Frisch Gelesen Folge 178: The History of EC Comics

»So how did EC comics ascend from their humble beginnings to become some oft the most celebrated – and most reviled – comic books of all time? Read on, if you dare!«

(»Wie sind EC Comics von ihren bescheidenen Anfängen zu den berühmtesten – und am meisten verleumdeten – Comics aller Zeiten aufgestiegen? Lesen Sie weiter, wenn Sie sich trauen!«)


FRISCH GELESEN: Archiv


The History of EC Comics

Story: Grant Geissman
Zeichnungen: diverse

TASCHEN
Hardcover (im Karton) | 592 Seiten | Farbe | 150,00 €
ISBN: 978-3-8365-4976-9

Genre: Sekundärliteratur

Für alle, die das mögen: Hintergründe und Historie von Verlagen, Serien und der Neunten Kunst im Allgemeinen


Ich habe EC Comics sehr spät für mich entdeckt. Irgendwann Ende der 1990er-Jahre ergatterte ich auf dem Flohmarkt eine völlig abgegriffene Ausgabe von Der beste Horror aller Zeiten aus dem Williams Verlag. Geschichten wie »Meisterrasse« (im Original: »Masterrace«) schlugen mich sofort in ihren Bann. Ich begann, mich mehr für den EC-Verlag zu interessieren und stieß auf Dr. Fredric Wertham, den Comics Code und einen Artikel aus dem Spiegel von 1951: »Opium der Kinderstube«. Hier ging es unter anderem um den Streit um EC Comics in den USA. In dessen Mittelpunkt versuchte der Psychologe Wertham, anhand statistischer Auswertungen die Gefährlichkeit von Comicheften nachzuweisen. Der Spiegel griff die amerikanischen Verhältnisse unreflektiert auf und schilderte die Entstehung des Massenphänomens, nannte typische Vertreter und beschrieb die drastischen Auswirkungen der »Comic-Sucht«: »Die Comic-Sucht ist so groß, daß während eines Zeitungsstreiks den um ihre täglichen Comics zitternden New Yorkern die Fortsetzungen am Radio beschrieben und vorgelesen wurden.« Ein derartig konservatives Kulturverständnis fiel in der Bundesrepublik in den prüden 1950er-Jahren auf ausgesprochen fruchtbaren Boden und für mich reichten diese Zeilen aus, um fortan alles zu verschlingen, was es über den EC-Kosmos zu lesen gab.


Der XXL-Band von Taschen begeistert durch mehr als 1.000 Abildungen wie dieser ...


Gut 20 Jahre nach meinem Flohmarktkauf liegt nun endlich ein umfassendes, reich bebildertes, bibliophiles Kompendium zum EC-Verlag vor. Denn der Taschen Verlag, ohnehin bekannt für seine opulenten Comicausgaben, präsentiert jetzt die überaus faszinierende Geschichte des EC-Verlags in einem Mammutwerk. Mit 150 Euro ist der XXL-Band zwar nicht ganz günstig und reißt ein Loch ins monatliche Comicbudget, aber wir bekommen viel geboten dafür. Denn auf 592 großformatigen Seiten – 29 mal 39,5 Zentimeter – und mit einem Gewicht von über sechs Kilogramm erforscht das Kompendium die gesamte Geschichte des revolutionären Comicverlags. Einziger Wermutstropfen: Das Buch erscheint in englischer Sprache, auf eine deutsche Übersetzung hat der Verlag verzichtet.

Es sind unter anderem die Qualität der Abbildungen – und davon gibt es rund 1.000 –, die mich begeistert haben. Das liegt vor allem daran, dass die Familie Gaines die Erstellung des Bandes unterstützte. Viele der abgedruckten Titelbilder wurden von Gaines’ eigenen Archivexemplaren reproduziert, die weithin als die am besten erhaltenen Ausgaben von EC Comics gelten. So können wir über seltene und berüchtigte Cover staunen, über Innenseiten, Illustrationen, rare Fotos und Vintage-Originalzeichnungen.


... Doppelseiten wie dieser ...


Geschrieben und herausgegeben hat das Werk der EC-Experte Grant Geissman, der bereits vier Bücher über EC geschrieben hat, von denen drei für den Eisner Award nominiert waren. Geissman beginnt in der Ära von M. C. Gaines – der als einer der Gründerväter der Comicindustrie in ihrer heutigen Form gilt und maßgeblich an der Etablierung des Formats und der Einführung von Figuren wie der Green Lantern und Wonder Woman beteiligt war. Sein Einfluss ist jedoch in gewisser Weise nur der Auftakt, denn als sein Sohn Bill Gaines die Macht übernimmt, macht sich EC erst richtig einen Namen.

Geissman fragt in seiner Einleitung: »Warum sollte es einen gigantischen, gewichtigen Wälzer geben, um diese Comics zu feiern?« Die Antwort darauf gibt er sich selbst: »Einfach gesagt, weil dieser Verlag einen enormen Einfluss auf die amerikanische Popkultur hatte und es schaffte, sowohl kommerziell erfolgreich als auch kühn innovativ zu sein.« Mehr Erläuterungen bedarf es nicht. Denn der Herausgeber öffnet damit die Pforten für die Kunstgeschichte und unterstreicht die hohe Bedeutung von EC. Sehr schön auch, wie Geissman in seiner Einleitung die Brücke schlägt zu Künstlern wie Stephen King, Steven Spielberg, Robert Crumb, Terry Gilliam oder George Lucas, die alle von EC-Titeln inspiriert wurden.


... oder Covergalerien, hier von Tales from the Crypt.


Kenner von EC Comics werden hier sicherlich Bekanntes finden – aber auch Neues entdecken. Vor allem, wenn es um die Selbstzensur bei EC geht, hat der Band einiges zu bieten. Geissman arbeitet beispielsweise Titelbilder heraus, die im Zuge des Comics Code in vorauseilendem Gehorsam abgeändert wurden. So lassen sich der ganze politische Druck und die gesellschaftlichen Zwänge jener Jahre in den vielen Zeichnungen, Geschichten und Titelbildern nachvollziehen.

Der Band schließt mit einer vollständigen Covergalerie ab. In ihr sind sämtliche zwischen 1942 und 1956 veröffentlichten Cover von EC abgedruckt. Diese Galerie legt nicht nur Zeugnis ab von dem enormen Erneuerungswillen, der die Künstler hinter EC angetrieben hat, sondern zeigt auch, mit welch großer Bandbreite der Verlag am Markt tätig war.

Der Verlag kündigt den Band mit den Worten an: »Ein Muss für jeden Comic-Enthusiasten oder Popkultur-Historiker«. Wie wahr. Denn The History of EC Comics ist ein ungemein wichtiges Buch. Es unterstreicht die große Bedeutung von EC und stellt heraus, mit welcher Innovationskraft der Verlag tätig war. Ein großformatiger, bibliophiler XXL-Band, der Kunsthistorikern, Comicnerds und selbst eingefleischtesten EC-Fans viel Neues bietet.

[Bernd Hinrichs]

Alle Übersetzungen aus dem englischsprachigen Original ins Deutsche von Bernd Hinrichs.

Abbildungen © 2020 TASCHEN


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