Suhrkamp: Interview mit Andreas Platthaus

Interview

Suhrkamp goes Graphic Novel: »Gute Comics brauchen ihre Zeit «

Der COMIC REPORT berichtete bereits über den ersten Comic aus dem renommierten, literarisch wertvolle Bücher verlegenden Berliner Suhrkamp Verlag (»Ab November geht es los: Nicolas Mahler bildet Vorhut«). Eigentlich ist dies eine kleine Sensation, aber nachdem immer mehr Buchverlage das tolle neue Label »Graphic Novel« entdeckt haben und erst im März 2011 die Süddeutsche Zeitung eine sauber gemachte zehnbändige »Graphic Novel Bibliothek« in die Buchhandlungen pumpte, ist der weltoffene Comicleser von heute nicht mehr so leicht zu irritieren.

Viel ist über die Pläne Suhrkamps noch nicht an die Öffentlichkeit gedrungen. Der REPORT wollte es genauer wissen und fragte nach. Und zwar bei einem, der mehr weiß: Andreas Platthaus, Feuilleton-Redakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, einem renommierten deutschen Journalisten, der in Sachen Comics Jahr ein, Jahr aus mit vorzeigbarem Fachwissen glänzt. Die Fragen an Andreas Platthaus stellte Matthias Hofmann.

[Update: 01.06.11,17:36 Uhr] Die neue morgige Ausgabe des buchreport.express 22/2011 wird sich ebenfalls diesem Thema widmen: »Literaturverlage setzen auf Graphic Novels: Unter dem werbewirksamen Begriff der Graphic Novel nehmen immer mehr Publikumsverlage Comics ins Angebot. Suhrkamp hebt die grafischen Werke jetzt als festen Bestandteil in sein Taschenbuch-Programm.« buchreport.express erscheint wöchentlich, jeweils donnerstags. Jede Ausgabe enthält aktuelle Brancheninformationen, Hintergründe, Kommentare und die Bestsellerlisten nebst Plakaten.


Schon vor eineinhalb Jahren kursierte die Meldung, dass Suhrkamp eine Reihe mit Graphic Novels veröffentlichen will. Seit ein paar Wochen verdichten sich die Zeichen. Nun ist für November 2011  mit »Alte Meister« von Nicolas Mahler (nach dem Roman von Thomas Bernard) der erste Band angekündigt: Wann geht es richtig los?

Eben in diesem Herbst mit Mahlers Band. Ob sich daraus ein richtiges Programm entwickeln wird, und wenn ja, mit was für einem jährlichen Ausstoß, muss man abwarten. Gute Comics brauchen ihre Zeit.

Wer hatte die Idee, dass Suhrkamp Comics ins Programm nehmen könnte? Bedeutet dies, dass Comics in Deutschland kulturell endlich »angekommen« sind?

Das war Ulla Unseld-Berkéwicz selbst, also die Suhrkamp-Verlegerin. Und es ist ein gutes Zeichen, aber nun wirklich nicht der Ritterschlag. Den gibt es dann, wenn ein deutscher Comic-Autor den Büchner-Preis gewinnt.

Wann und wie kamst Du an Bord? Beim Social-Commerce-Versandhaus Amazon bist Du als Herausgeber gelistet?

Ich bin nicht der Herausgeber, sondern berate den Verlag nur. Das aber immerhin jetzt seit mehr als zwei Jahren.

Erzähle ein bisschen über die Konzeptionierung und die ersten Titel.

Wenn es nach mir ginge, wird es nur Eigenproduktionen geben. Bei einem Verlag wie Suhrkamp ist das auch deshalb interessant, weil deren internationale Kontakte ein gutes Lizenzgeschäft verheißen. Und die Titel sollen thematisch zu Suhrkamp passen, also Comics von hohem künstlerischen Anspruch bieten. Zumindest anfangs heißt das auch, dass man Suhrkamp-Autoren als Vorlagen nimmt. Wenn das gut geht – toll. Aber es wird sicher auch nicht allzu lange dauern, bis etwas eigens Konzipiertes erscheint.

Also es wird definitiv keine Lizenztitel geben, sondern nur Eigenproduktionen?

Wie gerade gesagt, wobei ich nicht die Entscheidungen treffe. Und wenn eine tolle Lizenz käme, warum auch nicht? Wobei es mir sinnlos erscheint, Titel aus dem Englischen übersetzen zu lassen. Die Sprache beherrscht fast jeder, der sich für Comics interessiert, und ich plädiere immer für Lektüre im Original.

Wie viele Titel sind pro Jahr geplant? Oder ist das eine einmalige, abgeschlossene Sache?

Es gibt keine Planung mit festen Stückzahlen. Schön wäre es, wenn in jedem Programm zumindest ein Comic dabei wäre.

Wie will der Verlag diese Titel im Comicfachhandel positionieren oder ist das gar nicht nötig?

Keine Ahnung, ich beschäftige mich nicht mit dem Vertrieb. Da wird sicher noch einiges zu arbeiten sein, aber im klassischen Buchhandel ist Suhrkamp sehr gut eingeführt. Den Comicfachhandel muss man im Verlag sicher erst noch als wichtige Zielgruppe erkennen.


Die nackten Fakten:

Thomas Bernhard: Alte Meister – Graphic Novel
suhrkamp taschenbuch 4293, Broschur, Seiten (noch unbekannt)
Preis: ca. 18,95 €, Geplante Erscheinung: 14.11.2011
ISBN: 978-3-518-46293-5