Carlsen Comics: Programmvorschau Sommer 2016 - Interview mit Klaus Schikowski

Das Neuheitenprogramm von Carlsen Comics für Sommer 2016 liegt vor. 26 Titel tummeln auf den Programmplätzen von April bis September 2016 und bieten für jeden Geschmack etwas. CRON sprach mit Programmleiter Klaus Schikowski über die Comics, die nächstes Jahr aus Hamburg auf uns zu kommen werden.

Interview mit Klaus Schikowski,
Programmleiter Carlsen Comics und Graphic Novel

Klaus, wenn ich mir das neue Programm so anschaue, dann wirkt das auf mich gefühlt interessanter als die letzten beiden. Irgendwie hatte ich zuletzt den Eindruck, dass das Programm per Autopilot zusammengestellt wurde und wenig Überraschungen bot. Diesmal sind einige schöne Titel dabei, die neugierig machen. Ist das nun Deine »Handschrift« bei der Selektion und war das davor der Übergangsphase zwischen den Programmleitern geschuldet?

Danke. Man kann es nennen wie man mag, aber richtig ist, dass die gegebene Programmstruktur erst einmal tief eingreifende Veränderungen nicht zulässt - und ja auch nicht so verkehrt war. In den letzten Programmen war es uns wichtig, Serien und Klassiker fortzuführen, ganz leise wurde aber dabei an einigen Schrauben gedreht, die nun sichtbarer werden.

 
Im Juli startet Ihr eine Neuauflage von Hergés Ligne-Claire-Klassiker Die Abenteuer von Jo, Jette und Joko mit gleich zwei Alben, allerdings im Softcoverformat. Wieso das und welche Gründe sprachen dagegen, die Bände als Hardcover zu bringen?

Ich gebe zu, dass mich der Job als Programmleiter bei aller Liebe zum Medium auch zu einer anderen Betrachtungsweise von Comics geführt hat. So finde ich es wichtig, verschiedene Preissegmente im Auge zu behalten. Und die günstige Softcoverkultur von Carlsen ermöglicht es weiterhin Comics bis 12 Euro anbieten zu können.

Wenn es dann zu Jo, Jette und Jocko kommt, dann wird abgewägt: Wir könnten das Hardcover für 15-16 Euro anbieten, aber wieviele Leser langen dann zu? Allen voran bei einer älteren Serie, die es schon einmal gab. Daher muss abgewägt werden, die Tim und Struppis gibt es seit Jahrzehnten im Softcover, da sollte die Serie aus der Feder von Hergé doch im selben Preissegment liegen. Aber zur Entwarnung für alle Sammler: Mit dem fünften Band (Sommer 2017) wird es einen schönen Schuber für alle Bände geben.

 
Nur ein Marsupilami-Album in sechs Monaten? Bei dem Umfang und der Beliebtheit der Serie ist diese langsame Veröffentlichungsschlagzahl verwunderlich. Woran liegt’s?

Das Marsupilami erscheint alle vier Monate. Deshalb gibt es einen Programmzeitraum, in dem zwei Alben erscheinen, und einen, wo nur eins erscheint. Aber es ist richtig, dass die Serie gut angenommen wird, und womöglich stellen wir bald auf dreimonatlich um. Allerdings freue ich mich über jeden freien Programmplatz ...

 
Mit Mutts hält eine äußerst gelungene Zeitungscomicserie Einzug, die zuletzt 1998 auf Deutsch von Krüger in Sammelbandform veröffentlicht wurde. Das wurde aber auch Zeit …
 
Ja, ich denke, dass das Genre der Zeitungsstrips noch nicht hinreichend ausgeschöpft ist, dort ganz wunderbare Sachen noch warten. Denn gerade Strips werden viel mehr von Gelegenheitskäufern mitgenommen … Und zudem hat Mutts eine ganz außerordentliche Qualität und ist hierzulande immer noch unterschätzt.

Die Serie läuft ja heute noch. Welche Strips habt Ihr ausgewählt? Ein »Best-of« oder was anderes?

Es sollte zunächst tatsächlich eine Art »Best-of« werden, aber dann kam so viel Zuspruch von allen Seiten, dass wir konzeptuell Strips aus einem Jahrgang nehmen, damit wir noch genug Stoff für die weitere Reihe haben.

 
Was gibt es zu den deutschen Produktionen zu sagen, wie z.B. Münchhausen?

Haiko Hörnig arbeitet mit Joscha Sauer zusammen und ist ein verdammt versierter Texter, seine Serie A House Divided ist ein wunderbar schräger Fantasy-Stilmix, den Marius Pawlitza clever umsetzt. Das hat uns überzeugt. Außerdem wollten wir auch gerne deutsche Genrecomics ins Programm nehmen. Ein Band von Reinhard Kleist spricht für sich.
Und Münchhausen ist in zweierlei Hinsicht ein Herzensprojekt. Als Flix mir erzählte, er wolle gerne mal als Autor arbeiten, dachte ich direkt an Bernd Kissel, dessen professionelle Zeichenkunst ich schon vorher aus den SaarLegenden kannte. Beim Treffen mit Flix sagte dieser dann als erstes zu mir: Was hältst du von Bernd Kissel?

Gesagt, getan. Bernd liefert wunderbare Zeichnungen ab. Flix versetzt Münchhausen in den Vorabend des Zeiten Weltkriegs und im Band erfahren wir dann mehr über seine Odyssee in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Untertitel »Die Wahrheit über das Lügen« ist Programm.

 
Mit Tyler Cross von Nury und Brüno habt Ihr einen interessanten Krimi im Programm. Brüno pflegt einen besonderen Stil, den er seit tollen Comics wie Atar Gull noch verfeinert hat. Wer sollte sich diesen Titel unbedingt vormerken?

Brüno, yeah! Um den habe ich regelrecht gekämpft, denn ich mag seinen frischen Funny-Stil sehr. Tyler Cross ist hart, böse, unbarmherzig, mit einem trockenen Humor ausgestattet. Für alle Fans von Breaking Bad lässt sich die Krimigeschichte mit seinem Claim zusammenfassen: »Eines Tages wird Tyler Cross für seinen Verbrechen büßen - bis dahin begeht er weitere.« Von Brüno werden wir sicherlich noch mehr Serien ins Programm nehmen.
 
Abschließend, auch wenn’s schwer fällt, und bitte keine Ausreden [lacht], die Frage nach Deinem Lieblingstitel aus dem neuen Sommerprogramm?
 
Tyler Cross, Münchhausen und Das Essay. Die Geschichte einer Gruppe von Anarchisten, die am Beginn des 20. Jahrhunderts eine eigene Gesellschaft in den Ardennen begründen wollen und scheitern, das ist schon sehr stimmungsvolle Comickunst - und ein sehr modernes Thema.

Die Fragen stellte Matthias Hofmann

Abbildungen © Carlsen

Das Frühjahr-/Sommerprogramm 2016 im Überblick

Weiterführender Link:

Homepage des Verlags: Carlsen Comics