Frisch Gelesen Folge 290: Asadora! 1 & 2

»Was ist das denn? Etwa eine Art von Fußspur?«

Frisch Gelesen Folge 268: MW (Deluxe)

»Verlass mich niemals. Ich lasse dich nicht gehen!«

Frisch Gelesen Folge 260: Alpi – The Soul Sender

»Das stimmt, aber die Dorfbewohner wollen seine Seele in den Himmel senden. Und darum werde ich es tun!«


FRISCH GELESEN: Archiv


Alpi – The Soul Sender Bd. 1 & 2

Text: Rona
Zeichnungen: Rona

Carlsen Manga
Softcover | 176 Seiten | s/w | 7,00 €
ISBN: 978-3-551-77888-8

Softcover | 160 Seiten | s/w | 7,00 €
ISBN: 978-3-551-77889-5

Genre: Fantasy

Für alle, die das mögen: Atelier of Witch Hat, Magus of the Library, Siúil, a Rún



Monster können nichts für faule Autoren! Wie viele Comics, Filme und Romane erschienen in den letzten Jahren und Jahrzehnten, die ihrem Publikum vor Augen hielten: Der Mensch ist doch das wahre Monster. (Das Thema war bereits 1997 nicht mehr neu, aber spätestens da mit der Episode »Der große Mutato« in der fünften Staffel von Akte X durch.) Wie herrlich ist es also, wenn Autoren und Künstler ihre Geschichten mal anders auflösen, sodass Monster nicht unter Generalverdacht für plumpe Lektionen in Fiktionen stehen. Mit seiner Ausgangslage hätte die neue Fantasy-Reihe Alpi von Rona (über den oder die sich kaum Informationen finden lassen) genau dies wunderbar hinbekommen können. Allerdings gelingt ihr das leider nur im Klappentext.


Soul Sender können Flüche von verstorbenen Göttern lösen – so wie Alpi.


Wie sich Monster schaffen lassen: Göttliche Geister wandeln in diesem Manga als fantastische Wesen über die Erde. Zu Lebzeiten eher freundlich gestimmt, verfluchten sie mit ihrem letzten Atemzug jedoch den Ort ihres Todes. Hauptfigur Alpi hilft dann als Mischung aus Exorzistin und Tatortreinigerin. Mit Ritualen, Magie und einem Schwert. Muss, wie bei so vielen anderen Sachen aus dem Fantasy-Genre, keinen tieferen Sinn ergeben. Tut der Plot dann konsequent auch wenig. Allerdings wäre es schön gewesen, wenn Rona hier überhaupt mal Monster oder magische Wesen inszenieren würde.


Selbst in actionreichen Szenen bleiben die Panesl klar strukturiert und aufgeräumt.


Oftmals sind es gerade einmal ein paar Seiten mit den göttlichen Wesen, bevor in den beiden ersten Bänden wieder die Dialoge einsetzen. Was kein Problem wäre, wenn die Charaktere überhaupt etwas zu sagen hätten. Alpi wiederholt jedoch mehrfach nur: »Ich bin eine Soul Sender.« Falls es witzig gemeint sein sollte, ist es nicht der einzige missglückte Scherz. In den beiden ersten Bänden von Alpi zerschießt der Humor die ganze Atmosphäre, weil er oft albern und überdreht daherkommt. In diesem Sinne ist dieser Manga einfach nicht gut erzählt.


Subtile Hinweise zur Charaktermotivation sind bei Alpi nicht zu erwarten.


Die Zeichnungen holen es dafür auf der einen oder anderen Seite wieder heraus, vor allem weil Rona sehr effektiv inszeniert. Ein paar Panels haben starke Hintergründe, andere Bilder müssen mit pragmatischeren (und detailarmen) Lösungen auskommen. Durch die sehr klaren Raster kommt nie große Dynamik rein. So lässt sich der Manga einfach weglesen – nicht zuletzt deshalb, weil er nicht eine herausfordernde oder spannende Seite enthält.


Der Humor taucht in den beiden ersten Bänden der Serie viel zu oft an viel zu unpassenden Stellen auf.


Dass in diesem Manga sehr viele Ideen stecken, zeigt dann der Anhang, in dem die göttlichen Geister wenigsten ein paar zusätzliche Fakten bekommen. Denn in den Bänden selbst tauchen sie kaum auf. Selbst die Cover machen in dieser Hinsicht mehr Eindruck. Nirgends im ersten Band hat Rona dieses Wesen wieder so herrlich und eindrucksvoll aufgefahren wie auf dem Umschlag. So verliert der Manga einfach sehr schnell seinen Reiz. Denn Monster und fantastische Elemente hätten im Fall der Fälle auch so manche Seiten mit hölzernen Charakteren und einem holperigen Plot retten können. Wenn sie denn eine Wahrhaftigkeit ansprechen und aus einer Inspiration entstanden sind. Nur wirkt es bei Alpi so, als ob über den Zeichentisch ein Seufzer der Erleichterung wehte, wenn die Seiten mit den Monstern endlich durch waren. Wie geschrieben: Monster können nichts für ihre Autoren. Das gilt auch für kaum in Erscheinung tretende Monster.

[Björn Bischoff]

Abbildungen © 2021 Carlsen Manga / Soukon no Shoujo to Sourei no Tabi © 2018 by RONA/COAMIX


Kauft den Comic im gut sortierten Comicfachhandel: CRON-Händlerverzeichnis

Oder beim Verlag: Carlsen

Frisch Gelesen Folge 257: Mafalda

Beobachtet das Weltgeschehen kritisch und besorgt: Quinos kleine Titelheldin Mafalda.

»Was wärst du gerne, wenn du leben würdest?«


FRISCH GELESEN: Archiv


Die Bibliothek der Comic-Klassiker Band 5: MafaldaDas Titelbild von Mafalda, Band 5 in Carlsens Bibliothek der Comic-Klassiker.

Story: Quino
Zeichnungen: Quino

Carlsen Comics
Hardcover | 208 Seiten | s/w | 35,00 €
ISBN: 978-3-551-02916-4

Genre: Cartoon, Comicstrips, Funny

Für alle, die das mögen: Funny-Klassiker, starke Mädchen



Mafalda und ich, uns verbindet eine besondere Geschichte. Früh habe ich meine Liebe zu Comics entdeckt, mein Vater hat uns an Wilhelm Busch (bitte jetzt keine Grundsatzdiskussion, ob das zum Medium Comic gehört oder nicht!) und Charles M. Schulz' Peanuts herangeführt. Gerade die Peanuts, die weit mehr selbstbewusste weibliche Charaktere haben als männliche, waren meine Welt. Als ich mich dann mit den Bandes Dessinées befasste, waren meine Erwartungen hoch und wurden doch oft schwer enttäuscht. Starke Frauenfiguren? Meist eher so Fehlanzeige. Umso glücklicher war ich, als ich Mafalda entdeckte. Nicht nur, dass es sich bei diesem Mädchen um eine Namensvetterin von mir handelt – Mafalda gilt als eine romanische Variante des Namens Mathilda, was wiederum eine moderne Version des Namens Mechthild ist –, diese junge Dame hatte es faustdick hinter den Ohren. Zynisch, rotzfrech, politisch, kritisch. Ich war begeistert. Die deutsche Erstausgabe der gesammelten Comicstrips von Carlsen gehörte allerdings meinem Bruder und ich hatte, nachdem wir beide von zu Hause ausgezogen waren, keinen direkten Zugriff mehr darauf.

Am Zustand der Welt hat sich nicht viel geändert: Strip aus Band 5 der Bibliothek der Comic-Klassiker, Quinos Mafalda.
Am Zustand der Welt hat sich nicht viel geändert.


Nun veröffentlicht Carlsen ausgewählte Strips aus zehn Jahren Mafalda als Zusammenstellung in seiner Reihe Die Bibliothek der Comic-Klassiker. Jedoch hat Carlsen den Inhalt nicht selbst kuratiert, sondern greift auf eine spanische Version zurück. Den Einstieg bildet ein längeres Interview von Rodolfo Braceli mit Quino, dem Schöpfer von Mafalda. Auf kurzweilige Art erfährt man hier ein wenig über das Leben Quinos wie auch von der Entstehungsgeschichte Mafaldas. Als klassischer Comicstrip für eine argentinische Zeitschrift rief Quino 1963 Mafalda und ihre Eltern als eine Auftragsarbeit ins Leben. Da das Witzpotenzial in der begrenzten Kleinfamilie recht bald ausgeschöpft war, fügte Quino zuerst Mafaldas Freundin Susanita hinzu. Sie ist quasi der Gegenentwurf zu Mafalda, sie träumt vom Glück im Privaten als Hausfrau und Mutter, kann sich eine Frau per se nicht ohne einen Mann an ihrer Seite vorstellen und will mit Politik oder Weltgeschehen nichts zu tun haben. Quino bezeichnet sie als Mafaldas Mutter in klein. Im Verlauf der Jahre kamen immer neue Charaktere hinzu: Mafaldas bester Freund Felipe, der ewige Pessimist, der sich in seinen Tagträumen ergeht, Miguelito, der Naivling, der allem etwas Schönes abgewinnen kann, Manolito, der Dummkopf, der seinem Vater als mittelprächtiger Kaufmann nacheifert, Guille, Mafaldas kleiner Bruder, der die selbstzufriedene Unbeschwertheit der Jugend ausstrahlt, und die neunmalkluge Libertad, die besonders gut den Erwachsenen den Spiegel vorhalten kann.

So aktuell wie nie: Strip aus Band 5 der Bibliothek der Comic-Klassiker, Quinos Mafalda.
So aktuell wie nie.


Generell liegt hierin die Stärke der Strips von Quino. Er selbst spricht von dem Konflikt, der in den Comics liegt. Kinder bekommen permanent gelehrt, was richtig und was falsch ist, welches Verhalten für sie und andere gut, welches schädlich ist. Doch nur ein Blick in die Zeitung offenbart, dass sich die Erwachsenen in keiner Weise an diese Regeln halten. Und genau aus diesem Widerspruch nährt sich der Witz von Mafalda.

Was für Erwachsene gilt, gilt lange nicht für Kinder: Strip aus Band 5 der Bibliothek der Comic-Klassiker, Quinos Mafalda.
Was für Erwachsene gilt, gilt lange nicht für Kinder.

Und hier stellt sich natürlich die Frage, die über dieser Klassiker-Ausgabe hängt wie das berühmte Damoklesschwert: Wie gut sind die Gags von Quino gealtert? Ich war unglaublich gespannt darauf, ob ich auf alte Freunde oder eher die Geister der Vergangenheit treffen würde.

Quino beweist zeitlosen Biss in seinen Pointen: Strip aus Band 5 der Bibliothek der Comic-Klassiker, Quinos Mafalda.
Quino beweist zeitlosen Biss in seinen Pointen.


Zeichnerisch ist Mafalda unstrittig großartig. Als typische schwarzweiße Tuschezeichnungen sind die Figuren nicht gealtert und haben ihren Charme als zeitlose Klassiker voll erhalten. Ähnlich wie die bereits erwähnten Peanuts oder auch Calvin & Hobbes erscheinen sie zeitlos, auch wenn gelegentlich durch kleine Details innerhalb einzelner Strips ein ungefährer Zeitrahmen festzumachen ist.

Inhaltlich sind die Comicstrips wie ein großer Bauchladen – es ist für jeden und jede was dabei. Gerade die Gags über die politische Lage der Welt sind gut gealtert, da Quino es geschickt verstanden hat, sie nicht an konkrete Ereignisse oder Konflikte zu koppeln. Sie sind so generell gehalten, dass die meisten von ihnen nicht an Aussagekraft eingebüßt haben. Auch der bereits beschriebene Widerspruch zwischen Kindern und Erwachsenen funktioniert immer noch hervorragend. Viele zwischenmenschliche Gags, die sich meist auf der kindlichen Ebene bewegen, haben ihre Gültigkeit bewahrt. Aber natürlich finden sich auch Witze, die nicht mehr so gut funktionieren oder aber auch solche, die noch nie wirklich gut waren. Über zehn Jahre hinweg immer gleichbleibend hohe Qualität abzuliefern, schafft wohl niemand.

Dieser Gag war auch schon vor 30 Jahren unangemessen: Strip aus Band 5 der Bibliothek der Comic-Klassiker, Quinos Mafalda.
Dieser Gag war auch schon vor 30 Jahren unangemessen. 


Mafalda
reiht sich mühelos in die Klassiker des Comicstrips ein und ist dabei ziemlich gut gealtert. Die hier vorliegende Zusammenstellung des Carlsen Verlags baut ihre Kapitel nach Personen oder Themen auf. Es gibt zu jedem Kindercharakter ein Kapitel und zu Themen wie Mafaldas so sehr gehasster Suppe, dem Weltgeschehen oder Fernsehen. Dadurch sind einige Strips aus dem chronologischen Kontext gerissen und gerade Guille tritt in den unterschiedlichsten Altersphasen durcheinander auf. Das ist aber nicht weiter störend. Ich fand es eher reizvoll, gerade bei den Charakterkapiteln, sich näher mit einer Figur beschäftigen zu können und so auch eine gewisse Leitschnur zu haben, die bei Comicstrip-Kompilationen meist schwer zu finden ist.

Die Simplizität und Geradlinigkeit zeichnet Quinos Humor aus: Strip aus Band 5 der Bibliothek der Comic-Klassiker, Quinos Mafalda.
Die Simplizität und Geradlinigkeit zeichnet Quinos Humor aus.
 


Mafalda
war Quinos einziger internationaler Erfolg, er hat all seine Liebe und sein Herzblut in dieses kleine Mädchen und ihre Freunde gesteckt – das ist bis heute spürbar. Am 30. September 2020 hat Quino die Weltbühne verlassen, aber Mafalda lebt fort und sorgt sich an seiner statt um den Zustand der Welt.

[Mechthild Wiesner]

Abbildungen © Carlsen Verlag, Hamburg 2021 / Quino


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Oder beim Verlag: Carlsen Verlag

Frisch gelesen Folge 241: Sunny 3

»Ich kann nicht dein Vater sein. … Tut mir sehr leid …«


FRISCH GELESEN: Archiv


Sunny, Band 3

Story: Taiyo Matsumoto
Zeichnungen: Taiyo Matsumoto

Carlsen Manga
Softcover | 224 Seiten | s/w | 16,00 €
ISBN: 978-3-551-75459-2

Genre: Manga, Kindheitsdrama, Coming-of-Age-Storys

Für alle, die das mögen: Ausnahmemanga mit europäischem Einfluss



Es ist ein seltenes Gut, wenn ein Comiczeichner gleichzeitig als Ausnahmekünstler gilt und im Mainstream angekommen ist. In Japan gilt Taiyo Matsumoto als solch ein Mangaka. Seine Manga lassen sich nicht in Schubladen einordnen, und sein Zeichenstil ist facettenreich und passt sich seinem Sujet an. Besonders bemerkenswert ist, dass er es im Laufe seiner Karriere immer wieder sehr erfolgreich geschafft hat, sich dem Diktat der japanischen Verlage zu entziehen. Durch die übliche Veröffentlichungsweise eines Mangas mit je einem Kapitel pro Erscheinungsturnus des Magazins wird auf die Mangaka seitens des Verlags viel Druck ausgeübt bezüglich der Deadlines. Und auch die Leserschaft kann recht konkret auf den inhaltlichen Verlauf Einfluss nehmen, indem sie spezifische Rückmeldungen zu konkreten Charakteren oder Handlungssträngen macht. Matsumoto genoss hier schon sehr früh einen Sonderstatus. So erschien sein Einzelband GoGo Monster nicht vorab in einem Magazin, was eine Rarität auf dem japanischen Comicmarkt ist.


Die Beziehung zwischen den erwachsenen Erziehungsberechtigten und den Kindern wird durchgehend als herzlich und warm dargestellt.


Auch wenn Matsumoto als sehr vielseitiger Mangaka gilt, gibt es doch ein Thema, dessen er sich immer wieder annimmt: auf sich gestellte Kinder, die mit der Komplexität des Erwachsenwerdens zurechtkommen müssen. Eltern kommen in seinen Erzählungen nur als farblose Randfiguren vor, was aber in vielen Teenagermanga förmlich eine Notwendigkeit ist, um eine Charakterentwicklung gewährleisten zu können. Bei Matsumoto ist es aber mehr. Es ist eine schmerzende Leerstelle, es ist kein »Hurra, niemand schreibt mir vor, wann ich ins Bett muss«. Der Hintergrund hierzu schlummerte lange Jahre im Verborgenen und offenbarte sich erst durch sein neuestes und persönlichstes Werk Sunny. Hier wird in Episoden die Geschichte der Sternkinder erzählt, Kinder die in einer ländlichen Gegend Japans in den 1970er Jahren in einem Kinderheim aufwachsen. Manche sind Waisen, die meisten aber wurden von ihren Eltern im Heim abgegeben, aus den unterschiedlichsten Gründen. Mit der Veröffentlichung von Sunny teilte Matsumoto erstmalig der Öffentlichkeit mit, dass er selbst als Kind in einem ähnlichen Heim gelebt hat, in das er von seiner Mutter gebracht wurde. Er betont, dass es sich bei der Geschichte nicht um eine Autobiografie handelt, viele Charaktere und Episoden aber an Erinnerungen aus seiner Kindheit anknüpfen. Ganz besonders jedoch sind die emotionale Tiefe und der scharfe Blick auf die verletzte Kinderseele wie auch die stark aus Kindersicht geprägte Handlungsweise der Eltern, die meist gar nicht gut wegkommen, wohl sehr authentisch und zeugen von dem tiefen Trauma, das die Separierung von der Mutter in Matsumoto erzeugt hat.


Makio – das erwachsene Sternkind – ringt nach Zugehörigkeit.


In seinen Zeichnungen lehnt Matsumoto seit jeher digitale Techniken ab und arbeitet strikt analog. Der Einsatz von Rasterfolien oder anderer gängiger visueller Mittel des Mangas liegt ihm fern. Trotzdem durchläuft sein Stil permanente Änderungen. So ist in Sunny zu bemerken, dass er einen weichen Strich verwendet und Aquarelltechniken einsetzt. Das ist besonders beeindruckend an der wilden Mähne der Brüder Junsuke und Shosuke zu sehen, deren eigenwilliger Charakter dadurch stark betont wird. Der Manga erhält durch diesen Stil eine Art Weichzeichnereffekt, der zu diesem gewissen nostalgischen Rückblick passt, den Matsumoto hier vornimmt. Denn trotz allem zeichnet er ein gutes Bild vom Heimleben mit bemühten und liebevollen Heimmitarbeiterinnen und -mitarbeitern und einem starken Zusammenhalt unter den Heimkindern.

Der dem Manga namensgebende Datsun Sunny 1200, ein altes Autowrack, das den Kindern als Rückzugsort dient, in dem sie ihren Fantasien gleichermaßen wie ihrer Trauer und ihren Träumen freien Lauf lassen können, spielt im dritten Band nur noch eine untergeordnete Rolle. Spannend ist, dass hier nun auch andere Charaktere als nur die Kinder des Heims in den einzelnen in sich geschlossenen Kapiteln beleuchtet werden – der uralte, greise Direktor oder sein, wie es scheint, Protegé Makio, der in dem Heim aufgewachsen ist, aber doch immer wieder zu ihm zurückkehrt. Eine weitere Geschichte lässt die Star Kids tatsächlich zu kleinen Stars werden, in dem ein Kamerateam eine Reportage über sie dreht. Am Ende werden sie aber wieder in ihre Realität zurückgeholt, dass sie eigentlich keine Chancen haben, dem Leben als Heimkinder zu entfliehen. Besonders dramatisch ist die Erzählung um die bereits erwähnten Brüder Junsuke und Shosuke, die ihre todkranke Mutter besuchen dürfen. Junsuke lebt die Flucht vor seiner Realität in der Form aus, dass er mit seinem kleinen Bruder ein Kaufhaus für sich erobert. Doch auch in dieser sehr traurigen Episode schafft es Matsumoto wie im gesamten Manga, nicht kitschig zu werden, die alles überlagernde Melancholie nicht aus dem Blick zu verlieren und seine teils tief erschütterten und traumatisierten Charaktere nicht schwach oder ohne Hoffnung erscheinen zu lassen.


Die Klarheit in ihrem Kindsein macht die Besonderheit der Charaktere Matsumotos aus.


In vielerlei Hinsicht erinnert mich Sunny an Astrid Lindgrens Wir Kinder aus Bullerbü. Eltern kommen hier auch nur als Randfiguren vor und in kleinen Episoden erfahren wir aus dem Alltag der Kinder, der so vor sich hinfließt, ohne dass wirklich nennenswertes passiert. Nur wo sich Lindgren in Kitsch und der schwedischen Version von Hygge ergeht, zeugt Sunny von Reife und Tiefe, zeigt uns Figuren, die uns wirklich berühren und deren Erlebnisse, so nichtig sie auch auf den ersten Blick wirken, in uns nachhallen.

[Mechthild Wiesner]

Abbildungen © 2021 Carlsen Manga / Taiyo Matsumoto / Shogakukan


Kauft den Comic im gut sortierten Comicfachhandel: CRON-Händlerverzeichnis

Oder beim Verlag: Carlsen