Am 15. März bildet der Besuch von Chris Ware und Scott McCloud in Berlin den Auftakt des diesjährigen Internationalen Literaturfestivals (4. bis 15. September 2013). CRON sprach mit Jens Balzer von der Berliner Zeitung, der die Lesungen von Scott McCloud vor Schülern moderiert.
Chris Ware und Scott McCloud am 15. März zu Gast beim Internationalen Literaturfestivals Berlin
Anlässlich der Leipziger Buchmesse, die in der kommenden Woche ihre Pforten öffnet, sind auch mehrere Autoren und Zeichner aus den Vereinigten Staaten in Deutschland zu Gast. Während Chris Ware auf der Buchmesse seine endlich in deutscher Übersetzung erschienene Graphic Novel Jimmy Corrigan bei Reprodukt vorstellt und Christoph Niemann sein Buch Abstract City - Mein Leben unterm Strich (Knesebeck Verlag) im Gepäck hat, kommt Autor, Zeichner und Comicanalyst Scott McCloud auf Einladung des ilb - Internationales Literaturfestival Berlin in die deutsche Hauptstadt. Hier werden Ware, Niemann und McCloud am 15. März etliche Lesungen halten und Gespräche führen und damit den Auftakt zum diesjährigen Internationalen Literaturfestival Berlin bilden.
Als besonders interessant könnte sich dabei der Auftritt von Scott McCloud vor Schülern herausstellen, in dem er über das Schreiben mit Bildern und das Verhältnis zwischen Comic und Internet spricht. Die Moderation dieser Lesung in englischer Sprache übernimmt Jens Balzer von der Berliner Zeitung, mit dem wir uns über die bevorstehende Begegnung unterhalten haben.
Jens, was erwartest du von deinem Treffen mit Scott McCloud und seiner Lesung?
Unterhaltung und Belehrung! Wer schon mal ein Buch von ihm gelesen oder gar einen Vortrag von ihm gehört hat, der weiß, dass er nicht nur ein enorm inspirierter Theoretiker ist, sondern dass er seine Thesen auch in der verständlichsten und kurzweiligsten Weise darzulegen versteht. Wie ein Comic funktioniert und was man beachten muss, wenn man selber einen Comic machen will - das erklärt er mit den Mitteln des Comic so, dass man es ohne jede Vorkenntnis und Vorbildung versteht, aber auch so, dass selbst Comic-Experten die Sache nochmal von einer ganz anderen, oft überraschenden Seite kennenlernen können. Der Comic erscheint bei ihm total komplex und absolut einfach zur gleichen Zeit.
Ist es das erste Mal, dass du McCloud triffst?
Das zweite Mal. Das erste Mal ist aber schon eine Weile her: Das war 1994 auf dem Comic-Salon in Erlangen. Damals war gerade die deutsche Ausgabe von Comics richtig lesen erschienen, deswegen führte ich ein langes Interview mit ihm für die gerade wiederbelebte Comixene. Es ging um Comics, Ästhetik und Zeichentheorie und die Frage, ob in seiner Darstellung des Comic die historisch gewachsene Vielfalt an unterschiedlichen Comic-Gattungen und Medien nicht zu kurz kommt. Seine nächsten beiden Bücher, Comics neu erfinden und Comics machen, hab ich dann ja ins Deutsche übersetzt, aber da lief die Kommunikation komplett über das Lektorat.
Scott McCloud (links) und Jens Balzer 1994 in Erlangen. Foto: Jens R. Nielsen
McCloud wird ja vor Schulklassen lesen. Hast du Erfahrung mit dieser Art Veranstaltung?
Mit Schulklassen nicht, aber ich habe schon diverse Uni-Seminare zum Thema Comic gegeben, gerade auch vor Erstsemestern, was sich ja dann vom Alter kaum unterscheidet. Und ich kann nur sagen, das macht sehr viel Spaß, weil die enorm wissbegierig sind und oft auch überraschend viel Vorwissen mitbringen. Vor zwanzig Jahren, als Scotts erstes Buch erschien, haben wir uns ja noch viel den Kopf darüber zerbrochen, wie man den schlechten Ruf der Comics verbessert, wie Comics erwachsen werden usw. ... das ist heute gar kein Thema mehr, im Gegenteil, für die nachwachsenden Generationen sind Comics ein selbstverständliches Medium. Aus allen nur denkbaren Bereichen der Kultur führen Verbindungslinien dahin, vom Webdesign bis zur Computerspielästhetik, vom multimedialen E-Book bis zum Musikvideoclip... Insofern wird man auch mit den Schulklassen da schnell eine gemeinsame Ebene finden.
Und Scott McCloud?
Der hat, glaube ich, vor jeder nur denkbaren Zielgruppe schon mal referiert, vom Literaturhaus bis zur San Diego Comic Con, von der Schulklasse bis zur Managementspitze von Apple und Google. Bei der Vorbereitung meinte er nur, dass er vor Erwachsenen und Jugendlichen oder Kindern grundsätzlich die gleichen Vorträge hält, weil die ohnehin allgemein und intuitiv verständlich abgefasst sind. Sehr sympathisch!
Wird es auch ein Gespräch zwischen McCloud und dem ebenfalls bei der Veranstaltung erwarteten Chris Ware geben?
Geplant ist das, glaube ich, nicht. Es gibt abends im Gropius Bau zwei getrennte, jeweils von Andreas Platthaus moderierte Veranstaltungen, die eine mit Scott, die andere mit Chris Ware und Christoph Niemann.
Bleibt für euch noch Zeit für einen Bummel durch Berlin?
Berghain, Watergate, Kater Holzig - ich habe natürlich schon mal eine amtliche Clubtour für Scott organisiert. Mal sehen, was er verträgt und wie lange er durchhält.
Die letzte Veröffentlichung von Scott McCloud, Making Comics (2006), liegt schon einige Zeit zurück. Weißt du, an was er gerade arbeitet?
Soweit ich sehe, ist gerade kein neues Buch in Arbeit - was erklärlich ist, wenn man sich seinen vollgepackten Terminplan ansieht, er ist gewissermaßen auf neverending Vortragstour. Ist aber trotzdem schade, denn angesichts des massiven Medienwandels möchte man gerade zu dem - damals etwas untergegangenen und bis heute unterschätzten - Comics neu erfinden-Buch von 2001 dringend ein Update und eine Fortsetzung lesen.
Das Gespräch führte Volker Hamann
Alle Fakten zu den Comic-Veranstaltungen des ilb am 15. März 2013
15.03.2013 / 10.00: Scott McCloud - Lecture (für Schulklassen)
Scott McCloud hat für seine Erkundungen der Theorie und der Geschichte des Comics eine konsequente Form gewählt: er erzählt sie als Comic. Seine drei auch in Deutschland erschienen Bände Comics richtig lesen, Comics neu erfinden und Comics machen waren weltweit erfolgreich und gelten als Standardwerke zum Thema. Er wird im Rahmen seines Berliner Aufenthalts in zwei Veranstaltungen (davon eine vor SchülerInnen) sprechen über Comic als Schreiben mit Bildern, Kinder und Kunst, Grundsätze des Geschichtenerzählens und das Verhältnis zwischen Comic und Internet. (Veranstaltung auf englisch)
Moderation: Jens Balzer (Berliner Zeitung)
Ort: BABYLON, Rosa-Luxemburg-Straße 30, 10178 Berlin
Eintritt: 3,- € (Schüler); 12,- € / 8,- €
Reservierung: 030 - 27.87.86.20 oder E-Mail an
15.03.2013 / 18.00: Scott McCloud - Lecture
Moderation: Andreas Platthaus (FAZ)
Begrüßung: Katharina Göllner-Sweet [Kulturattachée der US-Botschaft]
Ort: Martin-Gropius-Bau / Kinosaal, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin
Eintritt: 12,- € / 8,- €
Reservierung: 030 - 27.87.86.20 oder E-Mail an
15.03.2013 / 20.00: Christoph Niemann im Gespräch mit Chris Ware über Jimmy Corrigan
Der Anlass von Chris Wares Besuch in Berlin ist das Erscheinen seiner Graphic Novel Jimmy Corrigan in deutscher Übersetzung beim Berliner REPRODUKT Verlag. Diese in Amerika bereits als »Jahrhundert-Comic« gefeierte Graphic Novel gilt »als einer der wenigen Meilensteine einer ganzen Gattung: Er steht neben ‚Maus’ von Art Spiegelman.« (Andreas Platthaus). Die Gesprächspartner und Moderatoren des Programms sind ausgewiesene Comic-Experten: der Berliner Grafiker Christoph Niemann (Abstract City - Mein Leben unterm Strich / Knesebeck Verlag) und Andreas Platthaus (FAZ). (Veranstaltung in Englisch)
Moderation: Andreas Platthaus (FAZ)
Ort: Martin-Gropius-Bau / Kinosaal, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin
Eintritt: 12,- € / 8,- €
Reservierung: 030 - 27.87.86.20 oder E-Mail an
Veranstaltungspartner sind die Verlage CARLSEN und REPRODUKT, der Martin-Gropius-Bau, die Buchhandlung Modern Graphics und www.comic-report.de.