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Helmut Nickel (24. März 1924 – 5. Juni 2019)

Nachruf auf Helmut Nickel

Ein Freund ist gestorben: Helmut Nickel schloss am 5. Juni 2019 im Alter von 95 Jahren für immer die Augen. Er konnte wahrlich auf ein erfülltes Leben zurückblicken, auch wenn es nicht immer nur Höhepunkte darin gegeben hat. Ein Nachruf von Detlef Lorenz.

Der bedeutende deutsche Comiczeichnercr ICON-FastFacts
starb im Alter von 95 Jahren

Nach seiner Schulzeit in Dresden strebte er ein Studium der Tiermedizin an, der Zweite Weltkrieg beendete diese Träume. Russland, Nordfrankreich und Belgien waren seine Einsatzgebiete. Mit viel Glück überlebte er und geriet in belgische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Entlassung versuchte er seine Studienpläne wieder aufzunehmen. Aber die neuen politischen Verhältnisse in der nunmehr sowjetischen Besatzungszone (SBZ) verhinderten diese Pläne erneut: Als Angehöriger der »Bourgeoisie«, sein Vater war Schulrektor in Quohren, Sachsen, wurde ihm ein Studium verwehrt. Kurz entschlossen siedelte er nach Berlin (West) um, nur um an der dortigen Freien Universität (FU) erfahren zu müssen, dass es keine freien Plätze für ein Tiermedizinstudium gab. Um überhaupt ein Studium zu beginnen, schrieb er sich für die Fächer Ethnologie, präkolumbische Kultur und Kunstgeschichte ein, seine anderen großen Leidenschaften.

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In dieser Zeit kam er über seinen späteren Kollegen Willi Kohlhoff mit dem Verleger Werner Gerstmayer zusammen. Rasch wurden sie sich einig, und Helmut Nickel begann seine Tätigkeiten mit Übertragungen von Romanen in das Comicformat: 3 Musketiere und Der Graf von Monte Christo nach Alexandre Dumas, Titanus nach den SF-Romanen von Claus Eigk, die Fortsetzung der Reihe Hot Jerry von Willi Kohlhoff und darin, eine von ihm erdachte Zweitserie, Don Pedro, die Geschichte von der Eroberung des Aztekenreiches. Diese wurde, trotz der nicht beendeten Erzählung, ein Höhepunkt deutscher Comicgeschichte, die graphische Gestaltung, die Genauigkeit in der Umsetzung der historischen Tatsachen und sein zeichnerisches Talent heben diesen Comic aus der Fülle des damaligen Angebotes hervor. Als er dann, wieder einmal von Willi Kohlhoff, eine Serie weiterführte, den Robinson, hatte er für lange Zeit einen geliebten Nebenerwerb für sein Studium gefunden.

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In dieser Zeit lernte er seine spätere Frau Hildegard kennen. Sie war von nun an ein wichtiger Bezugspunkt in seinem Leben, ein Halt und eine Stütze für seine vielfachen Tätigkeiten, egal ob im Beruf oder seinen Ausübungen als Comiczeichner. Stets war sie bei ihm, gab Ratschläge und augenzwinkernde Hinweise. Als er z. B. den Querelen des Verlegers überdrüssig wurde und die Arbeit des schon regelrecht zur Familie zählenden Robinsons beenden wollte, sahen sie eines Tages einen Berliner Steppke vor einem – gefangenen – Kakadu zu seinem Freund sagen: »Mönsch, der sieht ja aus, wie Robinson sehna!«. Hildegard zwinkerte ihm bedeutungsvoll zu und Helmut zeichnete weiter, denn er sah, dass »sein« Robinson sich doch mehr Zuspruch erfreute, als der Verleger ihm anerkennen wollte (in Wirklichkeit ging es stets darum, die Gage zu drücken).

Originalseite von Helmut Nickel aus »Robinson«

Nach der erfolgreichen Doktorarbeit (1958) meldete sich bald darauf der Verleger Walter Lehning, um ihn für dessen geplante Serie Winnetou zu rekrutieren. Da Karl May zu der Lieblingslektüre des jungen Helmut gezählt hatte, sagte er begeistert zu, obwohl er diese Arbeiten in New York ausführen musste. Denn Nickel hatte vom dortigen Metropolitan Museum eine Anfrage erhalten, und ihm wurde der vakante Posten des Kurators der Abteilung Arms and Armor angeboten. Nach kurzer Rücksprache mit Hildegard sagte er zu. Die fertigen Zeichnungen des Winnetou schickte er Partienweise nach Deutschland und hoffte stets auf fertige Druckerzeugnisse – als diese und auch später die Bezahlung nach und nach eingestellt wurden, beendete er zu seinem größten Bedauern dieses Lieblingsprojekt, und die Comics waren für ihn von nun an ein Teil seiner eigenen Geschichte – dachte er. Artikel von mir über ihn und seine Comics in Fachmagazinen ließen einen Kontakt entstehen, der es mir ermöglichte, ihn kurz vor seiner Pensionierung im Jahr 1988 in »seinem« Museum zu besuchen. Aus dieser ersten Stippvisite wurden später häufigere Besuche in seiner neuen Heimat Florida.

Erste kritische Auseinandersetzung mit dem Comicwerk von Nickel in Comixene Nr. 10, 1976

Das Jahr 2011 wurde für Helmut zum Höhepunkt in der Anerkennung seines Comicschaffens: Der Veranstalter des Münchner Comic-Festivals, Heiner Lünstedt, lud ihn in die bayerische Metropole ein, dort wurde ihm der »Peng!-Preis« für sein Lebenswerk überreicht. Helmut Nickel erkannte endlich, dass seine Comickunst tatsächlich als solche erkannt wurde und er durch seine Schöpfungen einen Rang als ernsthafter und bedeutender deutscher Comickünstler erhalten hatte. Eine große Ausstellung begleitete diesen Aufenthalt, die perfekt von Ralf Palandt (mit meiner fachlichen Unterstützung) kurartiert wurde. Helmut, und an seiner Seite Hilde, genossen diese Tage so sehr, dass sie im folgenden Jahr die Einladung nach Erlangen, zum dortigen Comicfestival, ebenfalls gerne annahmen.

Helmut Nickel zu Gast von comicplus+ auf dem Comic-Salon in Erlangen, 2012. Foto (c) Uwe Zimmermann

Ihr zunehmendes Alter und die damit verbundenen körperlichen Beschwerden machten bald weitere Reisen nach Europa unmöglich. Vor drei Jahren zogen sie aus ihrem Haus auf Marco Island in die »Arlington-Residenz« nach Naples, Florida. Leider verstarb Hilde dort nach nur drei Monaten. Von diesem Schicksalsschlag hat sich Helmut nicht mehr erholt, er schrieb zwar sein Buch über König Artus bis zum März diesen Jahres zu Ende, freute sich über den Nachdruck des Don Pedro und die Ankündigung einer Albumreihe der Erlebnisse seines Robinson, aber seine Lebenskraft neigte sich ihrem Ende zu. Er starb am 5. Juni 2019.

Ich werde ihn vermissen!

Detlef Lorenz


Ds Logbuch des Robinson Crusoe TitelbildDetlef Lorenz schrieb 2015 seine persönliche Betrachtung über die Robinson-Heftserie aus dem Gerstmayer Verlag, die Helmut Nickel zwischen 1953 und 1960 mit seinen detailreichen Zeichnungen gestaltete. Der komplette, reich illustrierte Text erschien unter dem Titel Das Logbuch des Robinson Crusoe als Band 1 der Reihe »Texte zur Graphischen Literatur« in der Edition Alfons. Weitere Infos und eine Leseprobe: Web / PDF