House of Heroes: Folge 11 - Continuity

Wolverine Vs. X-Men #3 Ausschnitt

In der neuen Folge seiner US-Kolumne beschäftigt sich Stefan Immel mit dem Phänomen von kontinuierlicher Handlung im Zeitalter der Neustarts. Muss immer alles logisch sein?

House of Heroes: Staro talks about US Comicsusa48
Folge 11: Let's talk about continuity 

VON STEFAN IMMEL

Für die einen ist es der heilige Gral, für die anderen ein Schimpfwort sondergleichen. Die Rede ist von der »Continuity«. Und ja, ich benutze mit Absicht den englischen Begriff, da er mittlerweile in diesem Zusammenhang noch etwas anderes aussagt als die korrekte deutsche Übersetzung: Kontinuität. Kontinuität gibt es so auch bei europäischen Serien. Michel Vaillant hat 1974 in »Mädchen und Motoren« geheiratet und das hat bis heute gehalten. Natürlich nimmt man sich Freiheiten was das Altern der Protagonisten angeht, aber in sich bauen die Geschichten aufeinander auf.

Michel Vaillant heiratet in "Mädchen und Motoren"

Michel Vaillants Heirat hat bis heute gehalten © Graton Editeur

Bei den Superhelden der beiden großen US-Verlage ist das Ganze etwas komplizierter. Da gibt es mehrere parallel laufende Serien von Batman, der dann auch noch bei der Justice League mitmischt und einen Wolverine, der ein X-Men-Team leitet, bei zwei Avengers-Teams einspringt und noch die eine oder andere eigene Serie hat, um nur zwei Beispiele zu nennen. Die Continutiy in den beiden großen Verlagen ist durch Teambücher und Events mittlerweile so komplex, dass der Überblick sowohl bei Fans als auch bei den Redakteuren scheinbar komplett verloren gegangen ist, von den Autoren ganz zu schweigen.

Das führt DC dann auch immer mal als Grund an, warum so ein Neustart so wichtig sei, wobei der letzte Neustart genau hier keine wirkliche Klarheit geschaffen hat. Die Frage, ob Tim Drake nun irgendwann mal Robin war oder nicht, die Handlung und vor allem die gezeigten Helden von Batman Incorporated und die Tatsache, dass der Shade aus der 12-teiligen Miniserie stark auf die Geschehnisse aus Robinsons Starman aufbaut, sind alles Anzeichen dafür, dass DC sich um die Continuity nicht bis ins Detail Gedanken gemacht hat.

Bei Marvel sieht das Ganze aber auch nicht besser aus. Während Iron Man in seiner Serie eine sehr genaue Abfolge an Ereignissen durchlebt, wonach er eine neue Rüstung bekommt, diese aber auch wieder verliert, mischt er bei den Avengers in dieser neuen Rüstung mit und auch im großen Event Avengers vs. X-Men ist er dabei. Diese Ereignisse passen so einfach nicht zueinander. Über die Tatsache, dass Wolverine in zu vielen Teams dabei ist, wird mittlerweile ja schon in den Heften selbst Witze gerissen.

Avengers vs X-Men #12 Variant Cover  Shade #3

Das alles bringt dann schon mal den einen oder anderen Fan in Rage. Es wird von »unlogisch« gesprochen, von dummen Autoren, die keine Ahnung von den Charakteren haben und Redakteuren, die ihre Arbeit nicht richtig machen. Doch wie wichtig ist Continuity wirklich? Muss ein Autor sich sklavisch an alle vorangegangenen und parallel laufenden Geschichten halten, ja sie überhaupt kennen?

DC geht hier neuerdings interessanterweise zwei völlig verschiedene Wege. Zum Einen wird mit den Earth One Graphic Novels eine neue Welt gestartet, die nun wirklich aktuell vollkommen frei von allen Verknüpfungen ist und wo sich Autoren austoben können, ohne Rücksicht auf andere nehmen zu müssen. Zum Anderen versucht man scheinbar durch Mikromanagement die Continuity im primären DC-Universum irgendwie konsistent zu halten. Wenn man zwischen den Zeilen (oder heutzutage vielmehr den Tweets) liest, scheint das vielen Autoren Probleme zu bereiten, wovon letztens sogar Grant Morrison betroffen war, der ansonsten so etwas wie Narrenfreiheit genossen hat.

Hinzu kommt, dass bei DC aktuell grassierende »Crossover-Fieber«. Nachdem man gerade das beim Start der New 52 eigentlich vermeiden wollte nimmt es jetzt überhand. »Night of the Owls« war noch ein leichter Vorbote, wo man die Hefte auch noch für sich gesehen lesen konnte, doch jetzt haben wir »Rotworld«, »H'el on Earth«, »Death of the Family«, »Rise of the Third Army« und Geschichten wie »Throne of Atlantis«, »Trinity War« und »Wrath of the First Lantern« wurden bereits angekündigt. All das will koordiniert werden, insbesondere, dass diese Crossover keine Hauptserie haben, sondern sich immer über mehrere verschiedene Serien verteilen.

Auch bei Marvel hat man die von dem Hauptuniversum getrennten Graphic Novels entdeckt. Wie das aber beim »House of Ideas« schon mal passiert ist, wird dieses Mittel dann inflationär benutzt, anstatt auf Qualität zu setzen. Wo DC nach zwei Jahren aktuell drei Earth One Bücher am Start hat, sind es bei Marvel nach noch nicht mal einem Jahr bereits sieben Season One Bände. Allerdings vermeidet man hier das Mikromanagement. Die Autoren treffen sich stattdessen regelmäßig zu sogenannten »summits«, um Events, die Richtung in der sich Charaktere entwickeln und die allgemeine Ausrichtung des gesamten Universums zu besprechen und festzulegen. Dies bietet den Autoren einen groben Handlungsfaden, an dem entlang sie frei schreiben können.

Daredevil: Season One (deutsche Ausgabe)  Batman: Erde Eins (deutsche Ausgabe)

Gerade letzteres hat den großen Vorteil, wonach Geschichten in sich schlüssig wirken und man merkt, dass der Autor mit Herz dabei ist. Gastauftritte aus anderen Serien machen im Zusammenhang der Geschichte Sinn und man bekommt nicht das Gefühl, dass mal wieder eine andere Serie promoted werden soll. Allerdings sind die einzelnen Serien dann untereinander nicht mehr stimmig. Es ist unmöglich, dass Wolverine bei so vielen verschiedenen Teams aktiv ist, eine Schule leitet und noch alleine die Welt rettet. Und auch die aktuell zu Ende gegangene Iron Man Serie lässt eigentlich keinen Platz für Avengers vs. X-Men geschweige denn die anderen Abenteuer der Avengers.

Detective Comics (Volume 2) #15Bei Marvel gibt es dann auch weniger »Crossovers« als vielmehr »Events«, die aus einer Hauptserie und einem Thema bestehen. Dieses Thema können andere Serien dann aufgreifen um etwas Eigenständiges zu erzählen. Die Struktur ist hier eine andere und einfacher zu handeln, als das was DC tut. Die Autoren bekommen klare Grenzen, was im Rahmen des Events machbar ist und was nicht, wobei ganz klar im Vordergrund steht, dass die Miniserie zum Event alleine funktionieren muss und der Autor zudem selbst den Anspruch haben sollte, dass dies auch für seine eigene Serie gilt. Dies ergibt Freiheiten für die Interpretation des Charakters, Möglichkeiten der Interaktion untereinander, aber auch klar definierte Grenzen von dem was möglich ist.

Für mich persönlich steht immer die Geschichte im Vordergrund. Ich kann damit leben, dass der Tony Stark, der in Iron Man vorkommt, sich zum Teil erheblich von dem unterscheidet, welcher bei den Avengers auftaucht. Ich mag gerade Serien wie Stormwatch oder Demon Knights sehr, weil sie für sich alleine funktionieren, obwohl sie in ein größeres Universum eingebettet sind. Eine logische Einbettung in ein größeres Universum ist eine nette Dreingabe aber wenn das mal schief geht oder Fehler auftauchen, kann ich damit leben, wenn die Geschichten ansonsten interessant und gut sind.

Bei schlechten Geschichten hilft auch keine logische Einbettung in ein Universum.

Abbildungen © Dc Comics, Marvel Comics, Panini Comics, diverse Autoren/Zeichner


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Über den Autor

Stefan »Starocotes« Immel, geboren 1968, liest seit über 20 Jahren US-Superhelden-Comics der großen Verlage und beschäftigt sich mit den Autoren und Künstlern, Redakteuren und Verlegern. Seit vier Jahren betreibt er ein Blog, das sich primär um Comics dreht.

Glücklicherweise wird von seiner Frau dieses Hobby nicht nur geduldet, sondern auch unterstützt und seine beiden Kinder kennen ebenfalls schon mehr Superhelden als der durchschnittliche Deutsche.