Rudolph Dirks und die Katzenjammer Kids

Mamma Katzenjammer in Aktion

Am 13. Juli 2012 wurde Rudolph Dirks posthum in die »Will Eisner Hall of Fame« aufgenommen. Zusammen mit den Neuzugängen Bill Blackbeard, Richard Corben, Harry Lucey, Katsuhiro Otomo und Gilbert Sheldon. Damit gehört sein Name dem exklusiv-illustren Kreis der größten Comickünstler aller Zeiten an, der 1987 ins Leben gerufen wurde. Die ersten Mitglieder der »Hall of Fame« waren damals Carl Barks, Will Eisner und Jack Kirby.

Dirks, der Erfinder des Comicstrips The Katzenjammer Kids, stammt aus Deutschland und ist wie seine bahnbrechenden Comics in seinem Ursprungsland relativ unbekannt. Jetzt bringt eine Monographie über Dirks Licht ins Dunkel. Matthias Hofmann hat sie gelesen und Tim Eckhorst, den Autor des Buchs, dazu befragt.

»Mit Dose Kids, Society Is Nix!«cr ICON-Rezensionen
Rudolph Dirks und die Katzenjammer Kids

Das neue Buch über den Comicpionier   -   Fragen an den Autor Tim Eckhorst

VON MATTHIAS HOFMANN

Wenn jemand mit einem Lausbubenstreich ein Haus gründlich in Schutt und Asche legen könnte, dann möglicherweise Hans und Fritz. Die beiden von Wilhelm Buschs Max und Moritz inspirierten Brüder haben es nicht nur faustdick hinter den Ohren, sondern legen bei ihren Hanswurstereien einen Erfindungsreichtum an den Tag, dass sich dem Leser von damals vor Lachen das Zwerchfell verbog. Die Strips um Hans, Fritz, Mamma Katzenjammer und dem väterlichen »Captain« waren in ihren besten Zeiten in den USA so beliebt, dass es parallel zwei Serien in den US-Zeitungen gab.

 

»Dose were de times«: Promofilm zum Buch von Tim Eckhorst

Die beiden Plagegeister entsprangen dem Geist von Rudolph Dirks, der am 26. Februar 1877 im norddeutschen Städtchen Heide geboren wurde und mit seiner Familie 1884 im Alter von sieben Jahren in die Vereinigten Staaten von Amerika auswanderte. Das destruktive Duo debütierte am 12. Dezember 1897 in der Comicbeilage des New York Journal von William Randolph Hearst. Damals herrschte eine Art »Zeitungskrieg« zwischen Hearst und seinem ärgsten Konkurrenten Joseph Pulitzer. Erfolgreiche Mittel um die Auflagen zu steigern waren: Comicstrips.

Titelbild von Tim Eckholds Buch über Rudolph DirksDie derb-brutalen Streiche der beiden Minderjährigen, die ihrer Umwelt regelmäßig mit Fisimatenten das Leben schwer machten und am Ende jeder Folge nicht selten dafür bestraft wurden (durchaus auch mal mit einem guten alten »Tritt in den Arsch«), zählen nicht nur aus historischen Gründen zu den wichtigsten Comics der Pionierzeit. Dirks war einer der ersten, der die Form der Sprechblase etabliert hat, ebenso gilt er, laut Tim Eckhorst, als Erfinder der »Speedline«. Und mit seiner einzigartigen Sprache, einem Kauderwelsch aus Englisch und Deutsch, wie es die Einwanderer zur Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert gesprochen haben, entwickelten die Katzenjammer Kids einen eigenen Charme, der auch heute noch fasziniert.

Der Strip hat seinen Erfinder Rudolph Dirks nicht nur überlebt, sondern er ist inzwischen der am längsten laufende Zeitungscomic der Welt. Neben Dirks zeichnete Harold H. Knerr viele Jahre erfolgreich die Blödsinn veranstaltenden Katzenjammer Kids. Die aktuellen Folgen der Serie werden seit 1986 von Hy Eisman geschaffen.

Das kürzlich erschienene Buch von Tim Eckhorst ist in zweifacher Hinsicht bemerkenswert. Zum einen ist »Rudolph Dirks – Katzenjammer, Kids & Kauderwelsch« ein rarer Vertreter von Comicfachliteratur, der sich monografisch mit einem Comiczeichner auseinandersetzt. Zum anderen ist dieser Band das erste Buch über Leben und Werk von Dirks, was etwas verwundert, gilt er doch zusammen mit Künstlern wie Winsor McKay und George Herriman als einer der wichtigsten Vertreter aus den Pioniertagen der Zeitungscomics und damit des Comics überhaupt.

Rudolph Dirks Leseprobe 1

Eckhorst hat zusammengetragen, was er an Wissenswertem über Dirks gefunden hat. Nicht alles machte Sinn, und mitunter fand er widersprüchliche Daten oder Aussagen. Die Stärke des Buchs ist, dass der interessierte Leser erstmals sämtliche Informationen aus den verschiedensten Quellen auf rund 120 Seiten versammelt vorfindet. Eine Schwäche ist vielleicht, dass für den Insider wenig wirkliches Neues zu erfahren ist und Eckhorst ziemlich viel zitiert, aber wenig wirklich Eigenständiges beiträgt.

Rudolph Dirks Leseprobe 1

Dessen ungeachtet ist das Buch über Rudolph Dirks eines der Comicsekundärliteratur-Highlights des Jahres. Es macht einfach Spaß, in die Welt von Dirks' Figuren einzutauchen und mehr über Leben und Werk des Künstlers zu erfahren, der Ende des 19. Jahrhunderts mit seinen Comics für Furore und hohe Auflagen sorgte. In übersichtlichen Kapiteln bringt Eckhorst auch zeitgeschichtliche Informationen, sowie die weitergehende Rezeption der Strips und eine grobe Bewertung des Werks unter. Hier hätte man sich etwas mehr gewünscht, auch über die Publikationen der Katzenjammer Kids in Deutschland, welche eher stiefmütterlich auf etwas weniger als einer Seite abgehandelt werden.

The Captain and the KidsDas Buch ist reichlich illustriert. Viele der alten Fotos sind von ihrer Qualität zwar grenzwertig, so ist auf mancher Schwarzweißabbildung schlicht nichts zu erkennen, doch dass sie trotzdem in dem Buch abgedruckt werden, ist nur zu verständlich. Schließlich gibt es sehr wenig überliefertes Fotomaterial aus Dirks‘ Leben, dessen Kindheit vor rund 130 Jahren stattgefunden hat. Und daher besser schlechte, als gar keine Abbildungen. Gewünscht hätte man sich mehr Bildbeispiele und Leseproben der Comickunst von Dirks, da diese gerade für deutsche Leser wie ein Buch mit sieben Siegeln ist.

Ein schöner Nebeneffekt der Lektüre dieses gut geschriebenen Bandes ist, dass man Lust bekommt, sich weitergehend mit den klassischen Zeitungscomics im Allgemeinen und den Katzenjammer Kids im Speziellen zu beschäftigen.

Rudolph Dirks wurde 91 Jahre alt. Er starb am 20. April 1968 in New York City. In seiner deutschen Geburtsstadt Heide, gibt es seit 2009 den Rudolph-Dirks-Weg. Das ist wahrscheinlich die einzige Straße Deutschlands, die nach einem Comiczeichner benannt ist.

Briefmarke der USA mit den Katzenjammer Kids

Abbildungen © King Features Syndicate, Inc./Bulls Press, Tim Eckhorst


Die Daten

Rudolph Dirks – Katzenjammer, Kids & Kauderwelsch (Originalausgabe)
Autor: Tim Eckhorst
Deich Verlag, Wewelsfleth
Softcover, s/w, teilweise farbig, 120 Seiten, 14,8 x 21,0, 15,90 Euro, ISBN 978-3-942074-05-6


Weiterführende Links:

Homepage des Verlags: Deich Verlag
Fanpage über die Katzenjammer Kids (in Englisch): The Katzenjammer Kids


CRON fragt. Tim Eckhorst antwortetcr ICON-Fragen
Der Autor im Interview

Tim EckhorstTim, wie kommt ein 27-Jähriger wie du darauf, sich für die Katzenjammer Kids zu interessieren?

Als ich 14 war, bin ich über einen Artikel in einer lokalen Zeitung – der Dithmarscher Landeszeitung – auf Rudolph Dirks aufmerksam geworden. Da wurde darüber berichtet, dass eindeutig geklärt wurde, dass Dirks aus Heide stammt. Das fand ich sehr faszinierend, weil ich ebenfalls in Heide geboren wurde und schon damals Comics gezeichnet habe. Die Katzenjammer Kids kannte ich allerdings nicht und habe mich mangels aktuellerer Veröffentlichungen in Deutschland zunächst auch nicht damit beschäftigt.

Wann hattest Du die Idee zu dem Buch über Rudolph Dirks und wie schwer war es, einen Verlag dafür zu finden?

Die Idee zum Buch begann zunächst aus der Not heraus für meine Bachelor-Arbeit an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel ein Thema finden zu müssen. Bei einer Autofahrt habe ich mich dann an Dirks erinnert und bald darauf habe ich auch schon mit der Recherche angefangen. Nach meinem Abschluss habe ich die Arbeit ständig erweitert, um daraus ein Buch machen zu können.

Es gab dann schließlich mehrere Verlage, die das Thema interessant fanden. Die Wahl fiel am Ende auf den Deich Verlag, weil der so einen wohlklingenden Namen hat und außerdem nicht allzu weit von der Region entfernt ist, in der Dirks geboren wurde. Auf diese Weise sollte es leichter sein auch die Bevölkerung dort zu erreichen und nicht nur die Comicfans.

Sein Sohn John starb 2010. Hast Du mit Nachkommen von Dirks sprechen können?

Mit Rudolphs Sohn John habe ich leider nicht sprechen können. Aber kürzlich habe ich mein Buch in einer Heider Buchhandlung präsentiert und da war tatsächlich eine entferntere Verwandte von Dirks da, die in Heide lebt und bereits selbst einige Infos in einem Ordner zusammengetragen hatte.

Rudolph Dirks mit Sohn John

Rudolph Dirks mit Sohn John

Haben die Kinder von Dirks keine Nachkommen? Ich konnte in deinem Buch dazu nichts finden.

John, der den Strip seines Vaters fortgeführt hat, hatte keine Kinder. Zu seiner Schwester Barbara hatte er keinen Kontakt. Somit ließen sich keine Infos auftreiben. Ich weiß nicht mal, ob Johns Schwester noch lebt, geschweige denn, ob sie Kinder hat. Selbst ihre Kinder – sollte es sie denn geben – müssten schon so einige Jahre alt sein.

Mal ehrlich: Wessen Katzenjammer Kids sind besser, die von Rudolph Dirks oder die von Harold Knerr?

Das ist eine schwierige Frage. Zeichnerisch finde ich Knerr besser, aber der Wortwitz und der brachiale Humor sind bei Dirks einfach ungeschlagen. Sowas kann man nicht so einfach nachmachen.

Was denkst du, warum wurde in Deutschland nie richtig Notiz genommen von den Comics von Dirks?

Eine gute Frage. Ich vermute, dass es auf jeden Fall daran liegen könnte, dass der Strip im Original zu weiten Teilen von dem deutsch-englischem Kauderwelsch lebt. Das geht bei einer Übersetzung ins Deutsche natürlich verloren. So bleibt dem deutschen Leser nur die zumeist recht simple Handlung. Da kann ich mir schon gut vorstellen, dass das nicht erfolgreich ist. Ich zumindest finde es in der Übersetzung eher langweilig.

Wie viele Original-Sonntagsseiten hast Du zu Hause?

Puh, ich habe leider gar keine. Dafür aber zwei Sammelbände und diverse Publikationen mit Abbildungen von Dirks-Werken.

Verfolgst du die Katzenjammer Strips von heute, die Hy Eisman zeichnet?

Nein, die verfolge ich nicht. Ich konnte mich damit auch überhaupt nicht anfreunden, weil die Zeichnungen recht statisch wirken und Hans und Fritz recht brav. Der Humor hat sich natürlich stark verändert, das ist ganz logisch, aber solange ich noch Strips von Dirks finde und lesen kann, werde ich nicht auf Eisman zurückgreifen.

The Katzenjammer Kids und ihr Erfinder (Selbstporträt)

Welche der alten Zeitungsstrips gefallen dir am besten?

Little Nemo von Winsor McCay ist natürlich brillant. Ich mag aber auch Naughty Pete von Charles Forbell sehr gerne. Der erinnert mich immer ein wenig an Chris Ware und wirkt in der Hinsicht sogar ziemlich zeitgemäß. Außerdem mag ich Krazy Kat von George Herriman und die Arbeiten von James Swinnerton.

Wird es weitere Bücher über Comicpioniere von dir geben? Was ist als nächstes geplant?

Das ist ja eigentlich noch geheim, aber ich denke tatsächlich gerade über einen weiteren Band nach. Rudolph Dirks hatte nämlich einen Bruder namens Gus, der auch Zeichner war und in seiner ehemaligen Heimat gänzlich unbekannt ist. Da gibt es einiges zu tun, vor allem, weil die Infos, die man zu Gus Dirks findet noch dürftiger sind als die, die es zu Rudolph gibt.

Abbildungen © King Features Syndicate, Inc./Bulls Press, Tim Eckhorst


Weiterführender Link:

Homepage des Autors: Tim Eckhorst