft eine neue deutsche Heimat gefunden?

Die zwei Veröffentlichungen von Sarah Glidden sind mit großem Abstand erschienen, aber wir hoffen natürlich, auch in Zukunft weitere neue Werke von ihr verlegen zu können. In den USA sind die Rechte von Israel verstehen von DC/Vertigo zu Drawn & Quarterly gewandert, denen wir verbunden sind. So wie ich es verstanden habe, hat sich Sarah Glidden ausdrücklich gewünscht, dass Im Schatten des Krieges bei Reprodukt eine Heimat in deutscher Sprache findet. In diesem Zuge wurde uns dann auch Israel verstehen in 60 Tagen oder weniger angeboten.

Das Programmsegment »Kindercomics« habt ihr mittlerweile seit vier Jahren. Wie zufrieden seid ihr damit?

Das Echo im Handel und beim Publikum fällt von Titel zu Titel unterschiedlich aus. Wo wir Schwierigkeiten haben, die Bilderbücher in den Kinderbuchabteilungen zu platzieren, laufen andererseits gerade die Kindercomics der deutschen Autoren — speziell die Serien Kiste und Q-R-T — sehr gut und von Jahr zu Jahr besser! Das Serienformat scheint also auch für die Zukunft Erfolg versprechend und Leseaktionen und Workshops der AutorInnen tun ein Übriges, um unsere Kindercomics bekannt zu machen. Hilfreich ist auch der Leipziger Lesekompass, der dieses Jahr an Antonia war schon mal da von Patrick Wirbeleit und Max Fiedler verliehen wurde. Dadurch werden nicht nur Buchhändler, sondern auch Bibliotheken auf ein Buch aufmerksam. Resultat: Antonia war schon mal da ist schon in der zweiten Auflage.
Ebenfalls erfreulich ist das Interesse aus dem Ausland: Zuletzt haben wir Lizenzen von Kiste an IDW, Antonia war schon mal da an Dargaud und Q-R-T an den französischen Verlag Editions Frimousse verkauft.

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Hier habt ihr neben neuen Bänden der Mumins, von Kleiner Strubbel und Ariol auch den ersten Band von Ferdinand Lutz' Rosa und Louis im Programm. Was erwartet alte und junge (Vor-)Leser, die die Geschichten noch nicht aus der Zeitschrift Dein SPIEGEL kennen? Und wie viele Bände sind geplant?

Rosa ist acht Jahre alt und will Zauberin werden — oder Detektivin. Louis ist zwölf und möchte schnell erwachsen werden. Die beiden ungleichen Geschwister ziehen mit ihren Eltern in das echte Schloss der Großmutter und erleben dort jede Menge Abenteuer, denn die ehemaligen Bewohner des altehrwürdigen Gemäuers sind alle noch da: als Geister! Die Geschichten um Rosa und Louis in ihrem Geisterhaus sind supercharmant erzählt und versprechen ein großer Erfolg zu werden — zumal Ferdinand auch in Sachen Lesungen und Workshops ein riesen Engagement an den Tag legt.
Rosa und Louis erscheint im kleinen Querformat wie die Mumins. Wie viele Bände es werden, das ist noch offen — hoffentlich hat Ferdinand noch lange Lust weiter zu erzählen und zu zeichnen.

Als nächstes Großereignis steht das Comicfestival in München im Terminkalender. Welche Comicschaffenden werden mit euch vor Ort sein?

Wir haben Bastien Vivès, Florent Ruppert und Jérôme Mulot vor Ort, die ihr neues Album vorstellen. Olympia ist die Fortsetzung der Abenteuer der Kunstdiebinnen Carole, Alex und Sam, die schon in Die große Odaliske begeistert haben. Zu Gast ist auch Yi Luo, die Autorin von Running Girl, die aus Augsburg anreist und deren Animationsfilm »Night Spinning« gerade in die Shortlist für die International Student Film Awards der British Academy of Film and Television Arts aufgenommen wurde!

Die Fragen stellte Falk Straub

Foto © Edition Alfons, Abbildungen © Reprodukt


Neuheiten des 2. Halbjahrs 2017

Juli 2017

Marc-Antoine Mathieu
Otto
96 Seiten, schwarzweiß, 29,5 x 19 cm, Hardcover mit Schuber
Euro (D) 20,- | Euro (A) 20,60
ISBN 978-3-95640-131-2

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August 2017

Kathrin Klingner
Katze hasst Welt
96 Seiten, schwarzweiß, 17 x 24 cm, Klappenbroschur
Euro (D) 18,- | Euro (A) 18,50
ISBN 978-3-95640-086-5

Sacha Goerg
Das Mädchen aus dem Wasser
184 Seiten, farbig, 18 x 23,8 cm, Klappenbroschur
Euro (D) 24,- | Euro (A) 24,70
ISBN 978-3-95640-136-7

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September 2017

Aude Picault
Ideal Standard
160 Seiten, farbig, 19,5 x 26 cm, Hardcover
Euro (D) 24,- | Euro (A) 24,70
ISBN 978-3-95640-130-5

Thomas von Steinaecker, Barbara Yelin
Der Sommer ihres Lebens
80 Seiten, farbig, 19 x 29 cm, Hardcover
Euro (D) 20,- | Euro (A) 20,60
ISBN 978-3-95640-135-0

Jillian Tamaki
Grenzenlos
248 Seiten, farbig, 17,5 x 22 cm, Klappenbroschur
Euro (D) 29,- | Euro (A) 29,90
ISBN 978-3-95640-134-3

Ferdinand Lutz
Rosa und Louis 1: Geisterstunde
64 Seiten, farbig, 21 x 14,7 cm, Hardcover
Euro (D) 12,- | Euro (A) 12,30
ISBN 978-3-95640-137-4

Céline Fraipont & Pierre Bailly
Kleiner Strubbel: Fräulein Klitzeklein
32 Seiten, farbig, 19,5 x 25,5 cm, Hardcover
Euro (D) 10,- | Euro (A) 10,30
ISBN 978-3-95640-128-2

Tove Jansson
Mumin und die Marsmenschen
52 Seiten, farbig, 21 x 15 cm, Hardcover
Euro (D) 10,- | Euro (A) 10,30
ISBN 978-3-95640-140-4

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Oktober 2017

Pénélope Bagieu
Unerschrocken.
Fünfzehn Porträts außergewöhnlicher Frauen
144 Seiten, farbig, 19 x 26 cm, Hardcover mit Prägung
Euro (D) 24,- | Euro (A) 24,70
ISBN 978-3-95640-129-9

Manu Larcenet
Brodecks Bericht.
Nach einem Roman von Philippe Claudel
328 Seiten, schwarzweiß, 29 x 23,5 cm, Hardcover mit Schuber
Euro (D) 39,- | Euro (A) 39,90
ISBN 978-3-95640-132-9

Dorothée de Monfreid
Schläfst du?
24 Seiten, farbig, 16 x 30 cm, Pappbilderbuch
Euro (D) 14,- | Euro (A) 14,40
ISBN 978-3-95640-138-1

Emmanuel Guibert, Marc Boutavant
Ariol: Papa ist ein Esel
128 Seiten, farbig, 16 x 20 cm, Klappenbroschur
Euro (D) 14,- | Euro (A) 14,40
ISBN 978-3-95640-139-8

November 2017

Sarah Glidden
Israel verstehen in 60 tagen oder weniger
208 Seiten, farbig, 16,5 x 22,5 cm, Klappenbroschur
Euro (D) 24,- | Euro (A) 24,70
ISBN 978-3-95640-133-6

Abbildungen © Reprodukt


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