Frisch Gelesen Folge 298: Luther Strode

Luther Strode: »Wir müssen ihnen zeigen, dass es anders geht. Sie brauchen einen neuen Weg. «
Petra: »Anders …, aber wie?«
Luther Strode: »Besser.«


FRISCH GELESEN: Archiv


Luther Strode Gesamtausgabe

Story: Justin Jordan, Tradd Moore
Zeichnungen: Tradd Moore

Cross Cult
Hardcover | 544 Seiten | Farbe | 40,00 €
ISBN: 978-3-96658-736-5

Genre: Fantasy, Action, Superhelden

Für alle, die das mögen: Marvel, DC, Image



Ein Teenager wird durch den Biss einer radioaktiven Spinne zu Spider Man, ein begnadeter Wissenschaftler durch eine Atomexplosion zum Unglaublichen Hulk. Die Liste solcher Metamorphosen könnte fast unendlich fortgeschrieben werden, nicht zuletzt Stan Lee hat dafür gesorgt, dass es einen schier unerschöpflichen Bestand solcher Superhelden gibt, die über Jahrzehnte die Leser von Comics fasziniert und gefesselt haben.

Ich kann mich allerdings nicht daran erinnern, dass es in der Geschichte einen Nerd wie Luther Strode gegeben hätte, der auf der Rückseite eines alten Comics die Anzeige für einen Trainingskurs entdeckt, den er sich kurzerhand bestellt. Mit diesem »Herkules Programm« wird ihm nicht nur ein Trainingsplan geliefert, sondern auch die Einführung in einen Mordkult, der seit Anbeginn der Menschheit besteht.

Der schmächtige Teenager Luther Strode trainiert mit dem »Herkules Programm« ...

 

Was danach mit ihm passiert, erfahren wir in drei Geschichten, »The Strange Talent of Luther Strode«, »The Legend of Luther Strode« und »The Legacy of Luther Strode« – zusammengepackt in einem über 500 Seiten starken Sammelband, der es wirklich in sich hat.

Liest man aktuelle Ankündigungen verschiedener Verlage, dann sticht einem wohl BRZRKR von Keanu Reeves, Matt Kindt und Ron Garney aus dem Hause Cross Cult ins Auge; versprochen wird hier eines der brutalsten, actiongeladensten Comicdebüts aller Zeiten! Auch Luther Strode war ein Debüt, der erste lange Comic des Kreativteams Justin Jordan und Tradd Moore und laut eigener Aussage eine Zeitenwende, weil – wohl eher untypisch – sie eine Geschichte erzählen konnten, die sie wollten, die so aussah, wie sie es wollten und die so endete, wie sie es wollten. Und diese Geschichte ist sowohl brutal als auch actiongeladen; nie habe ich bisher einen Comic gelesen, der blutrünstiger und gewaltsamer war als dieser. Bevor ich weiter aushole, sollte ich mal kurz beschreiben, worum es eigentlich geht.


... das als Mordkult bis zu den Anfängen der Menschheit zurückreicht.


Luther Strode, der bei seiner schüchternen Mutter lebt und in Peter einen einzigen Freund hat, ist ein schmächtiger, ein klein wenig verklemmter und gemobbter Teenager, der weiß, dass er etwas ändern muss, irgendetwas versuchen muss, um nicht mehr klein und mickrig zu sein. Und genau da kommt das »Herkules Programm« in sein Leben, ein Leitfaden, den Geist, den Körper und die Seele auf ein Ziel auszurichten – mit nicht vorhersehbaren Folgen. Der hagere Nerd verwandelt sich in einer rasanten Metamorphose zu einem Kämpfer mit außergewöhnlichen Talenten: unglaublichen Reflexen, einem siebten Sinn für Gefahren und übermenschlicher Stärke. Luther, der mittlerweile mit der lebenslustigen und etwas derben Petra zusammen ist, entwickelt sich mit der Zeit zu einer lebenden Legende, die Verbrecher und Bösewichte in Angst und Schrecken versetzt.

Mit den ersten Erfolgen als Superheld bekommt er es aber auch mit ganz neuen Gegnern zu tun. Der erste dieser neuen Kontrahenten ist der Bibliothekar, ein Mann, der scheinbar ähnliche Kräfte hat wie Luther selbst und rein aus Spaß an der Freude Menschen umbringt, der das Töten gut findet und es als Quell von Weisheit und Perfektionismus ansieht. Der Bibliothekar scheut aufgrund seiner eigenen Philosophie auch nicht davor zurück, alles Leben im persönlichen Umfeld von Luther auszulöschen – mit einer Ausnahme. Petra überlebt das Gemetzel und wird immer mehr zum überlebenswichtigen Sidekick von Luther. Mit dem Kampf gegen den Bibliothekar verändern sich Luther und seine Freundin zusehends. Während Luther versucht, der Gewalt und dem Töten abzuschwören, wird Petra immer extremer. Luthers Wille zum Gewaltverzicht fällt bei ihr nicht auf fruchtbaren Boden. Bis zum finalen Kampf gegen Kain, den Urvater der »Herkules«-Philosophie, ist es noch ein weiter Weg und der ist blutig.


Dabei bekommt es Luther mit Gegnern wie dem Bibliothekar zu tun ...

Und blutig geht es zu auf fast den gesamten 500 Seiten, in allen drei Kapiteln. Das ist einerseits von der ersten bis zur letzten Seite irgendwie faszinierend, sodass man den Band kaum aus der Hand legen kann, andererseits wird es dann auch mal zu viel.

Daran kann auch die – aus meiner Sicht – Küchenphilosophie nichts ändern, die im letzten Kapitel den Kampf des Guten gegen das Böse beherrscht und so zu den eingangs erwähnten Zitaten führt. Der Bezug zur Bibel (Kain und Abel, das Böse gegen das Gute) hat schon etwas Triviales wegen der Offensichtlichkeit und der unterschiedlichen Hinweise auf eine jahrhundertelange Historie.


... und Luthers Freundin Petra wird immer brutaler.


Zeichnerisch liegt das Ganze irgendwie zwischen Todd McFarlanes Spawn und einem Manga. Luther kämpft sich im Stil eines Spawn durch die blutigen Auseinandersetzungen. Petra – irgendwie in einem Paralleluniversum – sowohl erzählerisch als auch zeichnerisch, macht eine viel extremere Metamorphose durch, die sich vor allem in Aussehen und Mimik der einstigen eher unbedarften und prolligen Schülerin widerspiegelt.

Bleibt als Fazit, dass Luther Strode ein wirklich kurzweiliges Vergnügen ist, das mit zunehmendem Lesen – vor allem im letzten Kapitel, dem »Vermächtnis des Luther Strode« – einen gewissen schalen Beigeschmack hinterlässt.

[Stephan Schunck]

Abbildungen © 2022 Cross Cult / Justin Jordan, Tradd Moore


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