Enzyklopädie deutscher Piccolo-Bilderhefte - Interview mit Hermann Mentzer

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UPDATE [07.04.2015]: Die Buchreihe Enzyklopädie deutscher Piccolo-Bilderhefte wird in der Form wie im unten veröffentlichten Interview nicht erscheinen können, da für sämtliche dort geplante Abbildungen von Hansrudi Wäscher das Nutzungsrecht nicht vorliegt. Nähere Informationen darüber finden sich HIER.

Die Generation Lehning, also Comicleser, die sich in ihrer Kindheit von Comics aus dem Hause Lehning und der Zeichenfeder eines Hansrudi Wäscher bezaubern ließen, dürfen sich auf ein neues Sekundärwerk freuen, welches die »gute alte Zeit« mithilfe von originalgetreuen Titelbildern heraufbeschwört. CRON sprach mit Hermann Mentzer, der die ambitionierte Enzyklopädie deutscher Piccolo-Bilderhefte zusammengestellt hat.

Enzyklopädie deutscher Piccolo-Bilderheftegermany48
Titelbilder, Hintergrundinformationen

Im Kleinverlag ComicSelection erscheint ein mehrbändiges auf 300 Exemplare limitiertes Nachschlagewerk, auf das, laut Verlagswerbung, »Lehning-Fans schon seit 20 Jahren gewartet haben«. Für stolze 69 Euro pro Band gibt es ein Kaffeetischbuch mit 208 Seiten und 500 bis 700 Abbildungen in Farbe. Band 1 erscheint Mitte Juni, insgesamt zehn Bücher sollen es werden.

Zusammengestellt und mit Hintergrundinformationen versehen wurde die Enzyklopädie deutscher Piccolo-Bilderhefte von Hermann Mentzer, der sich damit einen Kindheitstraum erfüllt. CRON sprach mit dem Autor.

Enzyklopädie deutscher Piccolo-Bilderhefte Band 1


CRON fragt. Hermann Mentzer antwortet.cr ICON-Fragen
Interview mit dem Autor

Wie entstand die Idee zu diesem ambitionierten Projekt einer Enzyklopädie von Piccolo-Comicserien?

Ich hatte mir privat schon immer einen dicken Wälzer gewünscht, in dem alle Hefte, die ich in meiner Jugend damals geliebt habe, in Form eines Lexikons oder eines bebildertes Nachschlagewerk zusammen abgebildet sind. Und dazu noch all die Serien, von denen ich früher in den rückseitigen Verlagsankündigungen zwar stets gelesen, die ich aber nie besessen hatte.

Irgendwann mit vierzig hatte ich alle Serien zusammen, musste mich aber um die Dinge des Lebens kümmern: die Liebe, die Karriere, ein eigenes Haus, die Firma und tausend andere Sachen mehr.  Im Alter, fand ich mit sechzig endlich die Muße und auch wieder die Zeit, die Wünsche meiner Jugend vollständig aufzuarbeiten. Die hunderten Piccolos und Großbände im Schrank, in meinen Hobbyräumen, reichten mir nicht! Ich wollte den dicken Wälzer in meiner Bibliothek im Wohnzimmer endlich stehen haben. Den, von dem ich immer geträumt hatte. Ich kaufte mir den besten Computer, den hochwertigsten Profi-Scanner und das modernste Bildbearbeitungssystem und scannte meine Sammlung nach und nach ein.  Und das in 600 dpi; dann druckte ich die Motive in 1800 x 1800 dpi aus. Das Ergebnis war so umwerfend und traumhaft, dass ich sofort mit meinem Buch begann!

Enzyklopädie deutscher Piccolo-Bilderhefte Leseprobe

Welche Comics werden in den Büchern behandelt?

Alle Hefte der legendären Piccolo-Bilderserien, die zwischen 1953 und 1968 im Walter Lehning Verlag erschienen sind: Akim, Sigurd, El Bravo, Carnera, Fulgor, Nick! – Na, sie wissen schon, was ich meine.

Die damals verpönten Schundheftchen – die Albträume der Eltern, Lehrer und Onkeln und Tanten. Diese Heftcover, einschließlich der dazugehörigen Groß- und Sonderbände, in welchen die ursprünglichen Piccolos entweder nachgedruckt, erweitert oder weitergeführt wurden. Das ist die Substanz  in dieser Enzyklopädie. Darum geht´s!

Alle restlichen Serien, die gleichzeitig im Walter Lehning Verlag erschienen sind, werden lexikarisch behandelt, mit einigen Bildern aufgezeigt, aber nicht komplex abgebildet, wie die beschriebenen Hauptserien, die auch heute noch über 95% der Lehning-Sammler ausmachen.

Enzyklopädie deutscher Piccolo-Bilderhefte Leseprobe

Wie unterscheidet sich Ihr Projekt von ähnlich gelagerten Buchreihen wie z.B. Siegmar Wansels Illustrierte Deutsche Comic-Geschichte, die den Walter Lehning Verlag bereits in zwölf Bänden in Wort und Bild komplett vorgestellt hat?

Der Unterschied ist grundliegend! Die einzige Gemeinsamkeit zwischen beiden Publikationen ist der zugrunde liegende Erscheinungs-Zeitplan der Lehninghefte, der beiden Werken zu eigen ist und somit  auf eine gewisse Weise beide Werke miteinander verbindet. So wie eine Freundschaft zwischen den beiden Autoren – Wansel und Mentzer.

Ansonsten ist die Piccolo-Enzyklopädie in DIN A 3 gedruckt, die von Wansel in DIN A 4, also doppelt so groß, unsere ist hingegen weit über 2000 Seiten stark, also etwa dreimal so umfangreich wie die Illustrierte Deutsche Comic Geschichte und sie bildet sämtliche Hefte von früher nicht in Freimarkengröße ab, so dass man die Lupe zur Hand nehmen müsste, sondern in ihrer Originalgröße, in Eins-zu-Eins. Das bedeutet: Die Heftabbildungen werden erstmals in ihrer absoluten Originalgröße der damaligen Hefte abgebildet und sind wegen der enormen Reproqualität, die wir zur Verfügung hatten, in nichts von den ursprünglichen Originalen mehr zu unterscheiden. Man könnte theoretisch die Cover ausschneiden und um beschädigte Hefte falzen und kaum jemand würde den Unterschied bemerken, wenn nicht die Rück- und Innendruckseiten fehlen würden! Die Hefte stehen da, wie falsche 500-Euro-Scheine – sie sind zu 100% farbidentisch – und das gab es wirklich noch nie! Hethke hätte daran seine wahre Freude gehabt. Schade, dass er das nicht mehr sehen kann! Ich habe ihn sehr bewundert.

Ein weiterer ganz gravierender Unterschied zu Wansels Illustrierter Deutscher Comic-Geschichte ist: Unsere Enzyklopädie geht nicht thematisch vor, wie Wansels Werk, indem sie Serie nach Serie präsentiert und abhandelt,  wie alle Akim der Reihe nach, alle Sigurd und alle Falk. Das ist bei uns anders und wird in chronologischer Reihenfolge, nach Erscheinen der Hefte, wie sie damals am Kiosk erschienen sind, vorgestellt.

Okay, zu Zeiten vor 20 Jahren wollten die Fans erst mal sehen, was es alles für Hefte innerhalb einer Serie gab. Das wussten viele nicht. Da hatte die Abbildung aller Hefte zunächst mal oberste Priorität. Heute kennt die einzelnen Serien jeder in- und auswendig. Dafür haben Hethkes Nachdrucke gesorgt, die aber reprotechnisch für alle Sammler auch heute noch äußerst unbefriedigend sind und wesentlich von den Originalfarben abweichen. Die Nachdrucke entbehren daher jeglichen Reiz!

Bei uns werden alle damals in einer Woche gleichzeitig erschienenen Hefte nebeneinander auf Doppelseiten vorgestellt. Der Leser erlebt damit das damalige Erscheinen der Ausgaben am Kiosk nochmal nach und sieht auf einen Blick, welche Hefte damals alle gemeinsam erhältlich waren. Dadurch eröffnen sich dem Leser und Interessenten ganz andere Perspektiven, als würde man nur Serie für Serie abbilden. Gemeinsamkeiten der verschiedenen Serien untereinander treten zu Tage, die man losgelöst von den anderen, parallel erschienenen Heft-Reihen nie erkennen würde. Infolge dessen, werden bei unserer Enzyklopädie Hintergründe aufgedeckt, die zu über 80% in der bisherigen Literatur über Lehning und die Zeichner noch nie veröffentlicht wurden.

Meistens ist es ja auch so, dass die Sammler heute, aus welchen Gründen auch immer, sehr spezialisiert sind. Wer kann sich schon leisten alles zu sammeln? Das hat dazu geführt, dass die meisten nur einige Serien sammeln, z.B. Akim und Tibor oder Sigurd und Falk oder Nick und Fulgor. Wieder andere sammeln nach Zeichnern – wie zum Beispiel alles von Beispiel Wäscher. Andererseits besteht bei den meisten aber auch eine naturbedingte Sehnsucht, auch hin und wieder die anderen Serien aus der Jugend wiederzusehen, die man sich nicht auch noch zusätzlich leisten kann.

Mit anderen Worten: Wie will man diesen Blick über den eigenen Tellerrand befriedigen? Meistens gar nicht!  Denn man hat die Hefte ja nicht. Das wird nun anders. Ein Griff ins Bücherregal schafft jetzt schnelle Abhilfe. Und das sogar in allerbester Spitzenqualität. Der Besitzer dieser Enzyklopädie schlägt eine absolute Zustand-Null-Sammlung auf, die keiner sonst besitzt! Noch nicht mal Hethke damals! Und der hatte schon viel!

Enzyklopädie deutscher Piccolo-Bilderhefte Leseprobe

Wie ist die bisherige Resonanz auf die Enzyklopädie?

Die bisherige Resonanz ist sehr erfreulich. Die Internet-Plattformen sind voll mit Informationen und die Lehning-Fans haben tausend Fragen. Während manche noch in den Foren zögerlich sind, buchen andere schon ungesehen die ganze Buchreihe bis einschließlich Band 10, obwohl sie noch keines der Bücher gesehen haben. Andererseits stehen ja schon etliche Fotos von Doppelseiten im Netz, sodass sich eigentlich jeder schon ein recht gutes Bild von der Aufmachung und Reproqualität machen kann.

Wir hatten aber auch im Vorfeld schon eine sehr gute Marktforschung betrieben und zehn alte Hasen unsere ersten zwei Bände zweieinhalb Monate zur Probe lesen lassen. Das Resultat war einfach überwältigend. Außer ein paar Schreibfehler in den noch nicht Korrektur gelesenen Bänden, hatte eigentlich kaum jemand etwas wesentliches zu bemängeln. Alle waren übereinstimmend begeistert von dem Format der Bücher, den Eins-zu-Eins-Abbildungen, der Reproqualität und von der Fülle gut recherchierter Hintergrund-Informationen. Sechs der Uralt-Hasen haben gleich die gesamte Buchreihe fest vorbestellt. Da wussten wir, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Enzyklopädie deutscher Piccolo-Bilderhefte Leseprobe

Werden die Bücher auch im Comicfachhandel zu kaufen sein?

Selbstverständlich werden auch alle Bücher im Comicfachbuchhandel zu kaufen sein. Diese beliefert PPM-Medienvertrieb, einer der großen, renommierten Comicgrossisten. Die Händler buchen derzeit dort ihre Bestände. Band 1 ist ab sofort bestellbar, entweder über den Verlag direkt, über Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. oder über PPM unter der ISBN-Nr: 978-3-9817305-0-0.

Übrigens, wir wussten überhaupt nicht, wie viele echte Lehning-Fans es heutzutage überhaupt noch gibt. Deshalb haben wir die Auflage so gering wie möglich gehalten und nur 300 Exemplare bestellt. Wir wollten ja schließlich nicht auf Berge von Büchern sitzen bleiben. Ich glaube mittlerweile, das war ein Fehler. Wenn die 300 Exemplare vergriffen sind, können wir wegen 100 oder 150 Nachzüglern unmöglich nochmal den ersten Band neu auflegen. Die Auflage rechnet sich erst so einigermaßen ab 300 Stück. Und die bekommen wir im zweiten Anlauf nicht nochmal zusammen. Also wird Band 1 zwangsläufig auch eine gute Wertanlage werden, wenn nachher kein Exemplar mehr zu haben ist. Das war bei den Comics damals ja genauso. Denken Sie nur an Sigurd 1 …

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Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Welche Piccoloserien oder Comichelden haben Sie als Kind am meisten beeindruckt?

Akim, Neue Abenteuer von 1 bis 80. Sigurd von 1 bis 185 und Nick von 1 bis 139. Das waren wirklich großartige Hefte. Wenn ich Ausgaben davon auch heute noch manchmal in den Händen halte, läuft mir meistens immer noch ein kalter Schauer über den Rücken.

Die Fragen stellte Matthias Hofmann

Enzyklopädie deutscher Piccolo-Bilderhefte

Abbildungen © C. Kuhlewind Verlag

Sigurd, Nick, Falk, Tibor, Akim-Illustrationen © Hansrudi Wäscher / becker-illustrators


Die nackten Fakten

Enzyklopädie Deutscher Piccolo-Bilderhefte Bände 1-10

Hardcover, je ca. 208 Seiten, farbig, 41,5 x 29 cm, limitiert auf 300 Exemplare, mit je ca. 500-700 Farbabbildungen der Originalhefte in Originalgröße, je 69,00 EUR

  • Band 1: Die Anfangs-Jahre 1953 & 1954 (Juni 2015)
  • Band 2: Die Grossen Jahre 1955 & 1956 (Oktober 2015)
  • Band 3: Die Goldenen Jahre 1957 & 1958 (März 2016)
  • Band 4: Das Jahr der Grossbände 1959 (Juli 2016)
  • Band 5: Das Jahr der neuen Serien und farbigen Piccolos (Oktober 2016)
  • Band 6-10: ab 2017

Enzyklopädie deutscher Piccolo-Bilderhefte Band 2

Enzyklopädie deutscher Piccolo-Bilderhefte Band 3

Enzyklopädie deutscher Piccolo-Bilderhefte Band 4

Enzyklopädie deutscher Piccolo-Bilderhefte Band 5


Weiterführender Link:

Homepage des Verlags: Comic Selection