Comicladen-Report: Folge 5

Spider-Man Nr. 93 Blank Variant

Wie viele Titelbildversionen verträgt ein Comic und woher kommen all diese exklusiven limitierten Sonderausgaben? In ihrer neusten Kolumne berichten unsere beiden Ladenfrontreporter Björn und Ekki von der steigenden Variantcover-Flut und erklären, warum das schädlich für die Branche ist.

Comicladen-Report: Was den Handel bewegtgermany48austria48switzerland48
Folge 5: Limitiertes Vergnügen

von Ekki Helbig und Björn Steckmeier


Eine Streitschrift über Luxusausgaben und Variantcover

Nachdem wir in der letzten Kolumne freudig über steigende Umsätze und ein wachsendes Comicpublikum berichtet haben, geht es diesmal wieder etwas kritischer zur Sache. Grund ist das derzeitige Angebot an Variantcovern, Luxus-, Vorzugs- und Exklusivausgaben, das mittlerweile überhandnimmt und durchaus nicht nur für positive Stimmung sorgt.

Goldgräberstimmung mit Helmut Nickel

Wer sollte das besser wissen als comicplus+-Verleger Eckart Sackmann, dessen schön aufgemachte Neuedition von Helmut Nickels Winnetou sich zu einem regelrechten PR-Desaster entwickelte. Die mit 1000 Exemplaren sehr konservativ gewählte Auflage des ersten Bandes war praktisch mit Auslieferung vergriffen und sofort stürzten sich etliche Spekulanten auf das Objekt der Begierde, um sie zu überteuerten Preisen auf diversen Onlineplattformen feilzubieten. Leider fanden sich auch ein paar Händler darunter, denen der Begriff »Buchpreisbindung« offenbar nicht geläufig ist (wahrscheinlich die gleichen Händler, die auch brandneue Comictitel zu Ramschpreisen auf der Kölner Comicbörse unters Volk bringen).

Winnetou Band 2 (comicplus+)Jedenfalls brannte das entsprechende Thema im Comicforum wochenlang und war übersät mit Kritik (teils berechtigt, teils nicht), wurde vom Verleger selbst aber auch immer wieder angefeuert. Die plötzliche Anhebung des Verkaufspreises oder die künstliche Verknappung des Bandes, weil man noch 200 Exemplare für den Comicsalon Erlangen reserviert hatte (die dann dort am letzten Tag für je 100,-€ verkauft wurden) kann man nicht unbedingt als geschickte Handlungen bezeichnen.

Hier verkam ein Comic zu einer puren Wertanlage, denn gelesen hat Winnetou I sicherlich kaum jemand. Es ist einfach traurig, wenn ein Comic, der ursprünglich für 39.- € auf den Markt kam, ein halbes Jahr später 150.- € kostet. Derzeit wiederholt sich das Spiel bei Winnetou II, der wenige Tage nach Auslieferung online auch schon für dreistellige Beträge angeboten wird.

Aber noch viel trauriger ist es eigentlich, dass durch diese Spekulationsblase, niemand eine Chance hatte, den Comicpionier Helmut Nickel, der lange Jahre im Schatten von Hansrudi Wäscher stand, neu für sich zu entdecken.

Zum Glück hat sich comicplus+ entschlossen, nun eine Volksausgabe von Winnetou zu produzieren. Damit gibt es endlich die Möglichkeit, den Comic auch an Normalsterbliche zu verkaufen. Vielleicht liest dann ja auch tatsächlich mal jemand wieder Helmut Nickel.

Luxus fürs Onlinegeschäft?

Normalerweise sind wir ja keine Freunde von zwei Versionen des gleichen Comics. Es macht einfach mehr Arbeit in der Sortimentspflege, es ist schwerer zu erraten, welche Version der Kunde wünscht. Und abgesehen von der verheißenen Wertsteigerung (die aber nur in seltenen Fällen eintritt) ist die Nachhaltigkeit von Luxusausgaben und Variantcovern sehr gering. Dazu wird noch bei praktisch allen Sondereditionen die Handelsspanne drastisch gekürzt. Auch das macht keine Freude.

Exklusive Vorzugsausgabe von Schuitens Atlantic 12 mit DruckProblematisch wird es allerdings dann, wenn man sich den Unmut der Kunden zuzieht, weil man eine bestimmte Ausgabe nicht besorgen kann.

So hatte zum Beispiel der Splitter Verlag letztes Jahr eine Handvoll Titel zum fünfjährigen Jubiläum in einer Sonderedition rausgebracht. Bei einigen gab es nur ein anderes Titelbild, während andere nur so vollgepackt mit Extramaterial waren. Dementsprechend schnell war so manche Ausgabe vergriffen und brachte den Händler unter Umständen in die Bredouille, weil er seinen interessierten Kunden nicht weiterhelfen konnte.

Für Selbiges hat auch schon der Steinchen für Steinchen Verlag mit seiner Zack Edition gesorgt. Auch hier gibt es teilweise streng limitierte Sonderausgaben mit Bonusmaterial, die noch vor der Auslieferung vergriffen waren und daher mancher Händler komplett leer ausging. Da kann der Händler den Kunden nur noch empfehlen, sich die gewünschten Titel online beim Verlag zu bestellen oder sonst das Internet zu durchforsten. Was aber definitiv nicht in unserem Interesse liegt.

Daher sehen wir es mit wachsender Besorgnis, dass nun auch weitere Verlage wieder verstärkt Sonderausgaben in Kleinstauflage produzieren.

Schreiber & Leser z.B. mit Atlantic 12 und Jenseits der Grenze, die durch einen beigelegten Druck in 100er-Auflage zur Luxusedition mutierten, der All Verlag mit Sondercovern zu jedem von ihnen produzierten Comics und auch die Rückkehr von Vorzugsausgaben bei Hummelcomic, die natürlich auch nur dort erworben werden können.

Auch die Ankündigung einer limitierten Capitan Terror-Ausgabe im JNK-Verlag versetzt uns nicht gerade in Ekstase – 444 reguläre Exemplare und 99 Luxusausgaben soll es geben. Mit Sicherheit kann man heutzutage von einem alten Primo-Recken nicht viel mehr als 500 Exemplare verkaufen, aber wozu dann noch eine Luxusausgabe?

Aber lassen wir die Kleinverlage mal beiseite, die haben es im derzeitigen Marktgeschehen ja auch alles andere als leicht.

Wo es zu viele Varianten gibt, geht der Überblick verloren

Schauen wir stattdessen mal auf einen richtig großen Verlag, dessen Comicausstoss schon so vielfältig ist, dass man sehr leicht den Überblick verlieren kann: Panini.
Es ist ja nun schon langjährige Tradition, dass der Stuttgarter Verlag seine Messeauftritte und Signiertouren teilweise mit extra produzierten Variantcovern, Messespecials und Exklusivtiteln finanziert. Eine durchaus clevere Geschäftsmethode, die gerade bei den Superheldenfans auch ankommt. Aber auch der reguläre Comichandel kann diese Titel als Service für die Stammkunden zu einem niedrigeren als dem üblichen Rabatt bestellen.
Das wird natürlich in einem Jahr mit zwei großen Messen (2012 Erlangen und Essen) immer ein bisschen problematisch. Gerade die Übersicht über die Messespecials der diesjährigen Comic Action ließ sowohl Kunden als auch Händler schlucken. Sage und schreibe 40 (vierzig!) Varianten und Exklusivtitel führten bei mehr als nur einem Kunden zum Ausspruch »Wer soll das alles noch bezahlen?«

Avengers Vs. X-Men Nr. 1 Variant Spider-Man Nr. 113 Variant Tarot Band 11 Adult-Variant Vampirella Masters Band 1 Variant

Bei einer Start- oder einer Jubiläums-Ausgabe ist es durchaus legitim, den Lesern in Form eines anderen Covers in einer geringen Auflage etwas Besonderes zu bieten. Wenn man es aber übertreibt, kann dieser ganze Plan ganz schnell nach hinten losgehen.

In Frankfurt fasste ein Kunde es sehr treffend zusammen: »Bei der derzeitigen Inflation von Variantausgaben, verlieren die Variants einfach ihre Besonderheit.«

Dem können wir nur zustimmen. Wer einen Blick in die Panini Vorschau wirft, kann manchmal schon den Eindruck gewinnen, dass es zu wirklich jedem Comic ein anderes Cover gibt. Mal als 50/50 Cover, dann in einer Zuteilung von 1:10, dann wieder mit Festpreis und normal bestellbar. Aber es geht ja nicht nur ums bezahlen, der derzeitige Comicmarkt ist sehr vielfältig und voll mit den unterschiedlichsten Titeln. Man hat gelegentlich schon Probleme, das reguläre Panini-Programm zu überschauen, ab drei Varianten pro Titel ist das kaum mehr machbar. Der Fehlerquotient bei Bestellungen, auch in der Auslieferung ist dieses Jahr enorm gestiegen. Die Kunden sind zudem gelegentlich komplett überfordert (und werfen dann mitunter auch das Handtuch).

Avengers vs. X-Men oder Verlag vs. Fachhandel

Den Vogel schießt aber eine Aktion zum neusten Event von Marvel ab – Bei AvX: Avengers vs. X-Men müssen sich die Comichändler – ganz nach amerikanischem Vorbild – für eine Seite entscheiden. Man ist also entweder ein X-Men-Laden oder ein Anhänger der ruhmreichen Rächer und kriegt entsprechendes Promotionsmaterial zugeschickt. Das ist ja noch in Ordnung. Problematisch ist, dass jeder Laden zu verschiedenen Ausgaben innerhalb dieses Events auch nur die Variantcover der Seite erhält, zu der er sich bekannt hat. Ein Avengers-Laden bekommt also keine X-Men-Cover und andersrum. Auf dem Papier mag dieses Vorhaben ja funktionieren und es stellt auch einen netten Gag da. In der Praxis hingegen funktioniert das einfach nicht. Dem Komplettsammler können wir hier keinen Besorgungsservice anbieten. Wir als Händler sind also gezwungen, unsere Kunden entweder an die Kollegen (aka. die Konkurrenz) oder gleich zu eBay & Co. zu vermitteln. Das sorgt für Frust bei uns und vor allem bei den Kunden, weil nicht unbedingt jeder verstehen wird, warum wir dieses eine spezifische Cover nicht beschaffen können. Von einem großen Wettbewerbsnachteil gegenüber Ladenketten mit mehreren Filialen in der Republik mal abgesehen ist dieses ganze Hickhack einfach nur nervig. Und kostet unnötig Zeit.Es ist auch ein Armutszeugnis, wenn das sogenannte Comicevent des Jahres nicht über den Inhalt, sondern über die Coveranzahl gepusht wird.

Uncanny Avengers #1 Variant  Uncanny Avengers #1 Variant

Einen Comic verkauft man über den Inhalt

Wir erinnern hier auch noch mal an den Superhelden und Heftchenboom der Nullerjahre. Da war der Markt mit Sondercovern so überhitzt, dass die Inhalte der Hefte komplett nebensächlich wurden und viele Kunden tatsächlich geglaubt haben, sie investieren in die Zukunft. Es kommen heute noch Leute in den Laden, die uns alte Spawn-Hefte mit »supertollen und seltenen« Variantcovern anbieten und völlig überrascht und enttäuscht sind, wenn wir gleich abwinken oder höchstens zehn Cent pro Heft bieten.

Spider-Man Nr. 93 Blank-VariantAlso, liebe Paninis: Bitte stellt wieder den Inhalt eurer Comics in den Mittelpunkt und produziert weniger Variantcover! Und vor allem, nehmt euch unter keinen Umständen ein Beispiel an Marvel USA. Die haben aus der Vergangenheit anscheinend nichts gelernt. Dort brachte man von der Erstausgabe der neuen Serie Uncanny Avengers gleich 19 verschiedene Titelbilder raus (Nachauflagen nicht mitgerechnet). Auch DC legt mit Justice League of America #1 nach und präsentiert neben den normalen Covern auch eines für jeden der 50 Bundesstaaten.

Das brauchen wir hierzulande wirklich nicht. Höchstens als Covergalerie in einem Sonderband.Die derzeitige Entwicklung gefällt uns ganz und gar nicht. Comics sind zum Lesen da, und sollen den Käufer durch spannende und interessante Inhalte überzeugen. Sie sind keine Wertanlage, sollten keine sein und schon gar nicht durch eine künstliche Verknappung zu einer solchen fabriziert werden.

Wir sind keine Spekulanten, sondern wollen einfach nur gute Geschichten verkaufen. Wenn wir das Interesse eines Lesers geweckt haben, dann kommt dieser auch in den Laden zurück. Scheinbar rare Comics sind einfach kein nachhaltiges Geschäftsmodell. Ein guter Comicladen ist dazu da, dass der Kunde über die derzeitigen Geschichten informiert wird, das Philosophieren über das Hobby unter Gleichgesinnten sollte im Mittelpunkt stehen. Mit limitierten Ausgaben limitiert sich der Markt nur selber.

Abbildungen ©  2012 Panini Comics
Fotos © Bonner Comic Laden (Bonn); Terminal 3 (Frankfurt/Main)


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Die Autoren

Ekki Helbig, Jahrgang 1958, liest seit seiner Kindheit begeistert Comics. Nach einem abgeschlossenen Germanistikstudium strandete er 1987 in der Comicbranche: erst als Aushilfe beim ersten deutschen Comicvertrieb »Riedel & Krebs«, von 1989 bis 1992 dann als Lagerchef von »R & K«.

1993 und 1994 war er Filialleiter vom »Comicladen« in der Berliner Strasse. Nach einem kurzen Intermezzo beim anderen Frankfurter Comicladen »Comica«, war er im August 1995 Mitbegründer von »T3 Terminal Entertainment«. Dort arbeitet er heute noch und ist für die deutschsprachigen Comics und die Organisation von Signierstunden zuständig. Standort: Frankfurt am Main


Björn Steckmeier, Baujahr 1980, befasst sich schon seit der frühesten Kindheit mit der Neunten Kunst. Ganz klassisch hat es mit der Micky Maus angefangen, aber auch diverse Comics, die sich in der väterlichen Sammlung befanden, hatten es ihm angetan.
Aktiver Comicsammler seit 1993 und dabei auf kein Gebiet beschränkt. Egal, ob Frankobelgier, Strampelmänner, Manga oder obskure Alternativ-Comics – gelesen wird alles, was gefällt.
Aber auch Literatur ohne Bilder ist vor ihm nicht sicher, vor allem, wenn es sich um Thriller von Douglas Preston und Lincoln Child oder gute Krimis handelt.
Weitere Hobbies sind Computerspiele, gemütliche Plauderabende mit Freunden und das Internet unsicher machen.
Nach einem abgebrochenen Studium für Technikjournalismus studiert er derzeit neben seiner Tätigkeit als Comicverkäufer Asienwissenschaft mit Schwerpunkt Japan an der Universität Bonn. Standort: Bonn