Frisch Gelesen Folge 115: Calypso

»Wie in der guten alten Zeit. Aber den Zug lassen wir heute weg. Und die Schule auch. Gott sei Dank! Hahaha!«


 FRISCH GELESEN: Archiv


Calypso

Story: Cosey
Zeichnungen: Cosey

Salleck Publications
HC | 102 Seiten | s/w | 20,00 €
ISBN: 978-3-89908-693-5

Genre: Liebesgeschichte und Krimi
Nicht nur für Leser: von Corto Maltese und Alack Sinner


 

Gustave »Gus« Muverna, ein sechzig Jahre alte Bauarbeiter, und seine Kollegen sehen abends in einer Bar den legendären Film Calypso mit der verstorbenen Georgia Gould, dem Sexsymbol vergangener Tage. Gus erzählt, dass er in jungen Jahren mit Georgette Schwitzgebel, so der ursprüngliche Name von Georgia, ein sehr inniges Verhältnis hatte, das ein abruptes Ende fand, als sie für den Film entdeckt wurde und in die USA ging. Als die Bautruppe zur nächsten Arbeit zur Staumauer Grande Dixence in die Schweiz weiterzieht, erfahren sie durch einen Zeitungsartikel, dass der ehemalige Hollywoodstar nicht gestorben ist und in einer luxuriösen und diskreten medizinischen Einrichtung, dem Edelweiß, spezialisiert auf die Behandlung von Suchterkrankungen, untergebracht ist.

Gus zögert nicht eine Sekunde, seine alte Liebe in der Region ihrer Kindheit zu besuchen. Gezeichnet vom Alter hat Georgia noch zwei Wünsche, einmal noch New York zu sehen und abzutreten wie Calypso, versinken auf dem Grund des Ozeans. Da sie sich von ihrem behandelnden Arzt Doktor Beat Niederhauser übervorteilt fühlt, schmieden Gus, Georgia und Pepe, ein Arbeitskollege, einen raffinierten Plan, um an Geld zu kommen und Georgia bei der Umsetzung ihrer Pläne zu unterstützen. Obwohl alles reibungslos verläuft, soll sich nur einer der Wünsche des alternden Stars erfüllen.


Verführung im TV: der legendäre Film Calypso.

Cosey, am 14. Juni 1950 in der Nähe von Lausanne geboren als Bernard Cosendai, hat unzählige Comics veröffentlicht, ist aber durch seine Serie Jonathan, die 1975 startete, und Auf der Suche nach Peter Pan (1987) einem breiten Publikum bekannt geworden. Während Jonathan noch stark autobiografische Züge trägt, beschäftigt sich Cosey seit 1985 eher mit Comicromanen mit unterschiedlichen Hauptfiguren – Hauptfiguren wie Gus und Georgia, die sich gemeinsam auf eine Reise in die Vergangenheit begeben und dabei von der Gegenwart eingeholt werden.

Dabei lässt Cosey den Leser direkt an der Gefühlswelt von Gus, die während der Geschichte einige Hochs und Tiefs erfährt, teilhaben. Wird Gus anfangs von seinen Arbeitskollegen wegen der angeblichen Affäre mit Georgia noch verlacht, fühlt der Leser mit ihm, freut sich mit ihm, als er die unerwartete Chance bekommt, seine alte Liebe noch einmal wieder zu sehen, und leidet auch mit ihm, wenn er sie – von den Eskapaden der Vergangenheit gezeichnet – wieder sieht.

 
Alte Liebe: Georgia Gould heißt eigentlich Georgette Schwitzgebel und ist Gus wohlbekannt.

Cosey unterstützt diesen Wechsel zwischen Hoffnung, Melancholie und Optimismus und nicht zuletzt einen Genrewechsel zwischen Liebesgeschichte und Krimi durch für ihn ungewohnte Schwarz-Weiß-Zeichnungen. Es scheint fast so, als hätte er nur auf Calypso gewartet, um endlich von der gewohnten Farbigkeit abzulassen und die Geschichte in Schwarz und Weiß mit einfachen Zeichnungen und starken Linien zu erzählen und sich damit an Werken von Hugo Pratt, Jacques Tardi, José Muñoz oder Milton Caniff zu orientieren.

 
Ungewohnte Schwarz-Weiß-Zeichnungen: Gus und sein Kollege Pepe in der Kneipe.

Die Originalidee von Calypso stammt von François Mattille, einem langjährigen Freund von Cosey. Während Mattille in der Vergangenheit Cosey oft ausgeholfen hat, wenn dieser mit einer Geschichte nicht weitergekommen ist, sind dieses Mal die Rollen vertauscht. Cosey hat Mattilles Idee aufgegriffen und zu Ende geführt. Wie die Geschichte wohl sonst ausgegangen wäre?

Mit Calypso hat sich Cosey, der noch lange nicht zu den alternden Stars der Branche gehört, stilistisch in eine neue Richtung entwickelt, die sich an großartigen Vorbildern orientiert, ohne sie zu kopieren. Auf dem Meeresgrund muss dieser Comic wirklich nicht versinken.

[Stephan Schunck]

Abbildungen © 2019 Salleck Publications


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