Manga-Eigenproduktionen Teil 3: Egmont Manga

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Nicht alle Manga kommen aus Japan. Es gibt auch deutsche Eigenproduktionen, die durchaus mit den asiatischen Originalen mithalten können. Dies werde jedoch von den großen deutschen Manga-Verlagen nicht entsprechend gewürdigt. Heißt es. Ein kürzlich vom Tagesspiegel veröffentlichter Artikel attestiert den großen Verlag gar Versagen auf ganzer Linie. Ist das so? CRON hat investigiert.

Stellungnahmen der großen Manga-Verlage

Einleitung (CRON)
Teil 1: Kai-Steffen Schwarz (Carlsen Manga)
Teil 2: Dr. Joachim Kaps (TOKYOPOP)
Teil 3: Jonas Blaumann (Egmont Manga)
Teil 4: Patrick Peltsch (KAZÉ Manga)


Jonas Blaumann (Programmleiter Egmont Manga)

Was gibt es zu der Situation, wie in dem Artikel beschrieben zu sagen

jonasblaumannGrundsätzlich ist die Situation ganz ordentlich zusammengefasst. Jedoch sind manche Schlussfolgerungen etwas fehlgeleitet. Zur grundsätzlichen Aussage, den großen Verlagen ein Versagen vorzuwerfen, äußere ich mich im Folgenden.

Richtig ist, dass durch die Konzentration auf die Lizenzen aus Japan, die für das wirtschaftliche Bestehen der großen Manga-Verlage ganz klar am wichtigsten sind, die Möglichkeiten zur redaktionellen Betreuung und auch zur Vermarktung eines deutschen Künstlers geringer sind. In Japan wird eine Manga-Serie zumeist von einem Redakteur betreut, der sonst nichts anderes macht. In Deutschland betreut ein Redakteur im Schnitt drei bis zwölf Manga-Titel pro Monat, und dann eben nebenher noch hin und wieder eine Eigenproduktion, die ungleich viel aufwändiger ist.

Was in dem Artikel aber verschwiegen wird: Die meisten Manga-Eigenproduktionen haben in der Produktion deutlich länger gebraucht als geplant, waren dadurch vertrieblich und marketingtechnisch oft schwierig zu begleiten, weil die Künstler eben nicht rechtzeitig fertig wurden (manchmal überhaupt nicht). Es wurden immer wieder Manga-Eigenproduktionen angekündigt, die niemals erschienen sind. Oder durch selbstverschuldete Hektik wurden die Ergebnisse eben nicht so gut wie am Anfang gedacht, was wiederum zu Misserfolgen der Bücher geführt hat

Termindisziplin und Professionalität sind bei den jungen Künstlern nicht immer gegeben. Sie haben meist wenig Erfahrung im Arbeitsleben und müssen sich plötzlich an Verträge, Absprachen und enge Deadlines halten. Das soll kein Vorwurf sein, aber es erklärt eben auch, warum viele der „hoffnungsvollen Karrieren“ frühzeitig „ein Ende fanden“.

Die Frage ist doch auch, inwieweit sich die Verlage bei der „Ausbildung“ von jungen Künstlern in die Pflicht nehmen können. Bis zu einem gewissen Grad sind wir natürlich bereit, zu fördern und zu investieren, jedoch müssen irgendwann die Ergebnisse stimmen. Romanautoren oder Musiker werden doch auch nicht in ihrem Verlag zu solchen ausgebildet.

Richtig ist auch, dass die Honorare in Deutschland leider nicht so hoch sind, dass man davon leben könnte, zumindest nicht am Anfang und vor allem nicht als alleiniges Einkommen. Das führt auch dazu, dass ein Künstler eben nicht mal schnell in wenigen Monaten einen Manga-Band produzieren kann. Er oder sie muss ja schließlich nebenher was anderes arbeiten, um über die Runden zu kommen.

Ebenfalls richtig ist, dass es heute weniger Eigenproduktionen bei den großen Verlagen gibt als phasenweise in den 2000er Jahren. Das liegt einerseits daran, dass die Investitionsbereitschaft nach unten gegangen ist, natürlich aber auch am mangelnden Erfolg der meisten veröffentlichten Bücher, vom hohen redaktionellen Aufwand ganz zu schweigen

Wenn man heute zurückblickt, wurde vielleicht auch einiges veröffentlicht, was qualitativ nicht unbedingt mit der großen Konkurrenz aus Japan mithalten konnte, und das hat sich dann eben nicht durchgesetzt. Das kann man durchaus den Verlagen zuschreiben.

Falsch ist aber, dass die großen Verlage nichts mehr für junge Künstler aus Deutschland tun. Bei Egmont kommt jetzt im März der Band DEMON LORD CAMIO (von Marika Herzog und Michel Decomain) raus, dessen Stellenwert im Programm u.a. daran zu erkennen ist, dass er das Cover des Shinkan (Gratis-Manga-Preview von EMA) zierte. Bei Carlsen werden immer wieder tolle Projekte gemacht wie aktuell SKULL PARTY von Melanie Schober. Dafür wurde ein Riesenmarketingbudget zur Verfügung gestellt. Und über die anhaltenden Erfolge von Anna Hollmanns STUPID STORY bei Tokyopop brauchen wir auch nicht zu diskutieren. Das sind nur einige Beispiele. Es ist eben wie in allen andere Bereichen auch: Qualität setzt sich durch! Künstler, die einerseits qualitativ hochwertige Manga machen, anderseits aber auch professionell und zuverlässig arbeiten, werden auch weiterhin ihre Chancen bei großen Verlagen bekommen.

Demon Lord CamioReinschauen ist jetzt Pflicht:
Demon Lord Camio von Marika Herzog und Michel Decomain

Es wäre interessant zu sehen, wie viel Arbeitszeit, Aufwand und auch Geld die drei großen Verlage seit dem Jahr 2000 bis heute in deutsche Nachwuchskünstler insgesamt investiert haben. Zu sagen, es gebe keine Nachwuchsförderung mehr, wäre falsch.

Ich finde es großartig, was die Nachwuchszeichnerinnen und -zeichner alles auf die Beine stellen, mit wie viel Einsatz und Hingabe sie ihre Geschichten erzählen und selbst verbreiten! Unter anderem deshalb arbeite ich in dieser Branche. Aber so positiv die Erfolge der Doujinshi-Szene auch immer wieder dargestellt werden, mit hohen dreistelligen Auflagen (selbst mit niedrigen vierstelligen) kann auf Dauer kein großer Verlag bestehen. Und auch keine ausreichenden Honorare bezahlen. Es gibt eben nur wenige Künstler, deren Werke entsprechende Stückzahlen schaffen. Und diese veröffentlichen ihre Manga bei den großen Verlagen und werden das auch weiterhin tun.

Wieso gibt es bei Euch kaum Eigenproduktionen?

Ich denke, einige meiner Punkte oben erklären das.

Aber wir werden auch in Zukunft weiterhin Eigenproduktionen veröffentlichen, junge Künstler fördern und tolle Bücher herausbringen. Ich bin erst seit kurzem für das Manga-Programm bei Egmont zuständig, deshalb spreche ich jetzt für die Zukunft. Wenn wir von einer Arbeit und einer Künstlerin/einem Künstler überzeugt sind, werden wir fördern, investieren und auch publizieren.

Foto © EMA, Abbildungen © EMA/Marika Herzog/Michael Decomain