»Ich befürchte, wir müssen es noch eine Weile miteinander aushalten.«
FRISCH GELESEN: Archiv
Story: Marc-Uwe Kling
Zeichnungen: Bernd Kissel
Carlsen
Hardcover | 80 Seiten | Farbe | 20,00 €
ISBN: 978-3-551-80572-0978-3-551-80572-0
Genre: Humor, Funny, Satire, Science Fiction
Für alle, die das mögen: Asterix, Funnys, Die Känguru-Chroniken, Big Tech, Spirou & Fantasio, Futurama, Space Force
Milliardenschwere Tech-Bros mit weltbekannten Unternehmen – das ist ein faszinierendes Thema. Daraus lassen sich brillante Filme machen wie Ex Machina (2014) oder eine unfassbar lustige Comedyserie voller Einblicke ins disruptive Unternehmertum in Kalifornien wie die HBO-Serie Silicon Valley (2014–2019).
Marc-Uwe Kling, der Schöpfer der sehr erfolgreichen, klugen und sehr lustigen Känguru-Hörbücher, widmet sich in seinen Werken oft und pointiert der politischen Satire, der Kritik am Kapitalismus, und zwar nicht auf eine mitunter sehr altbackene Art wie sie Fernsehsendungen wie Der Scheibenwischer, Mitternachtsspitzen oder Die Anstalt praktizieren, sondern durch eine erfrischende Mischung aus Comedy und Kabarett. Klar, dass Klings Komik vor milliardenschweren Tech-Bros nicht Halt macht. Kling hat in den amüsanten SF-Romanen Qualiytland bereits »The Shop« persifliert; eine offensichtliche Verballhornung von Amazon, dem Unternehmen von Jeff Bezos. In dem deutlich düsteren Thriller Views führte uns der Wahlberliner vor, welchen Schaden ungefilterte Falschmeldungen in Sozialen Netzwerken anrichten können, etwa auf X, ehemals Twitter, von Elon Musk.
Treue Leser Klings kennen die Comicstrips von Bernd Kissel und Kling, vor allem die zum Känguru, aber auch zu Elon & Jeff on Mars, der seinen Anfang als Comicstrip in den Känguru-Comicstrips nahm. Nun ist ein 80-seitiger Comic mit einer zusammenhängenden Geschichte erschienen, welche das Team auch live auf einige Bühnen der Republik führte.
Der Comic erzählt eine 66 Seiten lange Geschichte, die restlichen Seiten sind hübsch gemachtes und informatives Bonusmaterial. Um wen es geht, ist offensichtlich, denn Kling hat die Namen seiner zwei Protagonisten nur minimal verändert. Jeff Jezos will der erste Mann auf dem Mars sein. Zu seiner Enttäuschung hat sein Konkurrent Elon Dusk bereits eine Station auf dem Roten Planeten errichtet. Die beiden Männer verbringen nun, auch mangels Alternativen, sehr viel Zeit miteinander in einer Art Luxus-Wohngemeinschaft. In ihren Gesprächen geht es oft darum, wer von beiden reicher ist und wie das Geld wohl eingesetzt werden kann.
Wer bereits ein, zwei Biografien von Elon Musk und Jeff Bezos gelesen und sich generell mit den Unternehmen und Werdegängen der beiden beschäftigt hat, sollte die Erwartungen an diesen Comic stark senken. Im Grunde folgt Kling erneut dem Muster seiner Känguru-Geschichten: Zwei verschrobene Figuren werfen sich Dialoge um die Ohren und verbringen sehr viel Zeit auf dem Sofa. Immer wieder wird das Parteiprogramm der Linken aufgesagt (»Milliardäre dürfte es nicht geben«), und es gibt vor allem Slapstick statt sorgfältiger, subtiler Gags. Das ist wirklich sehr enttäuschend und leider nie auch nur halb so lustig wie die Känguru-Geschichten. Am erfreulichsten sind die sehr schmucken Bilder von Bernd Kissel. Das Design der Raumstationen der beiden Superreichen changiert zwischen 1960er-Mad-Men-Salons über Star Trek bis zu Star Wars. Und ganz viel Inspiration lieferte offensichtlich der Kinofilm Der Marsianer (2015) mit Matt Damon – hier böte sich noch einiges Potenzial an für bessere Gags und tiefgründigere Dialoge, geht die Handlung des Comics doch relativ intensiv auf diesen Film ein.
Warum sollte die Menschheit ins All reisen, statt zuerst den eigenen Planeten zu retten? Und würden Menschen dort nicht dieselben Fehler erneut begehen? Im Comic scheint es so, hier wird sehr sorglos alles vollgemüllt. Zu den Sticheleien von Jeff und Elon gehört es, sich aus unangenehmen Aufgaben wie dem Abwasch freizukaufen. Ob Kling Jeff Bezos die Arbeit übernehmen lässt, weil dieser bei Amazon als besonders sparsam galt, bleibt unklar. Im Mittelpunkt stehen oberflächliche Beobachtungen und Gags zum Kiffen und anderem Drogenkonsum Musks. Zu aktuell, politisch oder bissig wird der Ton des Comics nie. Jeff knuddelt gerne mit seinem Teddybären und Musks Flirts mit dem Faschismus werden lediglich am Rande gestreift. Es bleibt der Eindruck, dass ganz viele Möglichkeiten für kluge Beobachtungen und lustige Witze liegen gelassen wurden.
Der Comic scheint sich eher an Kinder zu richten. Wie wunderbar war im Vergleich der vor vielen Jahren erschienene Comic Hipster Hitler, die bereits gelobte TV-Serie Silicon Valley oder auch der Film The Social Network (2010) über Facebook; das Unternehmen heißt in diesem Comic übrigens Fakebook und der Erfinder der Seite wird Suckerzwerg genannt. Als wäre das noch nicht schlimm genug, wird Didi Hallervordens grenzdebiler »Palim Palim«-Sketch auch noch verwurstet. Zumindest ist aber die Schlusspointe des Comics nett. Doch selbst der finale Gag, der an dieser Stelle nicht verraten wird, wurde andernorts schon besser umgesetzt. Beispielsweise hatten Die Simpsons in einer ungleich lustigeren Folge die Verbannung all der Pöbler, Prepper und Populisten thematisiert und damit wunderbar auf den Punkt gebracht, wie schön die Welt sein könnte, wenn wir uns mit den Unsympathen gar nicht erst befassen müssten.
Elon & Jeff on Mars ist so dünn wie die Atmosphäre auf dem Mars. Dafür aber sehr sehenswert gezeichnet. Und die Möglichkeit einer Fortsetzung ist eindeutig gegeben, die sollte allerdings mehr Tiefgang bieten. Die Steilvorlagen liegen buchstäblich auf der Straße: Stichwort Cybertruck-Präsentation, angeblich hervorragende selbstfahrende Autos, eine peinliche Hochzeit in Venedig mit dem eingeflogenen »Umweltaktivisten« Leonardo DiCaprio etc. Manches davon wird zwar beiläufig erwähnt oder zu platten Running Gags verarbeitet, wenn sich etwa die Figuren pausenlos die Köpfe an den Flügeltüren ihres Mars-Rovers stoßen. Aber das geht in der Wüste der Tristesse und Versuchen, krampfhaft witzig sein zu wollen, unter.
In den schlechtesten Momenten ist dieser Comic dann leider doch in die Kategorie Kabarett aus der Mottenkiste einzuordnen: belehrend, sich lustig machend, aber nie Lösungen, Alternativen oder gar selbstkritische Zwischentöne anstimmend. Es könnte das Publikum ja womöglich überfordern. Schade um die vertane Chance, zeigt uns der Blick in die Welt doch gerade: Humor als Mittel des Widerstands wird dringender gebraucht denn je. Im Zweifelsfall darf's aber lieber der Humor eines Max Goldt, Loriot oder Hauck und Bauer sein als harmlose Kiffer-Witzchen über eine Milliardärs-WG auf dem Roten Planeten.
[Stefan Svik]
Abbildungen © Marc-Uwe Kling & Bernd Kissel / Carlsen Verlag GmbH Hamburg 2025
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