Comic-Salon Erlangen 2014: Interview mit Bodo Birk

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Der Countdown zum größten Comicereignis des Jahres läuft: Am 19. Juni um 12 Uhr öffnet der Internationale Comic-Salon in Erlangen seine Pforten. Das stellt das Team des Kulturprojektbüros der fränkischen Stadt immer wieder vor eine neue, enorm sportliche Herausforderung in Bezug auf Planung, Organisation, Koordination und Realisierung. Wie die »vier tollen Tage von Erlangen« dennoch zum ausgelassenen und anspruchsvollen Festival werden, erklärt uns Festivalleiter Bodo Birk im Interview.

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19. bis 22. Juni 2014: Interview mit Bodo Birk

Dass eine Veranstaltungsreihe wie ein Comicfestival ein 30-jähriges Bestehen feiern kann, ist in unserer Zeit schon etwas Besonderes. Aufgrund politischer und wirtschaftlicher Veränderungen ist auch die Finanzierung und Durchführung kultureller Großveranstaltungen von der jeweiligen Gesamtsituation des Landes, der Region oder eben der Stadt abhängig. Was den Internationalen Comic-Salon in Erlangen, der zum ersten Mal im Frühsommer 1984 stattfand und seitdem regelmäßig alle zwei Jahre zum Mekka von Comiclesern, -fans, -zeichnern und -verlegern wird, so besonders macht, ist seine ständige Entwicklung, sein Wachstum und die gleichzeitige Wahrnehmung von Trends und Strömungen der Szene, die es adäquat in ein randvolles Festivalprogramm umzusetzen gilt, wie uns Festivalleiter Bodo Birk im Gespräch bestätigt.

Bodo Birk, Festivalleiter des ICS 2014

Bodo, noch vier Tage bis zum 16. Comic-Salon. Wie stark kribbelt’s?

Ehrlich gesagt ist das Wort »kribbeln« stark verharmlosend. Der Internationale Comic-Salon ist inzwischen so groß und komplex – 30 Ausstellungen, 200 Veranstaltungen im Rahmenprogramm, Messe, Börse, Comic Film Fest, Familiensonntag, Max und Moritz-Preis usw. –, dass er das Team des Kulturprojektbüros an die Grenzen der physischen und psychischen Belastbarkeit bringt. Seit sechs Wochen arbeiten wir jeden Tag rund um die Uhr, seit einer Woche bauen wir an den Veranstaltungsorten auf. Es ist also die nackte Angst, alles noch irgendwie hinzubekommen, die uns antreibt. Kein Kribbeln ...

Der wievielte Comic-Salon ist das für Dich als Leiter?

Mein Vorgänger, der gemeinsam mit dem ICOM den Internationalen Comic-Salon 1984 gegründet hat, ist Ende 2002 in den Ruhestand gegangen. Ich habe Anfang 2003 die Leitung der Erlanger Festivals übernommen. Der erste Salon in meiner Verantwortung fand 2004 statt. Es ist jetzt also der sechste Salon unter meiner Leitung. Einige meiner Kolleginnen und Kollegen und ich selbst haben aber auch schon unter der Leitung von Karl Manfred Fischer mitgearbeitet.

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Wie groß ist das Organisationsteam?

Wir sind im Kulturprojektbüro der Stadt Erlangen fünf Personen, die sich neben kleineren Projekten vor allem um die Festivals kümmern. Das sind in der Regel zwei pro Jahr, der Internationale Comic-Salon abwechselnd mit dem Internationalen Figurentheater-Festival und – jedes Jahr – das Erlanger Poetenfest. Hinzu kommt eine Verwaltungskraft und eine Geschäftszimmerkraft.
Zwei bis drei befristete Mitarbeiter stoßen mehrere Monate vor dem Salon zu uns, etwa zwei Wochen vorher verstärken wir uns noch einmal, beispielsweise für die technische Leitung, die Anleitung der Rahmungsarbeiten, den ganzen Anmeldungsbereich usw. Beim Aufbau und während des Salons arbeiten über 100 Personen mit, die es alle einzuteilen, anzuleiten und am Ende auch noch zu bezahlen gilt ...
 
Es gibt das 30-jährige Bestehen zu feiern. Wie macht ihr das?

Wir haben uns schon frühzeitig dafür entschieden, die knappen finanziellen und personellen Ressourcen nicht in Jubiläumsfeierlichkeiten oder Jubiläumspublikationen zu stecken. Dafür gibt es viel zu viele spannende aktuelle Themen, die es zu bearbeiten gilt. Wir haben unser Jubiläum zum Anlass genommen, etwas Nachhaltiges zu schaffen, nämlich uns und der Comic-Branche ein Bildarchiv aus 30 Jahren Internationaler Comic-Salon zu schenken. Wir haben das Bildmaterial der analog fotografierten Jahre bis 2004 digitalisiert und vorsortiert. Jetzt gibt es rund 50.000 Fotos aus 30 Jahren Comic-Salon, die auch 30 Jahre deutsche Comic-Geschichte spiegeln.
Einige davon sind in der Ausgabe zum 30. Geburtstag der REDDITION zu sehen, deren Auftaktartikel vom ersten Internationalen Comic-Salon und der Geschichte des Salons handelt. Diese Nummer der REDDITION, die 30 Jahre deutsche Comic-Geschichte und damit auch die Geschichte des Salons betrachtet, legen wir den Pressemappen quasi als inoffizielle Festschrift bei. Die Zusammenarbeit mit der REDDITION war und ist eine echte Win-Win-Situation.
 
Wie viele Aussteller werden präsent sein?

Wenn man frecherweise alle Mitaussteller, die Fanzines, die Hochschulen und die Aussteller der Börse mitzählt, sind es über 200 Aussteller. Eigene Messestände sind es etwas über hundert. Allerdings ist die absolute Menge ja gar nicht so wichtig. Viel entscheidender ist ja, dass einerseits alle wichtigen Verlage präsent sind, und dass andererseits eine schöne Vielfalt geboten ist. Wir sind mit der Messe sehr zufrieden und hätten noch deutlich mehr Quadratmeter verkaufen können, wenn wir mehr Platz hätten.

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Gibt es Änderungen gegenüber 2012?

Natürlich. Es gibt jedes Jahr Änderungen.Ich weiss gar nicht, wo ich anfangen soll. Es beteiligen sich zum Beispiel mehr Partner am Programm des Salons. Es gibt mehr Ausstellungen Dritter und eigene Programmschienen, die nicht von uns, sondern von anderen bespielt werden. Dazu beziehen wir die Konferenzräume des benachbarten NH Hotels viel stärker ein. Webcomics und Self-Publishing spielen eine größere Rolle. Dazu hat sich das Netzwerk Comic Solidarity gegründet, mit einem eigenen Bereich im Kleinen Saal des Kongresszentrums und einem eigenen Begleitprogramm. Die aufälligste Änderung ist aber sicherlich, dass der Panini Verlag auf unsere Bitte hin vom Eingang 1 zum Eingang 2 umgezogen ist, um die Besucherfluktuation auf der Messe zu verbesserrn und den Bereich am Eingang 2 aufzuwerten. Ich bin davon überzeugt, dass das eine interessante neue Situation sein wird.
 
Welche Programm-Highlights werden dieses Jahr geboten?

Die Ausstellungen zum Jahrestag des Ersten Weltkriegs mit Jacques Tardi und deutschen und französischen Künstlern, die den Ersten Weltkrieg selbst erlebt haben, wie Otto Dix einer- und Gus Bofa andererseits. Die Ausstellungen von Anke Feuchtenberger, ATAK und Émile Bravo. Die Ausstellung zum 150. Geburtstag von Max und Moritz und 150 Jahre deutschsprachige Comic-Geschichte von Wilhelm Busch bis heute. Die Ausstellung mit den Comic-Zeichnerinnen rund um das Magazin SPRING und die Ausstellung mit zahlreichen wertvollen "Pogo"-Originalen von Walt Kelly aus der Sammlung Carsten Laqua. Ein Programmhighlight, das keine Ausstellung ist, möchte ich noch gesondert hervorheben: Am Abend des 19. Juni um 21:00 Uhr tritt die französische Sängerin Dominique Grange gemeinsam mit ihrem Mann Jacques Tardi im Erlanger Markgrafentheater auf: »Elender Krieg« ist der Titel des szenischen Konzerts mit Antikriegsliedern sowie Texten und Zeichnungen von Tardi. Das wird bestimmt ein besonderes Ereignis!

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Auf welchen Aspekt [Programmpunkt, Gast, o.ä.] bist Du persönlich besonders stolz?

Möglicherweise sind wir auf irgend etwas stolz, wenn wir es dann geschafft haben. Noch gibt es ja nichts, worauf man stolz sein könnte. Natürlich ist es toll, wenn Gäste wie Jacques Tardi oder Joe Sacco, Émile Bravo oder David B. nach Erlangen kommen. Aber wir empfinden es als mindestens genauso bewegend, dass weit über 400 größtenteils weit weniger bekannte Künstlerinnen und Künstler den Weg auf sich nehmen und Kosten und Mühen nicht scheuen werden, um einfach dabei zu sein. Das empfinden wir als eine große Ehre.

Die Fragen stellte Matthias Hofmann.

Weitere Informationen zum Programm gibt es zum Download als PDF-Datei.


Weiterführender Link:

Homepage des Festivals: Comic-Salon Erlangen