Frisch Gelesen Folge 69: Dan Cooper Gesamtausgabe 1

Dan Cooper Gesamtausgabe 1

»Wer hätte gedacht, dass du mal als Sternschnuppe enden würdest, Cooper?«


FRISCH GELESEN: Archiv


Dan Cooper Gesamtausgabe 1

Dan Cooper Gesamtausgabe Band 1

Story: Albert Weinberg
Zeichnungen: Albert Weinberg

Splitter Verlag
Hardcover | 208 Seiten | Farbe | 29,80 €
ISBN: 978-3-95839-342-4

Genre: Fliegercomics

Für alle, die das mögen: frankobelgische Klassiker, Gesamtausgaben, Zack, Buck Danny, Tanguy & Laverdure, Black and Mortimer


 

Dan Cooper, der Held der Lüfte für viele aus der alten ZACK-Generation, fliegt wieder! Nach einer sehr wechselvollen Veröffentlichungshistorie über verschiedene Magazine und Verlage und einem ersten, missglücktem Versuch einer Gesamtausgabe, die über einen einzigen Band nicht hinaus kam, werden jetzt alle 41 Alben sowie viele Kurzgeschichten, Illustrationen und Titelbilder vom Splitter-Verlag in einer schönen Hardcover-Ausgabe neu und erstmals chronologisch veröffentlicht.

Ich war sehr gespannt, ob mich die Geschichten auch heute noch ansprechen würden. Damals fand ich sie deutlich besser als etwa Mick Tanguy, was sicherlich auch an den akribischen technischen Zeichnungen und Erläuterungen lag. Vor einigen Jahren durfte ich Albert Weinberg, den Zeichner und fast alleinigen Autor der Serie persönlich kennenlernen. Seine absolute Freundlichkeit, Akribie und den Wunsch zu unterhalten sowie seine Ausdauer beim Zeichnen von »Dedicaces« waren extrem beeindruckend. Während Zeichner wie Tim Sale in etwa 45 Sekunden brauchen um einen Batman zu skizzieren (der im Übrigen trotzdem überzeugen kann!), nahm sich Weinberg nach einem persönlichen Gespräch, das von Eckart Schott dankenswerter Weise übersetzt wurde, fast 15 Minuten Zeit, um einen formatfüllenden Dan Cooper vor einer Bergkulisse in ein überformatiges Skizzenbuch zu zeichnen. Zudem hatte die Serie schon immer die Besonderheit, Technikbegeisterung nicht nur auf die irdische Militär-Fliegerei zu beschränken, sondern auch zivile Luftfahrt wie z.B. bei Rettungseinsätzen und vor allem Science-Fiction-Elemente zu integrieren. Meine Erwartungen waren daher hoch!

Dan Cooper Gesamtausgabe 1 Leseprobe

Der erste Band der Gesamtausgabe beginnt mit gelungener Cover-Artwork, die gezielt Glanzlack-Akzente einbezieht und wertig aussieht. Wie bei solchen Ausgaben üblich, folgt ein Sekundärbeitrag, der die Entwicklung der Serie und ihres Zeichners beschreibt und einordnet. Obwohl dieser Teil, der die ersten Entwicklungen des jungen Albert Weinberg beschreibt, inhaltlich gelungen ist, enthält er doch den einzigen Wermutstropfen: In der Frühphase hat Weinberg für Dupuis gearbeitet. Seine Zeit dort wird mit allen ihren Problemen anschaulich und ausführlich genug geschildert, die Bebilderung dazu besteht aber neben zwei Abbildungen aus Heroic nur aus Arbeiten, die er in seiner späteren Zeit für das Magazin Tintin angefertigt hat.

Dan Cooper Gesamtausgabe 1 Leseprobe

Danach folgt eine Kurzgeschichte namens »Die Schallmauer«, die nicht zum Dan-Cooper-Kanon gehört, Elemente der späteren Serie aber schon vorwegnimmt. Zeitgerecht ist die erste Seite koloriert, die folgenden dagegen nicht. Durch diese Geschichte wird deutlich, dass die späteren Abenteuer keinesfalls aus dem Nichts entstanden sind, sondern sich die Idee langsam entwickelt hat. Gerade das Entdecken und Nachvollziehen dieser Linien macht für mich den wahren Reiz von Gesamtausgaben aus. Dazu kommen dann auch noch die bisher oft fehlende Chronologie und Vollständigkeit sowie die bibliographischen Angaben zur bisherigen Veröffentlichung im Original und in Deutschland. Wenn dann noch – wie auch in diesem Band – verschiedene Cover abgebildet werden, bleiben eigentlich kaum Wünsche offen.

Die enthaltenen ersten drei Alben der Serie sind zwischen 1954 und 1957 entstanden und haben zusammen 172 Seiten. Inhaltlich bewegen sich diese Anfänge noch in der Tradition von Blake und Mortimer. Es gibt sogar einen wiederkehrenden Schurken namens Sanders, der vielleicht nicht ganz so böse ist wie Olrik, dafür aber auch nicht so offen mit rassistischen Klischees spielt, denn Sanders ist ein »Westler«. Das erste Abenteuer ist noch eine klassische Fliegergeschichte: Dan Cooper soll als Testpilot eine neuentwickelte Maschine, die Blue Delta, fliegen und mit ihr die vierfache Schallgeschwindigkeit erreichen. Sanders befindet sich ebenfalls auf dem Fliegerstützpunkt und versucht im Sinne einer klassischen Industriespionagestory die Pläne und die Treibstoffmischung zu stehlen und an den Meistbietenden zu verkaufen. Dabei geht er in typischer 1950-Jahre-Manier über Leichen. Die Zeichnungen deuten bereits an, dass Weinberg sein Handwerk versteht, sind aber nicht unbedingt besser oder anders als viele andere Arbeiten aus dem damaligen Tintin. Auch den direkten Vergleich mit den Zeichnungen von Edgar-Pierre Jacobs würde Weinberg vielleicht nicht gewinnen. Er kommt dafür aber ohne die für Jacobs typischen Unmengen an erklärendem Text aus, besitzt somit die eingängigere Bildsprache und ist daher viel leichter und eindeutiger zu lesen.

Bereits in der zweiten Geschichte, »Herr über die Sonne«, verlässt Dan Cooper die Erde und erobert den Weltraum. Wieder spielt Sanders die Schurkenrolle und möchte sich für die in Band 1 erlittene Niederlage rächen. Er bekommt die Gelegenheit dazu, beschließt aber wie alle Schurken, den Helden nicht sofort zu vernichten, sondern seine Rache zu zelebrieren, so dass Cooper befreit werden kann. In einer zunächst parallelen Handlung werden Gletscher abgetaut oder Seen verdunsten plötzlich. Cooper entdeckt während eines schief gegangenen Testfluges eine geheime Basis im brasilianischen Dschungel und eine dazugehörige künstliche Weltraumstation (bis zur russischen MIR sollte es noch 30 Jahre dauern!). Mit Hilfe einer dort befindlichen Apparatur sollen Sümpfe trockengelegt und Naturkatastrophen verhindert werden. Jetzt aber wird die Station gekapert (von wem? richtig!) und Sanders ruft sich zum titelgebenden Herren über die Sonne aus, um die Welt zu erpressen. Insbesondere die Weltraumspaziergänge und die Kämpfe im All, Mann gegen Mann, sind extrem spannungsgeladen. Positiv anzumerken wäre vielleicht noch, dass Weinberg versucht, die Taten von Sanders mit den Folgen einer Strahlenvergiftung zu erklären. Selbst die Schurken sind also böse und verwerflich, sogar unmoralisch, verlassen aber nicht den Konsens der Menschlichkeit.

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Auch in der dritten Geschichte, »Die Piraten der Stille«, spielt extrem fortschrittliche Technologie eine Rolle. Lautlose Maschinen greifen Firmenniederlassungen, Raffinerien und Flugzeuge an. Den Fliegern werden dabei die Tragflächen abgeschnitten. Im späteren Verlauf taucht auch noch eine Mischung aus einem Flugzeugträger und einem U-Boot auf. Wieder geht es zunächst scheinbar um Spionage, die sich allerdings später als privater Rachefeldzug entpuppt. Und auch Dans Lieblingsgegner Sanders spielt wieder eine allerdings schon geringere Rolle! Natürlich versucht er erneut erfolglos Cooper zu beseitigen, entwickelt dabei aber schon fast tragikomische Züge. Die Darstellung der Flugzeuge entwickelt sich in diesem Band schon in Richtung der späteren Werke: Sie werden panelfüllend dargestellt. Allein die technischen Beschreibungen sind noch zurückhaltend. Erneut spielt Weinbergs Menschenbild eine große Rolle denn der Schurke hat einfach nur aus Trauer überreagiert, sieht aber seine Verfehlung selbstverständlich ein. Gerade in diesen Plots merkt man das hohe Alter der Geschichten, die heutzutage so keinen Markt mehr finden würden. Trotzdem ist das Abenteuer spannend, handwerklich gut und aufgrund der technischen Innovationen und des unbedingten Fortschrittglaubens immer noch lesenswert.

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Meine hohen Erwartungen wurden also erfüllt: Ein klassischer Comic, der auch heute noch genussvoll lesbar ist, in einer tollen Ausgabe! Das Fehlen der Dupuis-Abbildungen fällt in toto überhaupt nicht ins Gewicht. Einzig der Platzbedarf für 14 Hardcover könnte zum - allerdings lösbaren - Problem werden. Was mir diese Ausgabe allerdings nicht zurückgeben kann, ist das Gefühl, 14 Jahre alt zu sein.

Dazu passt eine kalte Cola stilecht mit Eiswürfeln und einer Zitronenscheibe und je nach Bedarf eine beliebige Ausgabe von Ilja Richters disco oder die erste LP von Suzi Quatro!

[Sven Krantz-Knutzen]

Abbildungen © 2016 Éditions du Lombard/ Splitter Verlag


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