Buchmesse 2011: Interview mit den Organisatoren des Comic-Zentrums

Abt: Die tun was

Crossmediale Verwertungsformen,  Hot Spot Kids & Comics, Migration von Verlagen

Das Comic-Zentrum der Frankfurter Buchmesse lebt

Es bewegt sich was im Comicbereich auf der Frankfurter Buchmesse. Das Comic-Zentrum, wo sich seit mehr als einer Dekade die Comicverlage tummeln, ist dieses Jahr stärker in der Diskussion. Manche Verlage haben dem Comic-Zentrum den Rücken gekehrt. Die Suche nach mehr Wahrnehmung, außerhalb des Comicbereichs, hat begonnen. Der Comic REPORT berichtete (»Faszination Comic bröckelt«).

Ist das Konzept in die Jahre gekommen? Die Organisatoren des Comic-Zentrums sind da anderer Meinung. Sie sind bemüht, das öffentliche Interesse durch leichte und spürbare Umstrukturierungen zu stärken. Der COMIC REPORT sprach mit Brigit Fricke und Wolle Strzyz, die das Comic-Zentrum stets kompetent betreuen, und traf auf zwei Macher, die durchaus selbstkritisch und guten Mutes sind.


Bitte erzählt etwas über die Geschichte des »Comic-Zentrums« auf der Frankfurter Buchmesse. Wie ist die Idee entstanden? Wie lange gibt es das schon?

[Wolle Strzyz] Entstanden ist das Comic-Zentrum im Jahr 2000 aus den Gedanken heraus, erstens der damaligen Situation entsprechend Comics eine größere Plattform auf der Buchmesse zu geben. Vor allem das Feuilleton mehrerer Tageszeitungen wurde gerade im verstärkten Maß auf Comics aufmerksam. Der ewig herrschende Gedanke, Comics seien »Kinderkram« begann sich zu ändern. Man registrierte, dass Comics auch anspruchsvolle Inhalte vermitteln. Mit anderen Worten, erwachsene Besucher der Buchmesse hatten nun einen konkreten Grund, das Comic-Zentrum zu besuchen.

Zweitens, die Manga-Welle begann zu rollen und damit wurde ein gänzlich neues Publikum angesprochen: Mädchen und weibliche Jugendliche. Generell wurden Comics (in dem Fall Manga) für das jugendliche Publikum wieder interessanter.

Drittens war bis dahin ein Problem, dass die ganzen Comicverlage, die ja auch schon vorher auf der Buchmesse ausgestellt hatten, auf mehrere Hallen verteilt waren, was rein praktisch lange Fußwege beinhaltete. Im der neuen Sachgruppe »Comic« mit dem Schwerpunkt Comic-Zentrum kamen sie nun zusammen.

[Birgit Fricke]: Für die Frankfurter Buchmesse war es damals sehr wichtig, sich auch als junge »unverstaubte« Messe zu positionieren. Da bot sich auch aus den von Wolle genannten Gründen das Thema Comics bestens dazu an.

Welche Aufgaben habt ihr?

[WS] Ich bin in erster Linie für die Programmgestaltung des Comic-Zentrums und den CosplayCorner (einem speziellen Bereich für die tausenden von Cosplayer, der am Wochenende im Congress Center angesiedelt ist) zuständig, sowie für die Kontakte zur Fachpresse und den Fans.

[BF] Ich bin unter vielen anderen Projekten für die Gesamtplanung des Zentrums und auch für die Comic-Verlage zusammen mit meiner Kollegin Yvonne zuständig. Das heißt auch für die Finanzierung, den Bau des Zentrums, die Öffentlichkeitsarbeit, die praktische Umsetzung. Das klingt alles erst einmal nicht so wahnsinnig viel, aber wenn bedenkt, dass hier sehr viele Bereiche rund um das Zentrum existieren, wie z.B. die beiden Preise, der Cartoon-Preis, der Sondermann, der CosplayCorner mit der Cosplay-Meisterschaft und die ganzen Details, die wir mehr oder minder zu zweit umsetzen, dann ist das ganz schön viel Arbeit. Wolle untertreibt natürlich, eigentlich teilen wir uns die Arbeit und er ist in alles involviert. Ich glaube, diesen Arbeitseinsatz kann man nur leiten, wenn da Comic-Herzblut fließt... 

Wie ist der aktuelle Stand der Vorbereitungen?

[WS] Die Comic-Veranstaltungen für das Wochenende stehen, das gedruckte Programm geht gerade in Druck. Wir sprechen mit den Ausstellern, mit denen wir zusammen die Veranstaltungen planen, gerade die Details ab (z. b. mit Reprodukt, Cross Cult, Splitter, Tokyopop, Mosaik, Salleck, Carlsen oder Egmont).
Die digitalen und crossmedialen Präsentationen, die vor allem an den Fachbesuchertagen stattfinden werden, sind gerade in Planung.

[BF]:  Uns ist es sehr wichtig das Thema Comic in diesem Jahr mit neuem Schwung in die Themen der Zukunft »crossmediale Verwertungsformen«, neue Wege auf völlig neuen Vertriebsschienen, wie kann man Produkte über Social Media Kanäle bewerben, zu nehmen.

Für diesen Teil des Programms planen wir im Moment noch, auch mit Firmen, die vorher nicht im Comic-Zentrum vertreten waren.

Welche Veränderungen gibt es zum Vorjahr programmatisch und vom Konzept?

[BF] Das Konzept bleibt eigentlich gleich, es gibt das Zentrum, es gibt die Signiertische, die Leseecke und auch die Bühne, die wir in diesem Jahr mit dem »Hot Spot Kids & Comics« teilen. Wir haben das Gemeinschaftsregal zur Gemeinschaftspräsentation aufgewertet und möchten damit kleineren Verlagen, die sich eine Messepräsenz mit vollem Personaleinsatz für fünf Tage nicht leisten können, eine Heimat im Comic-Areal geben und um Verlagen, die an anderen Standorten sind eine finanzierbare Möglichkeit der Zweitpräsenz. Dazu gehören auch z.B. auch Comic Verlage wie Reprodukt und Boccola, aber auch Belletristen, die Comic im Programm haben.

Welche Comic-Verlage sind neu dabei, welche sind nicht mehr dabei?

[WS] Neu dabei sind unter anderem wieder Splitter/toonfish, Hilland Medien oder auch PPM, die im letzten Jahr aus internen Gründen pausiert hatten, sowie ein paar weitere, die am Comic-Gemeinschaftsstand vertreten sind, wie z.B. Reprodukt oder stainlessArt. Dazu kommen mehrere ausländische Verlage,  z.B. Edge aus England und Cartoon Passion aus den USA, die in diesem Jahr zum ersten Mal im Comic-Zentrum ausstellen werden.

Nicht mehr dabei sind unter anderem VIZ Media, die ja auch gerade generell abspecken, und aus Deutschland Die Biblyothek, eidalon oder die in die Halle 4.1 abgewanderten Schreiber & Leser.

Generell ist es natürlich so, dass manche der Buchverlage und auch der kleinen Comicverlage dann auch im Comic-Zentrum ausstellen, wenn sie gerade neue Comics im Programm haben. Das bedeutet, dass es eine natürliche Fluktuation gibt, die sich im Großen und Ganzen ausgleicht.

Stichwort »Abwanderung von Comic-Verlagen«. Mit welchen Herausforderungen hat man zu kämpfen, um das »Comic Zentrum« weiterhin auf die Beine zu stellen.

[WS] Sicherlich ist ein Grund die veränderte Situation bei der Wahrnehmung von Comics allgemein. Ironischerweise haben wir mit dafür gesorgt, dass der enorme Widerhall in der Öffentlichkeit zum Comic-Zentrum auf der Buchmesse und der damit einhergehenden anderen Wahrnehmung in der literarisch interessierten Leserschaft – man könnte sagen, wir haben da ein Stück »Aufklärung« betrieben -, dass das also dafür gesorgt hat, dass Graphic Novel-Verlage wie Reprodukt und die Edition Moderne jetzt auch auf der Buchmesse verstärkt genau dieses Publikum ansprechen möchte und sich deshalb eher in der Belletristik sieht als im Comic.

Wenn es Unzufriedenheit bei Ausstellern gibt, versuchen wir, mit diesen zu sprechen und, soweit möglich, auf Wünsche und Anregungen einzugehen. Beispielsweise kam von mehreren Ausstellern der Wunsch, die Kategorien beim Sondermann im Vergleich zum Vorjahr etwas zu ändern, um besser den Werbeeffekt für die Sieger nutzen zu können. Gerade was Änderungswünsche anbelangt, sind wir natürlich sehr stark an den Interessen der Aussteller interessiert, denn für die machen wir ja das Comic-Zentrum.

[BF] Ich glaube in kaum einem anderen Markt arbeiten wir so eng zusammen mit den Ausstellern und entlang deren Bedürfnissen, wie für die Sachgruppe Comic. Das ist wahrscheinlich die größte Herausforderung, möglichst allen Interessen gerecht zu werden und trotzdem noch den guten Weg in der Mitte zu finden, und für mich ist natürlich jedes Jahr die Planung der Finanzierung des Zentrums eine große Herausforderung.

Wie schätzt ihr die Akzeptanz des Programms (»Faszination Comic«) ein? Manche Programmpunkte letztes Jahr waren sehr schlecht besucht.

[WS] Natürlich ist die Akzeptanz bei den Veranstaltungen unterschiedlich. Wir hatten im letzten Jahr zwei, drei Veranstaltungen, die tatsächlich mit rund zehn Zuhörern ziemlich schlecht besucht waren. Das hatte mehrere Gründe, die ich allerdings nicht näher aufführen möchte, weil sonst leicht der Eindruck entstehen könnte, dass vielleicht jemand »schuld« sein könnte. Ich selbst habe mich aber natürlich schon gefragt, ob ich oder wir bei der Themenauswahl oder der Umsetzung auf der Bühne in diesen Fällen falsch gelegen haben. Ich würde mir dann diesen Schuh, nicht  gerne, aber trotzdem, auch anziehen. Man sollte aber nicht vergessen, dass alle Veranstaltungen immer mit den Verlagen abgesprochen, bzw. auf Wunsch der Verlage stattgefunden haben. Außerdem muss man auch sehen, dass wir mehrere Veranstaltungen mit hundert Besuchern (und mehr passen echt nicht ins Comic-Zentrum) hatten, sowie einen Event mit knapp 2.000 Besuchern, wobei wir noch rund 500 abweisen mussten, weil der Saal voll war.

[BF] Über die Besucherzahlen im Comic Zentrum, bei über 3.000 Konkurrenzveranstaltungen, würde sich mancher Verlag freuen. Dass man mit Veranstaltungen auch manchmal danebenliegen kann oder auch einfach nur die falsche Zeit am Tag gewählt hat, ist normal.

Wie kann man größeres Interesse generieren?

[BF] Wolle und ich haben uns schon anlässlich des Jubiläums darüber unterhalten, dass es an der Zeit ist, das Thema und natürlich auch uns, als Organisatoren, kritisch zu betrachten. Wir haben uns damals für die ersten Schritte hin zu den digitalen Medien entschieden und gehen diesen Weg dieses Jahr konsequent weiter. Es ist auch immer die Frage, wessen Interesse gesteigert werden soll. In der letzten Zeit kam verstärkt wieder die Frage nach dem stationären Buchhandel auf, wahrscheinlich ausgelöst durch den Umzug von Reprodukt und der Edition Moderne in die Halle 4.1. Über dieses Thema werden Wolle und ich uns sicherlich sehr schnell noch einmal Gedanken machen und dann unsere Abteilung, die sich um Fachbesucher kümmert, mit ins Boot holen. Interesse steigern, bei einer so großen Veranstaltung wie der Frankfurter Buchmesse, kann man nur ganz gezielt und in konzertierten Aktionen.

Man merkt, dass ihr euch nicht auf Lorbeeren ausruht, sondern bemüht seid, immer wieder neue Impulse zu senden, um das Interesse hoch zu halten. Dafür wünschen wir euch viel Energie und Ausdauer. Vielen Dank für das Beantworten der Fragen.

Abbildungen:

Foto Buchmesse 2010 © Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.
Foto B. Fricke © Birgit Fricke
Foto W. Strzyz © Wolfgang Strzyz