Hermann for President?!

Hermann for President ?!

Wenn in der kommenden Woche auf dem 42. Internationalen Comicfestival von Angoulême (29. Januar bis 1. Februar 2015) die diesjährigen »Comic-Oscars« verliehen werden, könnte zum ersten Mal auch Hermann (Jeremiah) unter den Gewinnern sein. Unglaublich, denn der belgische Zeichner kann in diesem Monat bereits auf eine 50-jährige Karriere zurückblicken.

Nach 50 Jahren Karriere zum ersten Mal in Angoulême nominiertbelgium48

Die Nominierung des belgischen Zeichners Hermann Huppen (geb. 1938), der seine Comics mit dem schlichten Pseudonym Hermann signiert, sorgte für einige Aufregung in der frankobelgischen Comicszene. Denn auch wenn der Zeichner, der im Juli diesen Jahres bereits seinen 77. Geburtstag feiert, zu den produktivsten und verkaufsstärksten Vertretern seiner Zunft zählen mag, blieb ihm die Auszeichung mit dem Grand Prix aus Angoulême bislang verwehrt.

Angouleme-42-logoZu den Annehmlichkeiten des Preises gehört nicht nur eine hohe mediale Aufmerksamkeit, sondern mit der Präsidentschaft für den Salon des darauffolgenden Jahres auch die Ausrichtung einer großen Werkausstellung. Nun ist Hermann kein Künstler, dem eine mediale Aufmerksamkeit fremd wäre, und Ausstellungen seines Oeuvres hat es auch bereits einige gegeben. Aber dass ein derart populärer und produktiver Künstler, der seine Leser mit bis zu zwei neuen Alben pro Jahr versorgt, in Angoulême bislang leer ausgegangen ist, kann nicht nur mit seiner etwas schroffen Art, auch jungen Kollegen gegenüber, und seinem arg vereinfachten Weltbild zu tun haben, das bisweilen als »politisch unkorrekt« gilt.

Hermann in seinem Atelier, 2013. (c) Brabant Strip Magazine

So fiel seine erste Reaktion, als er von der Nominierung in Angoulême erfuhr, zunächst auch wenig schmeichelhaft dem Komitee des Festivals gegenüber aus. Er ließ sogleich über seine Facebook-Seite verkünden, dass er, im Falle einer Auszeichnung, den Preis nicht anzunehmen gedenke - um nur wenige Stunden später zurückzurudern und auf seinen Verzicht zu verzichten. Wie sein Agent Ervin Rustemagić auf Anfrage mitteilte, war Hermann bislang nie von den Mitgliedern der Jury als ein möglicher Kandidat für den Grand Prix im Gespräch gewesen. Nun mag möglicherweise das Jubiläum seiner jahrzehntelangen Tätigkeit im Comicgeschäft den Ausschlag gegeben haben, dass er neben den bereits im Vorjahr nominierten Kandidaten Alan Moore (Watchmen, Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen) und Katsuhiro Otomo (Akira) als dritter Name auf der Liste gelandet ist, von der sämtliche Zeichner und Autoren aus dem frankobelgischen Raum ihren Favoriten wählen können. Die Chancen stehen für den »ewigen Außenseiter« Hermann nicht schlecht - allerdings nur, sollte das ebenfalls für einen Preis vorgeschlagene Satiremagazin Charlie Hebdo mit einem Sonderpreis bedacht werden und nicht, wie zunächst verbreitet, gegen die Einzelkandidaten antritt. Verdient hätte Hermann die Ehrung in Angoulême, und es wäre eine gelungene Kombination mit dem zeitgleichen Erscheinen seines 101. (!) Albums, das für Ende Januar angekündigt ist: Sans Pardon (dt. Keine Gnade bei Kult Editionen).

Hermann: Keine Gnade

Wer mehr über Hermann und seine Arbeit, sein Leben und seine Ansichten erfahren möchte, der wird mit der Anfang Februar erscheinenden Ausgabe 61 der Fachzeitschrift Reddition gut bedient sein. In einer ausführlichen Ergänzung des Dossiers über den belgischen Zeichner von 1996 kommt Hermann selbst zu Wort und beantwortet Fragen seiner Freunde und Kollegen, darunter André Juillard, Derib, Arleston, Cosey, Yves Sente und vielen anderen. Ein Porträt über die Zusammenarbeit von Hermann mit seinem Sohn Yves und eine komplette Bibliographie seiner Comics runden den Schwerpunkt ab.

Reddition 61 Cover

Außerdem bietet Reddition 61 die willkommene Gelegenheit, den Verleger und Agenten Ervin Rustemagić zu porträtieren. Als Gründer und Inhaber der Agentur (und des späteren Verlags) Strip Art Features unterhielt Rustemagić seit Anfang der 1970er Jahre weitreichende Kontakte zu Comiczeichnern und -autoren auf der ganzen Welt, mit einigen war bzw. ist er befreundet, darunter Warren Tufts, Doug Wildey, Alfonso Font, Eduardo Risso, Joe Kubert oder Hermann. Für letzteren ist er bis heute als Agent tätig. Bekannt wurde Rustemagić Comiclesern auf der ganzen Welt als Protagonist von Hermanns Einzelband Sarajevo Tango, der vor dem Hintergrund des Bosnienkrieges Anfang der 1990er Jahre spielt. Sämtliche der genannten Künstler stellt Reddition 61 in Artikelporträts vor, die dank zahlreicher gezeichneter und Fotodokumente aus dem Archiv von Ervin Rustemagić einen besonderen Einblick versprechen.

  Doppelseite aus dem Hermann-Dossier in REDDITION 61

Doppelseite aus dem Hermann-Dossier in REDDITION 61

Abbildungen © Kult Editionen / Edition Alfons

 


 

Die Daten

Keine Gnade, Text: Yves H., Zeichnungen: Hermann
Kult Editionen, 56Seiten, Hardcover, € 14,95, ISBN 978-90-89820-87-7
erscheint Ende Januar 2015

REDDITION Ausgabe 61: Dossier Hermann & SAF
Edition Alfons, Magazin, 76 farbige Seiten, € 10,00
erscheint Anfang Februar 2015

 


 

Weiterführende Links:

Homepage des Verlags: Kult Editionen

Offizielle Homepage von Hermann (französisch): Hermann Site Officiel