Neue Sekundärliteratur - Interview mit Christian A. Bachmann

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Der wissenschaftliche Ch. A. Bachmann Verlag hat seit seiner Gründung im Jahr 2008 eine veritable Selektion mit Sekundärlitertur über Comics vorgelegt. CRON sprach mit Verlagsleiter Christian A. Bachmann über den aktuellen Stand und das neue Programm.

Bachmann: Webcomics, Comicforschung & mehrgermany48
Interview mit Christian A. Bachmann

 

cr ICON-Fragen

Christian A. BachmanIm COMIC REPORT 2011 hatten wir ein Porträt von Dir und Deinem Verlag gebracht. Die Jahre seit dem verliefen mal mehr, mal weniger produktiv, inzwischen kommen regelmäßig neue Titel mit Bezug zum Comic. Wie war die Entwicklung des Verlags der letzten Jahre aus Deiner Sicht?

Seitdem hat sich viel getan! 2011 sind gerade einmal vier Titel erschienen, davon nur einer zu Comics (Comic. Legitmität und Intermedialität eines popkulturellen Mediums, herausgegeben von Thomas Becker). Seit 2012 gibt es die Reihe Comiqheft, von der bislang fünf Nummern erschienen sind. Zählt man die mit, sind seit 2011 elf Bücher über Comics erschienen.

chabachmann logoAber auch jenseits der Comicforschung ist die Zahl der jährlich veröffentlichten Titel seitdem stets gestiegen. Im Augenblick betreue ich mindestens 30 laufende Projekte, von denen viele in diesem Jahr erscheinen sollen.  2014 bin ich übrigens samt Verlag aus familiären Gründen nach Berlin gezogen und genieße die hauptstädtische Comicszene. Den herausragenden Comicforschern und -autoren, die ich im vergangenen Jahr hier kennen lernen durfte, wäre ich im Ruhrgebiet wohl – leider! – nicht begegnet. Der Verlag wächst kontinuierlich weiter und wird auch außerhalb der Comicforschung immer bekannter.

So gerne ich eine rückblickend erheiternde Geschichte über eine mittelschwere Katastrophe erzählen würde: bislang ging alles erstaunlich glatt – dreimal auf Groot geklopft! Ich musste erst einmal eine komplette Auflage einstampfen. Welches Buch das war, wird aber nicht verraten. Nur mein Paketbote schüttelt wahrscheinlich mit dem Kopf, wenn er an mich denkt, denn die Buchlieferungen müssen in einen vierten Altbaustock gewuchtet werden …

Webcomics Titelbild
Eine der interessantesten Neuheiten ist das Buch von Björn Hammel über Webcomics. Wie kam es dazu?

Ja, das ist ein sehr schönes Buch, das mich sehr glücklich macht. Es basiert auf Björn Hammels Abschlussarbeit, die er mir als Manuskript geschickt hat. Zunächst wollten wir damit die Yellow-Reihe fortführen, doch wir haben dann gemeinsam entschieden, dass das Buch im kleineren Format und mit niedrigerem Preis das breitere Publikum finden wird, das ihm gebührt, denn es gibt einfach kein vergleichbares Buch über Webcomics. Und das, obwohl Webcomics, wenn sie die digitalen Möglichkeiten ausnutzen, unglaublich spannend und immer wieder überraschend sind. Björns Buch wird für einige Jahre der Maßstab bleiben, schon weil er als Comiczeichner und Informatiker im doppelten Sinne »vom Fach« ist.

Comics & Politik
Auf was achtest Du bei der Auswahl neuer Bücher, die den Weg ins Programm schaffen?

Eigentlich habe ich kein Programm im engeren Sinne. Das heißt, ich überlege mir nicht, wie viele Bücher ich im Jahr in welcher Produktkategorie platzieren möchte und unternehme dann alle möglichen Anstrengungen, um das umzusetzen, wie das große Verlage vielfach tun. Es ist auch nur ganz selten der Fall, dass ich eine Autorin oder einen Autor ein konkretes Projekt vorschlage. Sehr viel häufiger bekomme ich unverlangt Manuskripte von Forschern, die von meinem Verlag gehört haben, oder die Bücher kennen.

Manchmal ruft jemand an und sagt: Christian, ich habe hier dieses Buch, das ich gerne mit dir machen möchte. Das sind tolle Momente, für die ich sehr dankbar bin. Der persönliche Kontakt ist mir sehr wichtig und ich darf mich glücklich schätzen, in den letzten Jahren viele liebe und kluge Menschen aus der ganzen Welt getroffen zu haben. Alle Manuskripte müssen natürlich wissenschaftlichen Maßstäben genügen. Bei der Auswahl und »Qualitätskontrolle« sind die Reihenherausgeberinnen und -herausgeber eine unverzichtbare Hilfe. Die Mehrzahl meiner Autorinnen und Autoren, Herausgeberinnen und Herausgeber sind aber ohnehin Professoren, die sich mit ihrer Materie auskennen.
 
Welcher Titel war bislang der kommerziell erfolgreichste?

Das müsste ich einmal durchrechnen oder meine Buchhalterin fragen. Meistens verteilt sich der Umsatz über mehrere Jahre. Weiterhin sehr beliebt ist Lars Banholds Buch über Batman, mit dem 2008 alles angefangen hat. Leider gibt es bislang noch keine Neuauflage, weshalb ich die immer einmal wieder eintrudelnden Anfragen leider nur abschlägig beantworten kann. Das Projekt ist aber nicht vom Tisch – irgendwann werden wir die fünfte Auflage machen.

Batman Bachmann

Die Reihe Comiqheft scheint nur eine »Spielerei« zu sein, sowohl inhaltlich als auch von der Aufmachung. Kannst Du das Konzept kurz erläutern, und, mal ehrlich, lässt sich das verkaufen?

Der Schein trügt und das mit Absicht. Die Essays und Aufsätze, die als Comiqheft erscheinen, sind ernstzunehmende Beiträge zur Comicforschung, sie sehen nur von außen nicht unbedingt so aus. Bei der Gestaltung von Juliane Blanks Büchlein über den »Sinn und Unsinn des Begriffs Graphic Novel« habe ich mich zum Beispiel von Emblembüchern aus dem 16. Jahrhundert inspirieren lassen, um die scheinbar endlose Diskussion um den Begriff Graphic Novel ironisch zu reflektieren. Ich bin ein Typo-Nerd und gestalte gerne Bücher: Mit den Comiqheften kann ich mich ein bisschen austoben. Und die Autoren können hier Texte veröffentlichen, die für ein dickes Buch zu kurz sind. Verkaufen kann man sie übrigens auch, wer mag denn nicht kleine schöne Büchlein?

Comicqheft 4

Comiqheft 5Fast jeder. [grinst]. Blicken wir abschließend in die Zukunft. Was ist für 2015 alles geplant?

Auch 2015 werden wieder einige Titeln erscheinen, die sich mit dem Comic befassen. Ganz oben auf der Liste habe ich Juliane Blanks Dissertation über Literaturadaptionen im Comic, mit der die neue Schriftenreihe »Bildnarrative« eröffnet wird. Herausgegeben wird diese Reihe Monika Schmitz-Emans und Dietrich Grünewald, die sich beide um die Erforschung der Comics verdient gemacht haben. Wenn beide zustimmen, wird auch etwas später im Jahr auch meine eigene Dissertation über die Medialität von Comics in dieser Reihe veröffentlicht – selbst als Verleger unterwerfe ich mich dem Urteil der Herausgeber wie jeder andere auch. Manuskripte sind übrigens herzlich willkommen!

Auch dieses Jahr erscheinen die Ergebnisse der letzten beiden Tagungen der Gesellschaft für Comicforschung (ComFor): Comic und Naturwissenschaft (Erlangen, 2013) sowie Grenzen ziehen, Grenzen überwinden (Berlin, 2014).

Aus einer Tagung, die letztes Jahr in Germersheim stattgefunden hat, geht ein Band hervor, der sich mit »Comics in Polen / Polen im Comic« befasst (herausgegeben von Renata Makarska und Kalina Kupczyńska). Dietrich Grünewald arbeitet außerdem an einem Buch, in dem er sein »Prinzip Bildgeschichte« noch einmal in aller Deutlichkeit und mit vielen Bildbeispielen darstellen wird – das ist ein Buch, auf das ich mich auch persönlich sehr freue.

Über ein paar andere laufende Projekte mag ich noch nicht sprechen. Es wird aber auch in 2015 viele Bücher zu anderen Themen geben: zu Pop-up- und Künstlerbüchern, zur chinesischen Literatur, zu Sexualität, Bordellen und käuflicher Lust – nicht zuletzt arbeiten wir gerade an einer neuen Shakespeareausgabe.

Die Fragen stellte Matthias Hofmann

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Foto & Abbildungen © Ch. A. Bachmann Verlag


Weiterführender Link:

Homepage des Verlags:Ch. A. Bachmann Verlag