Frisch Gelesen Folge 62: Blake und Mortimer 20

Blake und Mortimer

»Es warten noch mehr Überraschungen auf Sie, Captain! Folgen Sie mir?«


FRISCH GELESEN: Archiv


Blake und Mortimer Band 20 Titelbild

Die Abenteuer von Blake und Mortimer Band 20: »Der Stab des Plutarch«

Story: Yves Sente
Zeichnungen: André Juillard

Carlsen Verlag
Softcover | 64 Seiten | Farbe | 12,00 €
ISBN: 978-3-551-02340-7

Genre: Science Fiction, Abenteuer, Spionage

Für alle, die das mögen: Hans Dominik, Ligna Claire, E.P. Jacobs, James Bond, Valhardi, Verschlüsselungstechniken


 

Blake und Mortimer ist eine der ganz klassischen Serien aus dem frankobelgischen Sprachraum und mittlerweile mit einem ganzen Gebäude an Abenteuern von verschiedenen Autoren/Zeichnergespannen versehen, die längst nicht mehr einer klassischen Chronologie folgen. In diesem Jahr soll zu den beiden zurzeit alternierend schreibenden Teams gar ein drittes unter Beteiligung von François Schuiten dazukommen.

Wie steht es aktuell um das Heldenduo von Edgar P. Jacobs? Bei dem neuen 20. Band von Blake und Mortimer (»Der Stab des Plutarch«) handelt es sich, und das vorweg, um eine gelungene Fortführung eines Klassikers der 2016 seinen 70. Geburtstag feiern kann, weshalb mit dieser Besprechung ein Blick auf den Stand der Dinge geworfen wird.

Der neuste auf Deutsch bei Carlsen erschienene Band ist eine wirklich gelungene Reminiszenz an die Ursprünge der Serie. Während Jugendabenteuer immer mal wieder als Spin-off ausgebaut werden, um neben oder anstelle der offiziellen Chronologie weitere Inhalte platzieren zu können, folgt das Konzept dieser Reihe seit der Erneuerung durch neue Teams dem Schließen von Lücken in E.P. Jacobs' ursprünglicher Geschichte. Dabei ging es bisher eher um die Erschließung von weißen Flecken in der inneren Chronologie der Serie, die aber ansonsten dem Prinzip folgten, dass die Helden mit der Zeit altern.

Mit »Der Stab des Plutarch« wird erstmals die direkte Vorgeschichte eines klassischen Stoffes beschrieben. Dem Duo Yves Sente und André Juillard gelingt es dabei sehr gut, den etwas altertümlichen Charme der Geschichte zu modernisieren, ohne auf die Grundzüge der Serie zu verzichten. Der Zeichenstil orientiert sich dabei allerdings eher an den späteren Alben von Jacobs; die Reminiszenzen in Sachen Flächigkeit und Farbgebung an Flash Gordon, die besonders das erste Album des »Kampf um die Welt« von Jacobs geprägt haben, sind genauso wenig enthalten wie die eingestreuten ganzseitigen Abbildungen. Andererseits steht das (mittlerweile nicht mehr) neue Gespann auf viel erklärenden Text und übervolle Sprechblasen.

Blake und Mortimer Band 20 Leseprobe

Flieger über England: Blake und Mortimer zurück im Jahr 1944

Die Geschichte zeigt Francis Blake als Luftwaffenoffizier im Zweiten Weltkrieg. Er ist im Mittelmeer eingesetzt, wird aber kurzfristig nach London abkommandiert, um einen deutschen Angriff mit einer Horten auf das Parlamentsgebäude abzuwehren. Blake übernimmt dazu die experimentelle »Golden Rocket«, die eigentlich noch gar nicht einsatzfähig ist.

Hier zeigt sich die Fähigkeit Juillards, Luftschlachten und Flugmaschinen aus den 1940er und 1950er Jahren darzustellen, besonders deutlich. Bei dem Angriff wird ein englischer Offizier des britischen Geheimdienstes MI5 getötet, dessen Aufgaben Blake im Folgenden übernehmen muss. Damit ist auch der bisher noch nicht beschriebene Übertritt Blakes aus der RAF in den Secret Service erklärt. Im Zuge der Geschichte treffen sich Blake und Professor Mortimer erneut in Scaw-Fell, wo Professor Mortimer an den Arbeiten des Baus des Tiger-Hais beteiligt ist.

Blake und Mortimer Band 20 Leseprobe

Der chronologisch erste Auftritt eines gewissen Olrik

Auf dem geheimen Gelände befindet sich auch Colonel Olrik als Spezialist für slawische Sprachen, der sich im weiteren Verlauf als Agent des aufstrebenden tibetanischen Diktators Basam-Dandu entpuppt. Seine Aufgabe ist es, mithilfe von verschiedenen Spionen die Weltkriegsparteien sich gegenseitig so stark wie möglich schwächen zu lassen, um dann die Überbleibsel umso leichter angreifen und besiegen zu können. Dabei werden verschiedene altertümliche Verschlüsselungstechniken wie eben auch der namensgebende »Stab des Plutarch« benutzt und ausführlich erklärt.

In einem spannenden Handlungsbogen geht es darum, die Deutschen glauben zu lassen, dass der Angriff der Westmächte auf Deutschland nicht in der Normandie, sondern im Mittelmeer stattfinden wird, um die Verteidigungskräfte falsch zu planen. Natürlich scheitert der Plan beinahe …

Blake und Mortimer Band 20 Leseprobe

André Juillard mit dem Jacobs-Feeling in den Fingern: klassische klare Linie

»Der Stab des Plutarch« ist eine klassische Spionagegeschichte, die mit falschen Identitäten und moralischen Überzeugungen spielt. Luftkämpfe und direkte körperliche Auseinandersetzungen, die der Erklärung der eigenen Motivation dienen, sind genauso vorhanden wie technische Beschreibungen der eingesetzten Waffentechnologien.

Der Comic verzichtet aber auf das heutzutage gewohnte Piff-Puff-Bäng, das im Film als special effect mittlerweile nicht mehr wegzudenken ist. Auch körperbetonte Darstellungen der Akteure oder bildhafte Darstellungen von Gewalt oder gar blutüberströmte Leichen findet der Leser hier nicht. Insofern handelt es sich immer noch fast um eine heile Welt, die hier beschrieben wird. Dass der Comic von Carlsen trotzdem erst ab 14 Jahren empfohlen wird, hat eher mit den doch notwendigen Kenntnissen und Vorlieben der angepeilten jungen Leser bezüglich Technik zu tun.

Blake und Mortimer Band 20 Leseprobe

Ganz im Sinne des Erfinders: Ligne Claire mit viel Text und »sauberer« Gewalt

Vom Stil her bewegt sich Juillard hier ganz auf Linie der Ligne Claire. Das klassische 3x3 in der Seitenaufteilung wird aber ständig aufgebrochen, indem einzelne Zeilen (teilweise) geteilt werden so dass auch dadurch Spannung und Tempo variieren.

Insgesamt eine Empfehlung für alle Liebhaber des Traditionellen. Gut komponierte Geschichte und ruhiger aber spannender Fluss. Hollywood-gemäße Spezialeffekte oder grafische Überraschungen findet man hier allerdings erwartungsgemäß nicht.

Dazu passt unaufgeregte ältere Musik wie etwa Fleetwood Mac oder der alte Bruce Springsteen und natürlich ein mindestens 12 Jahre alter Cardhu!

[Sven Krantz-Knutzen]

Abbildungen © 2015 Carlsen Verlag / Editions Blake & Mortimer / Studio Jacobs


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