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»Ich finde, Comiczeichnen ist auch immer noch ein bisschen Rock 'n' Roll« - Interview mit Ralf König, Teil 1

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Ralf König gehört eindeutig zu den schillerndsten Comicautoren der deutschen Comicgeschichte. Längst sind nicht nur seine Comics Kult, sondern auch er selbst. Im großen CRON-Interview wird deutlich, wieso man diese schonungslos ehrliche Haut einfach gut finden muss. Stefan Svik sprach mit König nicht nur über seine Comics, sondern das Schwulsein, Religion, Wilhelm Busch oder den Anschlag auf Charlie Hebdo.

»Ich finde, Comiczeichnen ist auch immer noch ein bisschen Rock 'n' Roll«germany48
Interview mit dem »König der Comics«

Anlässlich der Eröffnung des Ausstellung  »Echte Kerle« war Ralf König im Wilhelm-Busch-Museum in Hannover. Dort traf sich Stefan Svik mit dem Künstler für ein ausführliches Gespräch. Wir veröffentlichen das hoch interessante Interview mit einer aktuellen Ergänzung. Die Zusatzfragen wurden im Juli 2015 beantwortet.


CRON fragt. Ralf König antwortet.cr ICON-Fragen
Der Künstler im Interview.

Lieber Ralf, du hattest bei der Vorstellung zu Deinen Zeichnungen gesagt, dass du gar nicht am Computer zeichnest und nicht so Technik-affin bist, sondern ganz konservativ mit Stift und Papier arbeitest. Nun bist du, beziehungsweise Dein Freund, neu bei Twitter. Das ist dein offizieller Twitter-Kanal oder ist das etwa ein Fake?

Doch, Olaf twittert wohl das, was ich auf Facebook poste. Jetzt oute ich mich mal als Depp: Ich habe keine Ahnung, was Twitter genau ist, bzw. wozu man das braucht! Ich bin auf Facebook, ok, aber ich versuche, mir digitale Parallelwelten weitgehend aus dem Leben zu halten. Ich rufe nur noch einmal pro Woche meine Mails ab, weil mir das tägliche Getippel einfach zu viel wird. Ich will nicht mein halbes Leben auf Monitore glotzen, und das betrifft natürlich auch die Zeichnerei. Ich seh’s als gutes, altes Handwerk. Deshalb werde ich wohl immer mit der Hand zeichnen, mit Stift auf Papier, Schere und Fixogum.

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Das bedeutet, dass du dir über eComics und ähnliches noch keine Gedanken gemacht hast?

Das macht ja der Verlag. Rowohlt hat zwei oder drei eBooks mit mir produziert: Prototyp, Elftausend Jungfrauen und so. Aber wie gesagt, Technik ist nicht meins. Ich lese nichts auf dem iPad, außer ich google was. Unlängst hab ich ja einen Science-Fiction-Comic mit Konrad und Paul gezeichnet: Barry Hoden, im Weltall hört dich keiner grunzen. Da dachte ich, weil es Science-Fiction ist und inhaltlich viel mit Technik zu tun hat, also mit Raumschiffen und so, ob ich da mal was mit Computerfarben reißen soll. Also nicht ich selbst, dazu wär ich zu technikdoof, aber, ob ich das von einem Fachmann kolorieren lasse. Ich habe mich dann doch dagegen entschieden und es wieder mit Copic-Stiften gemacht, gerade wegen Science-Fiction. So wirkt es etwas unperfekt, find‘ ich besser.

Siehst du denn Chancen und Nutzen in den sozialen Netzwerken oder machst du das vor allem deshalb, weil du das Gefühl hast, das muss ich machen, weil es inzwischen beinahe alle machen?

Als Privatperson hätte ich wohl kein Facebook-Profil. Aber als Zeichner ist es sinnvoll und macht mir meist auch Spaß. Ab und zu habe ich spontan eine Idee zu einem tagesaktuellen Cartoon, dann ist der sofort online und man bekommt schnell eine Reaktion - das gefällt mir! Und ich kann mitteilen, wenn ich eine Lesung oder ein neues Buch anzubieten habe. Ich bin noch nicht sooo lange auf Facebook, aber es sind inzwischen über 20.000 Leute, die meine Einträge lesen wollen. Ich meine, Joscha Sauer oder Ralph Rute haben locker 400.000 Leute [lacht].

Das ist eine andere Liga, aber das sind eben die Cartoonisten! Ein Bild, ein Witz, lustig, schnell geteilt. Meine Geschichten sind ja dann doch meist komplexer und haben mehr Seiten und Dialog. Das will ich nicht einfach so unter die Leute schmeißen.

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Ausstellungsplakat

Während der Vorstellung deiner Ausstellung erzähltest du von Begegnungen mit »klassischen« Comicfans, die sich im Gegensatz zu deinen Fans, vor allem eine Zeichnung von Batman von dir wünschen. Du meintest, dass du diese klassischen Comicleser bisher eher kaum erreichst. Hast du den Ehrgeiz das zu ändern und probierst deshalb mit Raumstation Sehnsucht und Barry Hoden auch Science-Fiction aus? Oder das Thema Religionskritik. Ist da der Ehrgeiz, deine Themen zu erweitern, neue Leser zu erreichen und auch die Arbeit für dich selbst spannender zu machen?

Ja, na klar. Aber das hat weniger mit den Comiclesern zu tun. Ich sage ja nicht, dass ich von den üblichen Comiclesern nicht wahrgenommen werde – natürlich werde ich das! Aber ich habe den Eindruck, wenn ich auf Festivals bin, mit all den Mangas und den am Computer kolorierten oder auch komplett am Computer gezeichneten Sachen, Fantasy-Abenteuern, Graphic Novels – dass ich da ein bisschen der altbekannte Knollennasenzeichner bin. Ist auch okay so. Aber ich merke schon, bei Lesungen und Signierstunden, dass mein Publikum nicht unbedingt die Leute sind, die auch beim Comicsalon in Erlangen herumlaufen. Das ist eine andere Sparte, war schon immer so. Ich bin mit Kondom des Grauens 1987 zum ersten Mal überhaupt wahrgenommen worden von der Comicszene. Vorher fand ich kaum statt! Das war diese Geschichte mit Killerkondomen in New York, dem einsamen Kommissar und hysterischen Nutten. Das war dann eher was fürs Klientel. Wenn ich jetzt Science-Fiction zeichne, könnte es sein, dass das Comicpublikum dafür zu haben ist.

Aber ich mache mir, ehrlich gesagt, überhaupt keine Gedanken darüber, wer es am Ende liest. Hauptsache, es liest jemand. Wer warum zu meinen Büchern greift – da stecke ich sowieso nicht drin. Ich kann nur das erzählen, was ich im Kopf habe. Ich denke, es ist falsch, nach dem Publikumsgeschmack zu schielen. Wenn man so kalkuliert: Das wird bestimmt ein Hit, nur deshalb mache ich’s. Dann ist das schon uninteressant, von meinem Kunstverständnis her. Man sollte immer pur das machen, was man im Bauch hat. Und wenn man dann das Glück hat, dass die Leute das lesen wollen ... das ist der Jackpot.

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Sci-Fi à la König: Barry Hoden

Einer meiner Lieblingsautoren ist Max Goldt. In einem seiner Texte bemängelte er, dass seine Bücher in einer Buchhandlung unter »Schwule Literatur« einsortiert worden sind, dabei sei er doch genau so sehr Musikliebhaber und zahlreiches mehr.

Ja, verstehe.

Goldt stört es, darauf reduziert zu werden. Bei dir ist das Thema Homosexualität oft sehr zentral. Wäre es für dich manchmal schön, einfach nur als Mensch wahrgenommen zu werden, statt immer auf das eine Gebiet festgelegt zu werden?

Also zu Anfang war das mit dem »schwul« überhaupt erst die Eintrittskarte in meine Zeichnerkarriere. Das war Anfang der Achtziger ein Tabuthema, so dass ich damals zwangsläufig Aufsehen erregte. Über die Jahrzehnte wurde das der Stempel, da war ich dann »der schwule Comiczeichner« und ich fürchte, dass das ganz viele potentielle Leser davon abhält, in meine Bücher zu gucken. Weil sie denken: Der macht das ja für Schwule, warum soll ich das lesen? Zum Glück für mich gibt es erfreulich viele, die das nicht so sehen. Heterosexuelle Leser habe ich inzwischen sicherlich mehr als schwule, auch, weil es nun mal mehr Heteros gibt und die sich auch bei mir wieder erkennen. Aber »schwul« ist natürlich ein Prädikat. Leider. Ich würde andersrum niemals sagen: Dieser Comic ist für Heteros, den lese ich nicht! Und Max Goldt ist jemand, der zum Thema nur selten Bezug genommen hat, hier und da flackert es mal auf, nebenbei und unspektakulär. Bei mir war das von Anfang an Thema, weil ich mich mit meinen Figuren viel mit Sexualität auseinandersetze. Da ist das klar im Vordergrund. Aber da sind die Vorbehalte auf schwuler Seite übrigens ähnlich intolerant. Ich habe »Hempels Sofa« gezeichnet, da geht es um eine verkopfte Psychotherapeutin, die sich in einen schlicht gestrickten Bauern verknallt. In der Story ist die schwule Figur nur eine Nebenfigur, die die beiden verkuppelt. Und da gab es prompt blöde Kommentare von schwulen Lesern, die meinten: Das ist ja jetzt für Heteros! Schon bei meiner Lysistrata war das damals so. Also, da gibt’s die gleiche Engstirnigkeit auch andersrum. Leider.

Eigentlich habe ich das Interview ganz falsch begonnen. Herzlichen Glückwunsch zum Max-und-Moritz-Preis 2014! So hätte man beginnen müssen.

Dankeschön.

Du hast den Preis dieses Mal für dein Lebenswerk erhalten. In der Vergangenheit gab es etwa eine Auszeichnung für deinen Beitrag zum Karikaturenstreit. Ist das inzwischen etwas ermüdend, während der Präsentation vorhin fiel das Stichwort »Russland«, in dem Homosexuelle inzwischen erheblich strengeren staatlich geförderten Ressentiments begegnen. Hast du da das Gefühl, ich bewege zwar etwas, aber es kommt irgendwie alles immer wieder zurück?

Also die Vorstellung, dass man wirklich etwas verändern könnte durch Comics, die habe ich eh nicht. Die Kunst strampelt sich ab und manchmal denkt man, es hat Erfolg, aber letztlich sind die Menschen zu blöd, als das es mit der Vernunft und Toleranz wirklich voranginge. Im Gegenteil, man muss befürchten, dass wieder prüdere Zeiten auf uns zukommen. Wir sehen gerade, dass die Leute, die ihre homophoben Vorstellungen haben, sich wieder lautstark zu Wort melden. Deutschland war lange eine Insel der Toleranz. Man muss nur nach Italien gucken, oder nach Polen und Russland. Die Zustände sind überall auf der Welt sehr viel erschreckender als bei uns. Die Freiheiten und Rechte, die wir haben, müssen wir wirklich zähnefletschend verteidigen! Ich bin nicht wirklich ein politischer Typ, würde ich sagen, Ideen zu tagespolitischen Cartoons fallen mir eher selten zu! Manchmal habe ich einen Einfall und dann zeichne ich’s und stell’s auf Facebook, aber ich bin kein politischer Zeichner. Andererseits, wenn ich mit großer Selbstverständlichkeit Geschichten aus dem schwulen Leben zeichne und das viele Leute lesen, die sonst kaum was oder nichts mit Schwulen zu tun haben, hat das natürlich auch einen politischen Effekt! Weil Humor Denkblockaden und Berührungsängste abbaut. Man stellt fest: Schwule und Lesben sind genau so wenig exotisch wie ich auch, nur hier und da ein bisschen anders drauf. Das wäre schon die beste aller Erkenntnisse.

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Zwei Räume weiter von uns entfernt hängt ein Cartoon zur CDU von dir. Da bist du dann schon konkret bei der Tagespolitik.

Ja klar. Ich sage ja nicht, dass ich komplett unpolitisch bin, aber ich kann nicht dauernd irgendwelche Nachrichtenmeldungen verwursten. Meist ist das dann auch tagesaktuell. Ich ahne, welchen Comic du meinst. »Wahlwerbung« heißt das, oder?

Ja.

Die CDU war nun mal lange, lange extrem anti drauf und ist auch jetzt noch nicht so richtig überzeugt. Und prompt kommt die AfD (die rechtspopulistische Partei Alternative für Deutschland) und besetzt den konservativen Platz. Die werden schon ihre Koalition finden. Ich gebe dazu nur hin und wieder meinen Senf ab.

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Das sitzt: Aktuelles Statement zur Flüchtlingsproblematik
© 2015 Ralf König

Du bist gebürtiger Dortmunder. In Bayern wollte man deine Werke einerseits zensieren, gleichzeitig finden in Bayern mit Erlangen und München die wichtigsten deutschen Comicfestivals statt, die dich für dein Werk ausgezeichnet haben. Jetzt wurden deine Werke erst in Oberhausen und nun in Hannover und in Wiedensahl ausgestellt. Haben Orte für dich eine besondere Bedeutung und siehst du Unterschiede, etwa zwischen Norddeutschland und Süddeutschland?

Nein, nicht mehr. Diese Zensurgeschichte, die du erwähnst, das war Mitte der 1990er-Jahre. Bayerisches Landesjugendamt. Auch da, auch in Bayern, ist inzwischen einiges anders [lacht].

Ich finde es manchmal ganz kurios, wenn man in ganz kleine Orte kommt, also wenn ich jetzt Lesungen abhalte, dann komme ich schon mal, nach, wie hieß das noch mal? Villingen-Schwenningen! Da habe ich manchmal vorher ein bisschen Angst: Oh. Was wird das für ein Publikum sein? Wissen die überhaupt, worauf die sich einlassen? Aber es ist überall so, die Leute, die zu meinen Veranstaltungen kommen, die wissen was sie erwartet, darum kommen sie ja.

Ich war unlängst mal im Osten unterwegs, in Quedlinburg, Leipzig und in Cottbus und da war es ein bisschen schwieriger, vielleicht, weil es meine Comics dort eben nicht seit den 1980ern gibt. Aber das passiert auch im Ruhrgebiet oder Stuttgart oder Norddeutschland, auch da kriegt man nicht so deutliche Reaktionen, die schmunzeln eher so in sich hinein. Aber das hört man ja nicht. Das ist für mich auf der Bühne irritierend, weil ich nicht weiß: Kommt’s nicht so gut an oder warum lachen die nicht?

Deine Werke waren 2014 bereits Teil der Ausstellung »150 Jahre Deutsche Comics« im Wilhelm Busch Museum in Hannover. Nun hast du deine eigene Ausstellung in Hannover und zusätzlich werden im Geburtshaus von Wilhelm Busch in Wiedensahl Originale von dir ausgestellt. Der Kurator der Wiedensahler Ausstellung sagte, dass es besser gar nicht sein könnte, dass du bei der Premierenausstellung dort dabei bist, da du dich klar zum Einfluss von Busch auf dein Werk bekennst. Wie war das für dich, im Geburtshaus von Busch zu sein?

Das war beeindruckend. Busch bedeutet mir sehr viel, als Kind schon war ich beeindruckt von Plisch und Plum. Das in Wiedensahl ist ein kleines, uraltes Haus. Ok, ich hatte es mir vorher noch maroder und älter vorgestellt. Es ist natürlich renoviert, aber es gibt dort diesen Sekretär, also diesen Holzschreibtisch, an dem ich dann auch sitzen und vor der Kamera meine Nasen zeichnen durfte. Dass man da an der Tischplatte sitzt, an der vorher womöglich Wilhelm Busch Höchstselbst gesessen hat … [lacht]. Das war schon ein bisschen erhebend, sage ich mal.

Du warst also 2014 zum ersten Mal im Museum in Wiedensahl?

Ja.

Und ansonsten hast du dich mit ihm beschäftigt, indem du Biographien gelesen hast und ähnliches?

Ja. Und zwar im Zusammenhang mit der Ausstellung damals im Busch-Museum in Hannover: »Wilhelm Busch und die Folgen«. Da hat der Ehapa-Verlag eine Zusammenstellung von Neuinterpretationen von Wilhelm-Busch-Geschichten heutiger Comiczeichner veröffentlicht. Ich habe Max und Moritz als Figuren zugeteilt bekommen. Vielleicht dachte man, der König fühlt sich mit zwei Jungs am wohlsten! Also habe ich Max und Moritz neu aufgemischt und neue Streiche gereimt. Und in dem Zusammenhang habe ich mich dann endlich auch mal mit Wilhelm Busch als Person befasst. Ich muss sagen: Der war sehr cool drauf und seiner Zeit voraus! Er hatte ja auch Probleme mit der Kirche, mit seiner Frommen Helene und dem Heiligen Antonius und so. Er hatte einen super Humor und auch zwei Seelen in seiner Brust, nehme ich an. Einerseits gerne fröhlich unter Freunden in der Stadt, aber immer wieder auch einsamer Rückzug aufs Land. An der Kunstakademie Düsseldorf war er, dort war ich ebenfalls. Er hielt von dem Laden nicht so viel, und mir verboten sie dort auch die Comics [lacht]. Also, ich hatte das Gefühl, dass ich mit ihm gut ein Bier hätte trinken können.

Du hast verschiedene Künstler beeinflusst, soweit ich weiß, etwa Flix. Der Präsentation der Ausstellung sagtest du, dass es vor Der bewegte Mann gar nicht so viele Comics in Deutschland gab. Wir hatten Wilhelm Busch, wir hatten Nick Knatterton und weitere – wer war davon für dich wichtig und wer ist aus der aktuellen deutschen Comicszene besonders interessant für dich?

Also ich stehe sehr auf Nicolas Mahler. Das ist jetzt zwar nicht Deutschland, sondern Österreich, aber lassen wir’s mal gelten. Mahler ist großartig. Ich bin sowieso immer fasziniert vom Minimalistischen. Ich finde meine eigenen Zeichnungen inzwischen schon viel zu aufwändig und würde gerne wieder zurück zu dem ganz einfachen, schnellen Strich. Da ist Mahler derzeit einfach unerreicht. Was er macht, finde ich sehr, sehr komisch. Walter Moers hat ja leider mit Comics ziemlich aufgehört, er schreibt und zeichnet nur noch seine Fantasyromane. Auch seine Comics, also dieser Strich … ich fand die perfekt! Bin immer fasziniert vom Wenigen. Aber der Trend geht dahin, alles möglichst protzig zu gestalten, vor allem mit perfekten Computerfarben! Es wird zu vieles tot illustriert. Von den Erzählern - also das Flix von mir beeinflusst ist, hast du jetzt gesagt – ich glaube schon, dass er eine Weile geguckt hat, was ich so mache, aber er hat im Gegensatz zu mir einen sehr ... ich sag mal freundlichen Humor. Er geht ganz liebevoll mit seinen Figuren um. Besonders die Frauen sind immer nett und niedlich. Was ich vermisse, ist Sex and Drugs and Rock’n‘Roll! Jetzt nicht nur bei Flix, überhaupt. Ich bin ja groß geworden mit den amerikanischen Underground-Comix. Meine Idole hießen Crumb, Shelton und Vaughn Bode und wie sie damals alle hießen. Und ich vermisse heute den Schweinkram. Neulich hat mir ein Kollege in einer eMail geschrieben, ich hätte das Thema Sexualität in den Comics besetzt [kichert] – aber das wäre mir etwas zu viel Verantwortung.

In Deutschland?

Was, in Deutschland? Naja, klar, der Comic hier ist inzwischen sehr sauber. Da fällt mir grad noch Fil ein, der ist cool drauf. Aber warum ist das so? Haben die Zeichner Hemmungen, weil ihre Freundinnen die Nase rümpfen könnten? Wie gesagt, die Kollegen zeigen oft wenig von sich persönlich und ich finde, da wird es erst interessant! Ich finde, Comiczeichnen ist immer noch ein bisschen Rock'n'Roll.

Verfolgst du denn die Neuauflage von U-Comix?

Das tue ich bisher nicht, nein. Weiß nicht, was das heutzutage sein könnte, Underground.

Die Autorin von Harry Potter J. K. Rowling veröffentlichte vorab kostenlos in einem Obdachlosenmagazin Passagen aus ihrem damals neuen Buch. Würdest du, als Star der Comicszene so etwas auch tun und etwa gratis Beiträge in Straßenzeitungen oder U-Comix veröffentlichen, um sie zu unterstützen? Du sagtest etwa, dass es dir wichtig ist kleine, schwule Verlage mit deinen Werken zu fördern.

Es ist immer schwierig mit diesem Umsonst-Ding. Das ist auch eine Zeitfrage. Ich mache ein Buch nach dem anderen. Das muss ich tun, sonst komme ich nicht über die Runden. Die Neunzigerjahre sind auch bei mir vorbei, als die Bücher sich verkauften wie doof. Auch ich muss sehen, wo ich bleibe, und da sind diese ganzen Anfragen. Kannste nicht hier was machen und da was machen, wir haben aber kein oder wenig Geld ... das ist wirklich schwierig. Da kann ich zwei, drei Mal im Jahr was liefern, sonst fehlt mir die Zeit und vor allem die Aufmerksamkeit. Ich muss über Bücher nachdenken, über Plots und Charaktere! Sonst schaffe ich meine Abgabetermine nicht, die eh meist zu eng gesetzt sind für das, was ich liefere.

Du verkaufst auf deiner Homepage auch Originalzeichnungen von dir. Läuft das gut?

Es geht. Das liegt aber eher daran, dass die, die so etwas kaufen würden, sich kaum auf meine Homepage verirren. Hat sich einfach noch nicht herumgesprochen. Ab und zu kommt mal eine Bestellung, und ich zeichne die Motive ja auch exklusiv, sozusagen. Ich bin jahrzehntelang sehr lieblos mit meinen Sachen umgegangen. Ich habe die Blätter verschenkt oder beim Verlag vergessen. Die lagen dann was weiß ich, in irgendwelchen Schubladen und weg sind sie. Dieses berühmte Titelbild von Der bewegte Mann zum Beispiel - keine Ahnung, wo das geblieben ist! Heute gehe ich ein bisschen anders damit um, auch weil ich sehe, dass die Originale gerahmt an der Museumswand sehr gut rüber kommen. Deswegen habe ich mir gedacht, dass ich meine Blätter lieber als Schenkungen an die Caricatura in Frankfurt gebe oder ans Schwule Museum Berlin, anstatt sie an privat zu verkaufen. Dafür fertige ich auf Bestellung Motive neu an.

Ich konstruiere jetzt eine Frage aus deinen Bildern, die uns gerade umgeben: Du hast Balu den Bären aus Das Dschungelbuch als humorvolle Sexszene verarbeitet und Du warst einer der Befragten in der Arte-Doku »Der Sex in den Comics«, in dem es etwa hieß, dass Tim und Struppi und Sex nicht passen würden und trotzdem versuchten sich Zeichner daran. Erotikzeichner Milo Manara etwa verwandelte die X-Men in einen Erotikcomic. Wäre das ein Auftrag, den du annehmen würdest: Superhelden sexy im König-Stil zu zeichnen?

Jetzt oute ich mich wieder als Nerd oder eben Nicht-Nerd: Ich habe noch nie im Leben einen X-Men-Comic gelesen. Ich habe auch noch keinen Film gesehen. Ich finde Superhelden nicht sehr interessant, abgesehen von Batman Returns von Tim Burton damals. Den fand ich geil, weil so abgedreht. Ich würde womöglich mal einen Superheldencomic zeichnen, aber natürlich mit Knollennasen, das wäre eine Parodie auf das, was sich da so ernst nimmt. Auch Watchmen. Das wurde mir immer empfohlen als Meilenstein der Comicerzählkunst. Ich komm da nicht rein. Wenn mich was »bocken« soll, dann hat es besser mit Realität zu tun oder Ironie, sehr viel mit meinem Erleben, was Menschen so miteinander tun. Du guckst plötzlich so skeptisch, du bist sicher auch voll auf Superhelden ...

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Weil in Watchmen doch Sex vorkommt ... 

Echt, Sex? Ok. Aber es geht mir ja nicht nur um Sex. Nur weil Sex irgendwo vorkommt, also bitte ... was hab ich für einen Ruf?

Du findest also Alan Moore nicht gut???

Doch! Ich fand 300 gut, also den Film, das ist doch von dem, oder?

Nee.

Oh Scheiße. Ich bin mal still, die Leser werden mich verachten.

Lost Girls ist von Alan Moore, darin geht es auch um Sex. Das ist ab 18 Jahren.

Tja. Kenne ich nicht.

300 ist von Frank Miller ...

Ok, ich schäme mich ja schon. Ich hab‘ echt wenig Ahnung von Comics. Ich zeichne sie, weil es eine prima Art ist, Geschichten zu erzählen, aber ich habe von Superhelden und von Mangas und allem, was es da so gibt, keinen Schimmer. Das beschämt mich oft auf Comicfestivals, wenn ein Kollege vor mir steht und sagt: Ich bin der und der und hab das und das gezeichnet, und ich kenn‘s wieder nicht! Aber so ist es nun mal. Ich kriege schon mal schöne Sachen zugeschoben. Neulich habe ich Pjöngjang gelesen, von Guy Delisle - das gefiel mir gut! Aber es ist jetzt nicht so, dass ich dauernd in Comicläden renne und mich mit neuem Stoff eindecke.

... also 300 ist von Frank Miller ...

Ja, okay, Frank Miller! Wenn du das jetzt schreibst, bekomme ich in der Comicszenerie nie wieder einen Fuß in die Tür [lacht].

Das bauen wir um.

Vielen Dank.

Bei Frank Miller kommt mir nochmal der Karikaturenstreit in den Sinn. Mit Holy War hat Miller auf die Ermordung des Zeichners Theo van Gogh durch Fundementalisten reagiert und zwar anders als du es auf religiös motivierte oder Religion als Vorwand missbrauchende Menschen tatest. Frank Miller Werke wie 300 und Sin City werden mitunter als gewaltverherrlichend, frauenfeindlich und als Machophantasien kritisiert. Wie weit geht deine Toleranz bei Gewaltdarstellungen und anderen Dingen im Comic?

Es langweilt mich schnell. Mit Toleranz hat das wenig zu tun. Es unterhält mich einfach nicht. Aber ich rümpfe auch nicht die Nase. Ich bin gepackt, wenn ein Dialog gut ist oder mich der Lebensweg einer Figur irgendwie beschäftigt, dann bin ich dabei! Aber wenn die sich auf der Leinwand die Köpfe einhauen, das schnarcht mich schnell an. 300, den Film, fand ich super, weil der ja auch noch sexy war mit den Spartanern und so ... fast absurd gewalttätig, nicht wirklich ernst zu nehmen, wie Pulp Fiction oder so, da war ja damals auch die Diskussion, wie weit darf das gehen. Wenn intelligente Ironie mitschwingt, dann habe ich kein Problem mit Gewalt. Es muss halt intelligent gemacht sein und nicht die niederen Triebe bedienen.

Zu einem anderen Comicautoren: Garth Ennis lässt seine Figuren ab und an Dinge tun und sagen, die flapsig gemeint sein könnten oder auch Schwule herabsetzen könnten. Ähnliches gilt für Comicfan und Rapper Eminem, dem vorgeworfen wurde, schwulenfeindlich zu sein, der dazu aber sagte, dass das Wort »Homo« ein Slang-Ausdruck sei und er es nicht gegen Homosexuelle richten würde. Beschäftigst du dich mit so was? Kannst du damit umgehen?

Nein. Die lassen diese miesen Texte ab und wenn sie dann gefragt werden, was sie denn eigentlich damit wollen, heißt es immer: Ich meinte das ja gar nicht so! Dieses Wort »schwul« wird gerne allgemein umgemünzt, dass es ein negativer Ausdruck für irgendwas sei. Aber schwul ist schwul! Der Begriff hat eine Bedeutung und die, die da rappen oder es abwertend verwenden, wissen das auch. Ich finde das Rausreden feige. Dann sollen sie lieber sagen: Ich finde Schwule scheiße. Was ja auch viele tun und immer mehr, auch erschreckend.

Es gab dann einen gemeinsamen Auftritt von Eminem mit Elton John, bei dem sie zum Schluss ihre Hände hielten. Das entkräftet es für dich auch nicht?

Ich weiß nicht genau, was Eminem von sich gibt. Aber ich vermute schon, dass da oft eine latente oder offene Schwulenfeindlichkeit mitspielt.

Für Batman kannst du dich interessieren, das schobst du auch auf den Fummel, also deine Verkleidung beim Karneval als Batman. Nun gab es den Comics Code in den USA und Vorwürfe des Psychologen Wertham, Comics würden die Kinder verderben. Das der Mann Bruce Wayne alias Batman mit dem Jungen Robin zusammenlebt, sei etwa als homosexuell zu deuten. Interessiert dich Batman auch deshalb, weil so viel hineininterpretiert wird?

Nein. Ich bin einfach beim Karneval in Köln als Batman gegangen und hab‘ geschunkelt. Und ich hab mich danach hingesetzt und im Comic Paul Niemöser als Batman verkleidet. Ok, das mit Batman und Robin ist mir schon klar, aber das ist genau wie bei Ernie und Bert oder so [lacht]. Einige Leute fragen: Könnte da was laufen? Ich nehme diese Fragen mal nicht so ganz ernst.

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Auf Batman kann man unheimlich viel projizieren. Würde dich so eine Figur auch mal reizen, die wirklich alle interessant finden? In der vielleicht auch alle etwas anderes sehen?

Also von den Verkaufszahlen würde mich das sehr interessieren! [lacht)]

Aber ich hab gerade viel Spaß an meinem Barry Hoden gehabt und immer gedacht, ich kann Science-Fiction nicht, mit meinen begrenzten zeichnerischen Mitteln, also Raumschiffe und so. Dass ich das nicht hinkriege. Es gibt ja gerade in Comics unglaubliche Zeichnungen! Von Leuten, die das mit Mausklick und Computern machen, egal, das sind sehr, sehr gelungene Zeichnungen. Ich dachte erst, dass ich SF nicht kann, aber dann dachte ich, ich mache es, gerade WEIL ich es nicht kann. Ich habe also einfach Zeichnungen von z.B. Autoersatzteilen und Fotokopierern genommen und die dann vor den Weltraum gesetzt, als Raumschiffe. Ich hatte coole Fotos von Melonen, daraus sind die Planeten geworden. Es hat Spaß gemacht mit dieser »Behinderung«, also, das nicht zeichnen zu können und sich kreativ etwas auszudenken, damit es doch funktioniert.

Nun hast du mit Der bewegte Mann die Graphic-Novel-Szene in Deutschland mit aufgebaut und machst nun den sehr offensiven Humor von Barry Hoden – das ist wohl eher selten, da der GN-Szene öfter vorgeworfen wird, elitär und humorlos zu sein. Wie denkst Du über das Comicmanifest und Bildungsbürger, die nun GN lesen?

Zurzeit etwas schwierig, weil die Graphic Novel zu oft auf das Bierernste setzt. Über eine lustige Graphic Novel wird noch ein bisschen die Nase gerümpft. Das ist ja dann doch wieder »Comic«, und auf den Unterschied legt man ja wert. Ich denke über diese Begriffe wenig nach. Die Geschichte wird so lang wie sie wird, meist viele Seiten stark. Barry Hoden hat etwa 270 Seiten. Also schon auch eine Menge, aber ob das nun jemand Graphic Novel oder Comic nennt ... mir echt egal.

Ulli Lust ist jemand, die im Ausland bekannt und erfolgreich ist, ebenso wie Du. Wenn deutschsprachige Künstler im Ausland erfolgreich sind, dann öfter mit den Themen Nationalsozialismus oder DDR. Bei dir ist das nicht so.

Nein, eher nicht.

Mehrere deiner Comics wurden zu erfolgreichen Filmen, die auch international beachtet wurden wie etwa Der bewegte Mann mit Katja Riemann und Til Schweiger. Sind das Filme mit etwas typisch Deutschem und haben deine Comics etwas sehr deutsches?

[überlegt]

Oder ist da viel Deutschland drin?

Ja, zwangsläufig. Es spielt halt meist in Deutschland, sogar oft in Köln! Mancher in Berlin wird womöglich nicht verstehen, was jetzt die Schwulen in Köln machen. Was die für Scheiß-Schlagermusik hören in den Kneipen oder so. Es gibt regionale Unterschiede. Deutsch? Also den Amerikanern bin ich zu deutsch! Ich habe mir schon immer eine gute, englische bzw. amerikanische Übersetzung gewünscht. Ja, es gibt zwei, drei Bücher in USA, aber nur die ganz alten Sachen, Kondom des Grauens und so. Aber da hieß es immer, dass die Amerikaner den europäischen Humor nicht verstehen, ist ja beim Film das Gleiche. Die machen lieber Neuverfilmungen, als dass sie irgendwas synchronisieren. Also schwierig, aber ansonsten glaube ich, dass mein Humor international funktioniert, im europäischen Bereich ohnehin. Es geht viel um Sexualität und da sind wir alle gleich mit unseren Sehnsüchten, Erwartungen, Frustrationen. Das überträgt sich ziemlich gut auf alle Nationalitäten. Da lachen sie in Paris und Barcelona genauso drüber wie in Berlin.

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Letzte Frage: Über welche deutschen Cartoons kannst du lachen?

Mahler hatte ich schon genannt. Hauk und Bauer. Til Mette. Aber ich bin da nicht so firm.

Trennen wir in Deutschland Comics und Cartoons zu oft. Cartoonist Ari Plikat fand es etwa interessant, dass du im Cartoonstil Comics zeichnest.

Na, Cartoons beherrsche ich leider nicht so. Ich bin eher ein dialogfreudiger Autor. Muss mich immer zurückpfeifen, dass ich nicht zu viel Text in die Sprechblasen setze. Nur, wenn einer viel redet, dann muss er halt viel reden, so die Tratschtunte vielleicht, die ohne Punkt und Komma redet und alle nervt. Da sind die Sprechblasen voll mit Geschwatze, das ist okay. Aber ein Bild, eine Pointe, kaum Text - das liegt mir nicht wirklich. Was mir liegt, ist die einfache Zeichnung. Ich habe die Knollennase nicht erfunden, die gab's schon bei Asterix und Loriot, diese runde Nase ist Comic-Kulturgut. Ich war in den Achtziger Jahren sehr beeinflusst von Claire Bretécher...

[Ich lasse mir den Namen buchstabieren.] 

Du kennst Claire Bretécher nicht?! Die große französische Zeichnerin?! Die Frustrierten? Monika, das Wunschkind? Kennst du nicht?! Okay, aber dann muss ich auch keine Ahnung von Frank Miller haben!

Lieber Ralf, vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Stefan Svik


FORTSETZUNG DES INTERVIEWS: Über Charlie Hebdo und neue Projekte: »Es waren furchtbare Tage« - Interview mit Ralf König, Teil 2


Abbildungen © Ralf König, Fotos © Stefan Svik