»Ich bin dir so dankbar für alles, was du für unsere Familie tust. Ich weiß das wirklich sehr zu schätzen.«
»Ich danke dir, das bedeutet mir viel. Aber ich brauche mehr als Anerkennung.«
FRISCH GELESEN: Archiv
Story: Mary Catherine Starr
Zeichnungen: Mary Catherine Starr
Dumont
Hardcover | 304 Seiten | Farbe | 28,00 €
ISBN: 978-3-75582-015-4
Genre: Ratgeber, Autobiografie
Für alle, die das mögen: Wie du erfolgreich wirst, ohne die Gefühle von Männern zu verletzen
Dass Carearbeit in Familien hauptsächlich von Frauen geleistet wird, ist weitgehend bekannt und wird auch vielerorts offen diskutiert. Und auch wenn der Begriff Doppelbelastung schon lange die Situation von modernen Müttern umschreibt, hat die Corona-Pandemie der gesamten Thematik eine völlig neue Dynamik gegeben. Viele Mütter sind unter der schieren Last der multiplen Belastung komplett zusammengebrochen. So hat das auch Mary Catherine Starr empfunden. Sie ist US-Amerikanerin und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern (beide jünger als zehn Jahre) auf Cape Cod. Sie ist Künstlerin und Grafikdesignerin und arbeitet selbstständig als Yogalehrerin. Schon während ihres Studiums hat sie kleine cartooneske Zeichnungen erstellt, ohne jedoch damit ein Ziel zu verfolgen. Erst die Pandemie und die damit verbundenen Lockdowns haben sie dazu bewegt, eine Art Comictagebuch über ihr Leben als Mutter zu führen und diese Zeichnungen auf ihrem Instagram-Account @momlife_comics als Ventil für sich hochzuladen.
Hat sie anfänglich nur für einen engen Kreis an Freund:innen und Bekannten gepostet, bescherten ihr eine bestimmte Reihe von Comics plötzlich einen enormen Zuwachs an Follower:innen. In dieser Reihe stellte sie das Verhalten eines Vaters demselben Verhalten einer Mutter gegenüber und benannte, wie unterschiedlich die Gesellschaft diese beiden dabei wahrnimmt. So ist der Vater, der mit einer Tüte voller Fast Food heimkommt, der Spaß-Papa und die Mutter die faule Mama. Der Vater, der das Kind auf dem Spielplatz an der Schaukel anschubst, ist der Vorzeige-Papa, die Mutter eine ganz normale Mutter. Noch viele weitere Vergleiche sind ihr eingefallen und einer nach dem anderen trifft den Nagel präzise schmerzhaft auf den Kopf.
Treffende Vergleiche, an die viele Mütter andocken können.
Viele Mütter erkannten sich und ihre Situation in Starrs Cartoons wieder und begannen, über die sozialen Medien in eine rege Diskussion mit ihr und untereinander zu treten. Der Ausdruck Comic Relief wurde hier auf verschiedensten Ebenen ganz konkret – nicht nur Starr selbst konnte sich ihren Frust von der Seele zeichnen, viele Mütter und Ehefrauen fanden eine komische Erleichterung in den Comics. Beflügelt durch die enorme Rückmeldung und den Erfolg begann die Illustratorin, sich intensiver und fundamentaler mit den Thematiken Mental Load und ungleiche Arbeitsteilung innerhalb zweigeschlechtlicher Paarbeziehungen auseinanderzusetzen. Hieraus resultierte irgendwann die Idee zu dem Buch Mama braucht 'ne Pause.
Darin arbeitet Starr autobiografisch ihre Beziehung auf, angefangen vom Kennenlernen und der kinderlosen Zeit, in der alles noch so gleichberechtigt erschien, über die Schwangerschaft und das Kinderkriegen bis hin zum Istzustand. Sehr präzise und pointiert stellt sie dar, wie es in ihrer Familie so kommen konnte, wie es ist, nämlich alles andere als ausgewogen und gleichberechtigt, obwohl sich doch beide wirklich bemüht haben.
Der Vergleich eines typischen Tags, der für den Vater wie hier gezeigt beginnt ...
... für die Mutter hingegen so ausschaut.
Interessant ist hierbei der Zeichenstil. Bilder zwischen längerem Fließtext sind wie Sofortbildkamera-Fotos dargestellt, was dem Ganzen noch mehr Realismus und Nahbarkeit verleiht. Der spannendste Kunstgriff ist jedoch, dass Starr Gesichter generell leer lässt. Man sieht keine Augen, keinen Mund, keine Nase. Nur eine dem Hauttyp entsprechend gefärbte Fläche. Und gerade diese Leerstellen ermöglichen es beim Lesen, direkt in den Charakter zu schlüpfen und ihn empathisch wahrzunehmen. An keiner Stelle wirkt es verstörend oder merkwürdig, vielmehr macht es die Erzählungen förmlich fühlbar.
In erster Linie ist Mama braucht 'ne Pause eine sehr persönliche Geschichte, die aber erstaunlich viel Allgemeingültigkeit besitzt und die, wie Starr durch die vielen Rückmeldungen von Müttern aus der ganzen Welt erfahren hat, nicht nur die Realität von weißen US-amerikanischen Mittelschichtfrauen widerspiegelt. Zum Ende des Buches versucht sie sich an Lösungs- und Änderungsvorschlägen und hier muss erwähnt werden, dass diese für sie aus einer finanziell gut aufgestellten Familie funktionieren mögen, aber bei Weitem nicht bei allen so werden funktionieren können. Denn ihre Lösungsansätze belaufen sich primär auf Dinge, die eines gewissen monetären Hintergrunds bedürfen. Meine Wäscheberge in den Griff zu bekommen, indem ich sie outsource (sprich: eine Wäschefrau [sic!] habe), ist eine hübsche Idee, die ich mir aber auch leisten können muss. Gedanken, dass der Ehemann weniger arbeiten könnte, um mehr in der Familie anwesend zu sein, werden mit dem wirklich sehr, sehr wichtigen Beruf des Mannes weggewischt. Starr versucht also nicht die Welt umzukrempeln, sondern nur ihr Leben gangbar zu machen und anderen Frauen das Gefühl zu geben, dass sie nicht allein sind.
Was vielen Männern wie Ben zu fehlen scheint, ist Einfühlungsvermögen.
Das ist witzig und für den Moment erleichternd. Aber die, die dieses Buch wirklich lesen sollten, sind die Väter und Ehemänner, die all die Unsichtbarkeit, die Starr in Cartoons packt, nicht wahrnehmen. Die können das doch lesen, wenn sie das nächste Mal für eine halbe Stunde aufs Klo verschwinden, während die Mama den Rest wuppt.
[Mechthild Wiesner]
Abbildungen © 2025 Dumont / Mary Catherine Starr
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