Große Winsor McCay Ausstellung gestartet

Little Nemo

Abt: Muss man gesehen haben

Winsor McCay in der Nähe von Köln
Start der großen Wanderausstellung über das Werk des Little Nemo -Erfinders

Titelbild des AusstellungskatalogsDie Blütezeit der klassischen Zeitungsstrips in den USA ist längst passé, doch ihre Einflüsse sind heute noch spürbar. Ihrer Faszination können sich auch in Deutschland die Freunde des Mediums nicht entziehen. Einer, der sich seit vielen Jahren intensiv mit den Klassikern der Zeitungscomics auseinandersetzt, ist Alexander Braun.

So manche Ausstellung mit Exponaten der sequentiellen Kunst hat der Vollblut-Experte bereits kundig zusammengestellt und zuletzt machte er mit seinem prächtig produzierten Buch »Jahrhundert der Comics – Die Zeitungs-Strip-Jahre« von sich Reden.

Vor wenigen Tagen wurde sein neustes Projekt eröffnet: eine Ausstellung, die sich dem Zeichentrick-Pionier und Comic-Zeichner Winsor McCay ((1869 – 1934) widmet. Seit 15. Januar 2012 kann man in Troisdorf auf den Spuren des grandiosen Künstlers wandeln. Für CRON sprach Matthias Hofmann mit Alexander Braun über sein beeindruckendes Projekt.


Wie ist Deine Gemütslage jetzt kurz nach der Eröffnung der Ausstellung?

Erschöpft, aber glücklich! Wie nach 14 Tagen »RTL-Dschungel-Camp«, nur dass die Abwesenheit vom normalen Leben hier länger währte.

Alexander BraunWie kam es zu diesem Thema und seit wann bist Du damit beschäftigt, das alles auf die Beine zu stellen?

Die Kernarbeitszeit, was das Zusammentragen der Leihgaben aus Halb-Europa betrifft, das Rahmen, das Scannen der Exponate und vor allen Dingen das Schreiben und Layouten des begleitenden Buchs umfasste die letzten zehn Monate. Die Gespräche mit den beteiligten Institutionen und letztlich die damit zusammenhängende Finanzierung erstreckte sich über zwei Jahre.

Das Thema dagegen brannte mir mehr oder weniger drängend seit meinem Kunst-Studium in den späten 1980er-Jahren auf den Nägeln. Es hat mich immer maßlos geärgert und beschämt, dass McCay nicht von der »Hochkultur« zur Kenntnis genommen wird, obwohl er quasi Traumdeutung in zeitlicher Augenhöhe mit Sigmund Freud und Surrealismus in Reinkultur betrieben hat – letzteres immerhin fast zwei Jahrzehnte vor den französischen Surrealisten.

Welche Exponate sind deiner persönlichen Meinung nach die Highlights?

Ich denke, für das normale Publikum ist die Pracht der Little Nemo-Seiten am beeindruckendsten, insbesondere wenn man das großformatige Original-Artwork neben der farbig gedruckten Zeitungsseite betrachten kann. Und selbstverständlich McCays Zeichentrickfilme! Ich staune immer wieder über die Verwunderung der Besucher, die denken, Zeichentrick würde es erst seit der Zeit von Walt Disney geben...

Für den Insider ist dagegen vielleicht jene legendäre Seite von Interesse, die McCay selbst am Zeichenbrett zeigt, wie er krampfhaft nach einer Idee für einen Comic sucht. Und dann kommt dieses kleine Tierchen vorbeigehüpft, das »idea« auf seinem Gefieder trägt. Kaum ist es da, ist es auch schon wieder weg. Flüchtig eben, wie eine Idee. So eine Seite im Original, Tusche auf Zeichenkarton, zu sehen, macht zweifellos großen Spaß.

Panel aus Little Nemo Sonntagsseite vom 10. Oktober 1909

Was war die schwierigste Klippe, die es bei der Organisation zu umschiffen gab?

Das Schwierigste ist immer, das nötige Budget aufzutreiben. Selbst bei aller Bereitschaft, sich gnadenlos selbst auszubeuten und einzubringen, braucht man z.B. das Geld für nötige Konservierungsmaßnahmen, um 100 Jahre alte Zeitungsseiten überhaupt verantwortungsvoll in die Senkrechte zu bekommen. Und ein 368 Seiten Hardcover-Katalog in Farbe kostet halt auch seinen Preis.

Wenn es in Summe mehr Geld geben würde, dass man bestimmte Aufgaben leichter delegieren könnte, wäre das leichter. So läuft es immer auf einen selbst hinaus, weil die eigene Arbeitskraft am Ende des Tages keine Rechnung schreibt. Aber das wird hier bei Euch beim COMIC REPORT und bei kleinen ambitionierten Comic-Verlagen vermutlich nicht anders sein.

Gertie the Dinosaur (1914)

Panel aus Little Nemo Sonntagsseite vom 26.08.1906

Du sprichst ein wahres Wort gelassen aus …Musste es denn, bei aller Großartigkeit Deines Buches, unbedingt eine so ambitionierte Publikation über McCay sein?

Ja, definitiv. Die Ausstellung ist eher das Mittel zum Zweck. Ich mache selbst ohnehin vier, fünf Ausstellungen im Jahr. Das permanente Auf- und Abbauen von Kunstwerken finde ich nicht so attraktiv, als dass es für mich noch zusätzlicher Comic-Ausstellungen bedürfen würde.

Midsummer Day Dream (1911, Sammlung Nahmias, Mailand)Es ist schön, wenn die Ausstellungen am Ende von ein paar Tausend Besuchern gesehen werden, aber das hilft der Reputation fürs Medium Comic nicht wirklich weiter. Wir können die Wahrnehmung und die ernsthafte Beschäftigung mit dem Medium nur langfristig verändern, wenn es substanziell Geschriebenes gibt, auf das an anderer Stelle, von anderen Fachleuten oder Kunsthistorikern aufgebaut werden kann.

Es muss am Ende etwas Bleibendes geben, das die Anstrengungen der Jahre 2011/2012 hier dokumentiert und rechtfertigt. Wenn wir das nicht haben, bleibt es ein ums andere Mal nur bei einem Strohfeuer. Ohne eine adäquate Publikation, die die Bedeutung des McCayschen Oeuvres nachhaltig unterstreicht, hätte ich das alles nicht gemacht.

Von Winsor McCay einmal abgesehen: Welche Zeitungscomics gefallen Dir am besten?

Wie vielleicht nicht anders zu erwarten, bin ich Fan der Klassiker: McCay und George Herriman. Unerreicht! Völlig ohne Konkurrenz!

Cliff Sterrett, Milton Caniff, Hal Foster. Die waren bereits Gegenstand meines »Jahrhundert der Comics – Die Zeitungs-Strip-Jahre«-Projekts vor drei Jahren. Ich fand zuletzt aber die Wiederentdeckungen von den Mumins (Reprodukt) und King Aroo (Bocola) extrem interessant. Beide Strips sind sehr charmant, aber auch sehr schräg, eigenständig und exzentrisch. Beide Serien sind absolut eine Entdeckung wert.

Und ich erschließe mir gerade Patrick McDonnells Mutts. Ich hatte das immer irgendwie am Rand zur Kenntnis genommen, habe es aber nie intensiv gelesen. Das war ein Fehler. Leider ist der Strip bei Krüger in den späten 1990er-Jahren schlecht vermarktet und dann für den deutschen Markt aufgegeben worden. Mutts kann man nicht auf der Schiene Hägar oder Garfield promoten. Dafür ist der Strip zu anspielungsreich und intellektuell.

Abbildungen/Foto © Alexander Braun


Die nackten Fakten

Ausstellung

»Winsor McCay – Comics, Filme, Träume«

Datum:
15.01.2012 bis 04.03.2012
Ort:
Bilderbuchmuseum der Stadt Troisdorf, Burg Wissem, Burgallee 1, 53840 Troisdorf
Telefon: 02241/ 8841-421 oder 427, Fax: 02241/ 8841-865
eMail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.
Internet: www.bilderbuchmuseum.de

Die Ausstellung stellt das Werk des Comic-Künstlers und Zeichentrickpioniers Winsor McCay (1869 – 1934) vor, dem bisher weder in seinem Heimatland, den USA, noch im deutschsprachigen Raum je eine retrospektive Ausstellung gewidmet war. McCay ist einer der wichtigsten Zeichner des 20. Jahrhunderts, der das noch junge Medium der Comics maßgeblich geprägt hat.

Innovative Bildfindungen, kinematographische Perspektiven und surrealistische Inhalte prägen das Werk und sind bis heute unerreicht geblieben. Nicht zuletzt seine explizite und umfangreiche Auseinandersetzung mit menschlichen Manien, Träumen und Alpträumen in seinen beiden Hauptserien Little Nemo in Slumberland (ab 1905) und Dream of the Rarebit Fiend (ab 1904) macht sein Werk der bildenden Kunst seiner Zeit ebenbürtig.

Dies ist eine Wanderausstellung. Die nächsten Termine und Orte sind:

11. März – 3. Juni 2012:
Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst Hannover

7. – 10. Juni 2012:
15. Internationaler Comic-Salon Erlangen

22. Juni – 28. Oktober 2012:
Cartoonmuseum Basel

9. November 2012 – 13. Januar 2013:
Graphik-Kabinett Backnang

Frühling 2013:
Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Kooperation mit der Galerie im RWE-Tower, Dortmund

Zur Ausstellung ist ein prächtiges Katalogbuch erschienen:

Alexander Braun: Winsor McCay – Comics, Filme, Träume
368 Seiten mit mehr als 700 Farbabb., Hardcover mit Lesezeichen.
In der Ausstellung: EUR 39,-
Im Buchhandel: EUR 49,- (Bocola Verlag)

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