Frisch Gelesen Folge 204: Aldobrando

Aldobrando

»Er hat ihm das Genick gebrochen und beinahe den Kopf abgerissen. So etwas sieht man nicht alle Tage.«


FRISCH GELESEN: Archiv


Das Titelbild von Aldobrando

Aldobrando

Story: Gipi
Zeichnungen: Luigi Critone

Carlsen Comics
Hardcover | 208 Seiten | Farbe | 28,00 €
ISBN: 978-3-551-75106-5

Genre: Fantasy

Für alle, die das mögen: Mittelalter, unschuldig-sympathische Helden


 

Bei Carlsen ist ein neuer Fantasycomic erschienen. Okay. Gehen wir weiter. Es gibt nichts zu sehen.

Aber halt! Die Story ist von Gipi? Und wer hat den Comic gezeichnet? Luigi Critone! Das hat ausgereicht, damit ich mir dieses Stück Neunte Kunst dann doch genauer angeschaut und mit zunehmender Begeisterung gelesen habe. Denn es handelt sich bei Aldobrando um eine wahre Perle.

Vordergründig hat Max-und-Moritz-Preisträger Gipi (Die Unschuldigen, Die Welt der Söhne) eine Art Fantasy-Mär mit Mittelalter-Flair geschrieben. Es ist die Geschichte von Aldobrando und er ist der letzte seines Geschlechts. Er wurde als Kind bei einem alten Zauberer abgegeben, als sein Vater in einen ausweglosen Kampf mit dem Schurken Branco Witwenschänder ziehen musste. Dort wächst er ziemlich weltfremd heran, bis er schließlich als junger Mann für einen Unfall während der Zubereitung eines Zaubertranks verantwortlich ist. Dabei kratzt eine Katze dem Zauberer ein Auge aus. Um ihn vor Erblindung zu retten, muss Aldobrando, der von Tuten und Blasen keine Ahnung hat und quasi die Verkörperung des Begriffs »Blauäugigkeit« ist, das traute Heim verlassen, um die Heilpflanze Wolfskraut zu suchen.

Eine abenteuerliche Reise, auf welcher der einfältige Aldobrando nicht nur mit den Widrigkeiten der Natur kämpfen muss, beginnt ...

Leseprobe Aldobrando

Unheil droht: Eine Zutat des Zaubertranks macht sich selbständig.


Was Gipi da an Handlung ausrollt, ist einerseits mustergültiges Märchenmaterial – von der todtraurigen, schönen Prinzessin über den gefräßigen, übergewichtigen König bis zum durchtriebenen, fiesen Strippenzieher – und andererseits eine höchst gelungene Mischung aus all dem, was man glaubt, irgendwo schon einmal gelesen oder gesehen zu haben. Aber mit dem einen oder anderen überraschenden Twist.

Aldobrando ist der ultimative Naivling, der geistig sehr schlicht gestrickt und körperlich adäquat schwach gebaut ist. Er ist die personifizierte Unschuld, die sich jedoch durch nichts von ihrem Weg abbringen lässt. Und dadurch wird er zum unfreiwilligen Helden der Erzählung, auf den man natürlich keinen Pfifferling setzen würde, dem man aber trotzdem beide Daumen drückt, damit er Erfolg hat.

Leseprobe Aldobrando

Wenig Gegenwehr: Aldobrando ist leicht einzufangen.


Wäre dieser umfangreiche Comic damals als Fortsetzungsgeschichte in einem Magazin wie Zack, Pilote oder auch dem frühen Schwermetall erschienen, die Leser hätten diese Periodika schon alleine wegen Aldobrando gekauft. Und man hätte auf den Sammelband hingefiebert, den man nur im großformatigen Hardcoverformat akzeptiert hätte.

Denn die Zeichnungen von Luigi Critone, der im Frühjahr 2021 seinen Einstand als Nachfolger von Enrico Marini bei Der Skorpion gibt, sind richtig schön anzusehen. Da stimmt nicht nur die Anatomie oder die Ausdruckskraft der Gesichter, sondern auch der Flow. Nicht ganz unschuldig an dem optischen Hochgenuss ist die Kolorierung des Duos Francesco Daniele und Claudia Palescandolo, weshalb ich diese hier extra erwähne.

Leseprobe Aldobrando

Schräge Bekanntschaft: Unschuld trifft auf zweiundsechszigfachen Mörder.


Somit hat man bei Carlsen alles richtiggemacht: eine spannende, abwechslungsreiche Abenteuergeschichte mit begeisternden Zeichnungen im Großformat zu einem guten Preis.

Fazit: Uneingeschränkt empfehlenswert, nicht nur für Fantasyfreunde, sondern für alle Fans von Comicabenteuern.

[Matthias Hofmann]

Abbildungen © 2020 Carlsen Comics / Gipi / Luigi Critone


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Oder beim Verlag: Carlsen Comics